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BahnlärmBegüterte gegen Güterzüge

Der Widerstand gegen den Ausbau der Bahnstrecke Oldenburg-Wilhelmshaven hat einen problematischen Protagonisten: den Grünen-Ratsherrn Armin Frühauf.

Schöne Aussichten: Wenn hier die Güterzüge drüberdonnern, könnten die Stadtvillen erzittern. Bild: dpa

OLDENBURG taz | Ein Spitzenjurist mit Privatinteressen, eine "Rufmordkampagne", Gerüchte und eine innergrüne Solidaritätsbekundung - es geht um das derzeit wohl größte Thema in der Stadt Oldenburg, den geplanten Ausbau der Bahnstrecke nach Wilhelmshaven.

Die Trasse verläuft mitten durch die Stadt, quert die Wohnviertel, in denen grün angehauchtes Bürgertum wohnt. Weil in Wilhelmshaven der Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port gebaut wird, baut die Bahn die Strecke nach Wilhelmshaven aus. Anwohner fürchten Gefahrguttransporte und Lärm durch viele Hundert Zugdurchfahrten, auch nachts. Sie fordern deshalb eine Umgehungstrasse um die Stadt herum.

Wären die Oldenburger heißblütiger, hätten sie sich längst zu einem Ableger der Stuttgart-21-Widerständler formiert. Die Stadt und fünf weitere Kläger gehen gerichtlich gegen den Ausbau der Strecke vor, die Sache liegt beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Die Kläger werden vertreten vom Münsteraner Verwaltungsrechtler Bernhard Stüer. In Aussicht steht ein Vergleich: Die Klage wird fallen gelassen, dafür gibt es Lärmschutz an den Häusern entlang der Strecke. Unberührt davon bleibt die politische Maximalforderung nach der Umgehungstrasse.

Oldenburg und die Bahn

Der Lärm: Weil in Wilhelmshaven der Tiefwasserhafen Jade-Weser-Port Gestalt annimmt, wird damit gerechnet, dass künftig täglich Hunderte Güterzüge mitten durch Oldenburg poltern. Kritiker fürchten Lärm und Gefahrguttransporte, fordern Lärmschutz und - auf Dauer - eine Umgehungstrasse.

Der Streit: Die Stadt Oldenburg und fünf weitere Kläger klagen gegen den Ausbau der Bahnstrecke. In Aussicht steht ein Vergleich: Die Klage wird fallen gelassen, dafür bekommen betroffene Häuser Lärmschutzfenster.

Armin Frühauf ist Grünen-Ratsherr, Vizepräsident des Landgerichts und Hauseigentümer nahe der Bahnstrecke. Der 65-Jährige mischt sich immer wieder in die Debatte ein - durchaus nicht zur Freude aller. FEZ

Der, der schon länger im Mittelpunkt der Sache steht, heißt Armin Frühauf, 65, ist bis Ende des Monats noch Vizepräsident des Landgerichts Oldenburg und seit November grüner Ratsherr. Dass es den Grünen gelungen war, Frühauf für sich zu gewinnen, sah nach einem Coup aus: Karrierejurist, lange SPD-Mitglied, war Referatsleiter im Bundesjustizministerium, Gastprofessor in Buenos Aires, rhetorisch begabt, intelligent, hat Kontakte bis weit oben oder scheut sich nicht, qua Bedeutung auch bis weit nach oben zu gehen. Frühauf ist der vehementeste Kämpfer für Lärmschutz und Umgehungstrasse, ein Polterer, der gelegentlich übers Ziel hinaus schießt, als Ein-Themen-Ratsherr gilt und auch Parteifreunden mitunter auf die Nerven geht. Eigentümer eines Hauses nahe der Bahnstrecke ist er auch, weshalb man den Eindruck haben kann, da vermischten sich private Interessen mit politischem Mandat.

Dass er auch noch permanent mit Verweis auf seinen juristischen Sachverstand als Richter im Klageverfahren interveniert, macht die Sache nicht durchschaubarer. Frühauf schickt Mails an Stüer und Oldenburgs Oberbürgermeister Schwandner und drängt darauf, dass beide - Rechtsanwalt und Kläger - das Tempo aus den Verhandlungen über den Vergleich nehmen. Stüer beschied er kühn, er habe "derzeit keinerlei Auftrag", für die privaten Kläger "mit dem Gericht, dem Prozessgegner, den Beigeladenen oder sonstigen Beteiligten zu verhandeln". Auch beim Bundesverwaltungsgericht rief er an mit dem Hinweis, dass er "mehrere Kläger vertrete", worauf der zuständige Richter entgegnete, "dass die Prozessvertretung bei Prof. Stüer liege". Als wäre Frühauf als Anwalt dort aufgetreten.

