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Bahnhofsneubau S21 in StuttgartBUND unter Politikverdacht

Das Finanzamt Stuttgart prüft, ob sich BUND und VCD zu sehr in die Tagespolitik einmischen. Damit wäre der Status der Gemeinnützigkeit dahin.

Vorwurf an den BUND: Finanzielle Verbindungen zu S21-Gegnern. Bild: dpa

STUTTGART taz | Die Umweltschutzorganisation BUND und der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) müssen um ihre Gemeinnützigkeit bangen. Sie wehren sich gegen den Bahnhofsneubau in Stuttgart. Nun prüft das Finanzamt Stuttgart, ob die beiden Verbände sich mit ihrem Engagement zu stark in die Tagespolitik eingemischt und damit gegen ihre Satzungen verstoßen haben. Einen entsprechenden Bericht der Financial Times Deutschland hat der BUND der taz gegenüber bestätigt.

Ausgelöst hat die Prüfung ein SPD-Landtagsabgeordneter. Martin Rivoir hatte Ende Juni eine Kleine Anfrage an die grün-rote Landesregierung gestellt und wollte damit vor allem finanzielle Verbindungen des BUND zu anderen S21-Gegnern, den aktiven Parkschützern, klären lassen. Daraufhin hatte das SPD-geführte Finanzministerium eine Überprüfung gestartet und vom BUND Daten angefordert, womit wiederum das Finanzamt aktiv wurde. Dabei geriet zusätzlich der VCD in den Fokus.

Pikanterweise ist der Auslöser des Geschehens, SPD-Mann Rivoir, ein Befürworter von S21. Er war es auch, der vor der Wahl von Winfried Kretschmann zum Ministerpräsidenten öffentlich damit gepokert hatte, dem Grünen die Stimme zu verweigern.

Ungereimtheiten auf S21-Seiten

"Man kann schon von einer politisch motivierten Aktion sprechen", sagte Berthold Frieß, Landesgeschäftsführer des BUND. Er bedaure, dass Rivoir nicht versucht hat, die Sache persönlich zu klären. Denn bis vor kurzem war Rivoir selbst Mitglied im BUND - und begründete dann seinen Austritt mit dem zu großen Engagement des Verbandes gegen S21.

Rivoir erklärte der taz, dass er auf S21-Internetseiten auf Ungereimtheiten gestoßen sei, inwieweit Spender eine Quittung fürs Finanzamt erhalten könnten. "Dem darf ich als Abgeordneter ja wohl nachgehen." Den direkten Kontakt zum BUND habe er nicht gesucht, weil er es "lieber von einer unabhängigen Quellen wissen" wolle. "Mein Vorgehen ist nicht politisch motiviert", verteidigt er sich.

Die beiden Verbände müssen sich jetzt jedenfalls erst einmal um viel Papierkram kümmern. Sollten sie die Gemeinnützigkeit verlieren, könnten Spenden und Mitgliedsbeiträge nicht mehr von der Steuer abgesetzt werden. Dass es soweit kommt, glaubt Frieß allerdings nicht. Die Spendenkonten des BUND und des Aktionsbündnisses seien zwei völlig verschiedene. Auch habe der BUND keinerlei Geld für die aktiven Parkschützer gesammelt. Frieß: "Wir haben nichts zu verbergen."

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17 Kommentare

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  • M
    Manfred

    Habe dem "politisch nicht motivierten" Herrn Rivoir wegen seiner mutigen, selbstlosen, investigativen Aktion gegen BUND auf abgeordnetenwatch unter der Rubrik 'Demokratie und Bürgerrechte' Fragen gestellt.

     

    http://www.abgeordnetenwatch.de/martin_rivoir-597-44369.html#questions

     

    Wen die Antwort interessiert: Einfach die Benachrichtigen-Funktion betätigen.

  • H
    hans

    Von so einem Kriterium habe ich ja noch nie gehört. Was ist denn mit der Bertelsmann Stiftung