Stüer nun wiederum berichtet aus einer nicht näher spezifizierten Gerüchteküche, in der es heiße, Frühauf wolle das Verfahren entschleunigen, um nach seinem Ausscheiden aus dem Richteramt als Anwalt Mandate von Bahngegnern zu übernehmen.

Der weist das empört zurück, spricht von einer "Rufmordkampagne" und drängt darauf, zur Sache zurückzukehren - während ein Vertreter des Eisenbahnbundesamtes sein "Befremden" über Frühaufs Einmischerei kundtut. Rechtsanwalt Stüer fürchtet wegen Frühaufs Interventionen um den Vergleich: "Das ist die größte Gefahr", sagt er.

Die Oldenburger Grünen reagierten am Freitag mit einer Solidaritätserklärung für Armin Frühauf: Der gestalte "mit Sachverstand und scharfer Analyse" grüne Politik in Oldenburg mit. Seine juristische Expertise bringe er "beim zukunftsweisenden Thema Bahn hoch engagiert und in einem Rahmen ein, der die Möglichkeiten eines Ehrenamtes bisweilen übersteigt".

Der so Gelobte ist längst schon wieder unterwegs, um die Stadt vor dem Bahnlärm zu bewahren - diesmal in der Bundeshauptstadt.

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10 Kommentare

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  • L
    Lutz

    das thema Güterverkehr mitten durch die Stadt oder Umgehungstrasse wird die Stadt Oldenburg und die Metropolregion noch weiter intensiv beschäftigen. Am 26.11.2012 hat der Rat der Stadt Oldenburg - bei einer Gegenstimme ( NPD ) beschlossen, eine Ertüchtigung der Stadtstrecke abzulehnen und eine Umfahrung von Oldenburg eingefordert, wie sie der designierte SPD-Wirtschaftsminister LIES für sein Heimatdorf SANDE mit Erfolg durchgesetzt hat. Die Oldenburger SPD hat sich vornehm enthalten. Das Umland - insbesondere das Friesland - SPD-LR Ambrosy - ist empört, daß Oldenburg das verlangt, was SANDE bekommen hat, aus Oldenburg hört man nun schon erste Stimmen, die von Nepotismus (Vetternwirtschaft) sprechen, wenn LIES den Oldenburgern gleiches REcht verweigert.

  • RA
    Reinhard Aswegen

    Dummerweise gibt es die Strecke Varel-Schweiburg-Rodenkirchen nicht mehr - mittels Weserquerung hätte man dann eine Abkürzung nach Hamburg einrichten können, und so den Verkehr entflechten - auch wegen dem Nadelöhr Bremen!

     

    Ist besagte Strecke noch gewidmet??

  • S
    sho

    Der Artikel ist zutreffend, was die Verquickung von persönlichem Interesse und vermeintlichem politischen Engagement angeht. Zu ergänzen ist, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Beförderung zum Vizepräsidenten des Landgericht als CDU-nah galt.

    Herr Frühauf ist sehr flexibel in seiner politischen Einstellung...

  • KQ
    K.-H. Queckenstedt

    Jaherelang haben die Oldenburger, nicht zuletzt wegen der unklaren Politik ihrer SPD-Kommunalpolitiker das Riesenproblem der Stadtzerstörung durch die zu erwartenden Güterzugdurchquerungen mitten durch die Stadt verschlafen. Endlich macht unter anderem der neugewählte Kommunalpolitiker Armin Frühauf mit Vehemenz und unbeirrt auf das Problem aufmerksam und verdirbt damit natürlich die Laune derjenigen, die sich in der Vergangenheit nicht gekümmert haben und die am liebsten auch heute noch Ohren, Mund und Augen geschlossen halten würden. Sehr bedauerlich, dass die TAZ der Verleumdungskampagne, die in Oldenburg gegen Frühauf geführt wird, auf den Leim geht und die irreführenden Behauptungen der Kampagnenführer auch noch wiederholt!

  • CR
    Christian Röhlig

    Schade eigentlich , dass in dem Artikel nicht die gesamte Bandbreite der ehrenamtlichen Engagements von Dr.Frühauf genannt wurden ( aus Platzgründen vielleicht nicht genannt werden konnten). Ohne seine Arbeit gäbe es heute kein Verfahren vor dem BVerwG und damit auch kein Verhandlungsangebot der DB!!

    Und im Stadtrat und den Ausschüssen mit seiner Beteiligung ist er einer der ganz Wenigen, die Klartext im Sinne der Bürger reden. Hätten wir mehr von seiner Art , möglichst auch in Bund und Land, gäbe es die Vokabel "Politikverdrossenheit" gar nicht!! Die jetzigen Hetzkampagnen gegen ihn sind wahrscheinlich schon vor dem Hintergrund der "drohenden" Landtags- und OB- Wahlen zu sehen!

    Christian Röhlig, 1. Vors. der IBO.

  • GS
    Gernot Strey

    Dr. Frühauf ist 2. Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins "Lärmschutz im Verkehr (LiVe)" mit Sitz in Oldenburg, dessn 1. Vorsitzender ich bin. Wir arbeiten auf wissenschaftlicher Grundlage an allen Fragen des Verkehrslärms, sammeln Infomationen über Lärm und Lärmschutz, lassen Gutachten erstellen und engagieren uns regional aber auch direkt, wo es nötig ist. Das hat unter anderemn dazu geführt, dass erst auf Betreiben von LiVe und anderen Vereinen und Initiativen die Stadt sich bereit erklärte, mit weitern Klägern, darunter fünf Privatpersonen, die erwähnte Klage anzustrengen. In vierstelliger Höhe sichern wir - sowie ein weiterer Verein - die Kosten der privaten Kläger für den Fall des Verlusts der Klage ab.

    Als Vorstandsmitglied von LiVe und später auch als Ratsherr hat Dr. Frühauf großen Anteil daran, dass es bis zu dem jetzt vorliegenden Vergleichsangebot gekommen ist. Dazu kommt sein intensives Bemühen um eine Umgehungs-Trasse als beste Lösung für die unerlässlichen Gütertransporte vom und zum Jade-Weser-Port. Dass ein solchges Engagement auch Widerstand erzeugen kann, ist verständlich, dass es aber zu völlig aus der Luft gegriffenen Verdächtigungen führt, persönliche Interessen zu verfolgen, ist nicht nachvollziehbar. Es wäre besser, wenn alle Betroffenen - so wie viele Vereine und Initiativen - uneingeschränkt für die dringend notwendige Umgehungs-Trasse kämpfen würden, anstatt solche überflüssigen und schädlichen Auseinandersetzungen zu führen.

    Lärmschutz im Verkehr (LiVe)

    Prof. Dr. Gernot Strey

    www.laermschutzimverkehr.de

    1. Vorsitzender

  • H
    hjm
  • FG
    Frank Gross

    Früher auf als andere!

     

    Die Entschiedenheit mit der sich Leute wie Herr Frühauf, mit Verstand gegen den Bahnlärm engagieren, wird von der Interessenlobby rund um Bahn und Transport dann besonders diskreditiert, wenn statt der üblichen "armen Leute" jemand mit Herz und Verstand dagegen angeht - der gefährlich werden könnte.

    Erstaunlich, dass dann solche Gerüchte es bis in die Zeitungen schaffen, während man bei der Aufklärung der Milliardenlöcher die die Bahnreform und seither das nutz- und fruchtlose Agieren der Bahn hinterlassen haben eher unkommentiert bleiben.

    Frühauf weis als Jurist, dass jeder verlorene Prozess der Sache schadet und er weis, Recht ist das Gesetz und hat nicht unbedingt etwas mit Gerechtigkeit zu tun. Die romantischen Vorstellungen, die man uns als brave Demokraten eingeimpft hat, werden uns von der Verwaltungsgerichten, oft zum Bedauern der Richter, um die Ohren geschlagen, wenn das Gesetz es nicht hergibt. Darum gilt es bei der nächsten Bundestagswahl erst eine politische Mehrheit zu finden, die bereit ist, den antiquierten Immissionsschutz auf den Stand des Wissens und der Technik zu bringen. Erst dann gibt es ein einklagbares Recht und eine faire Chance für die betroffenen Städte und Regionen und ihre Menschen, die jetzt vom Deutschen Ärztetag noch einmal bescheinigt bekamen, wie mörderisch Lärm sein kann.

  • H
    hjm

    Das könnte vielleicht den einen oder die andere in Oldenburg interessieren:

    http://www.beweg-die-stadt.de/idee/6231-kurze-skizze-eines-innovativen-transport-und-mobilitaetssystem .

  • AH
    A. Haufler

    produktives haben die Grünen in der Politik noch nicht zustande gebracht, aber im dagegeen sein, und rumstänkern, sind sie unschlagbar!!!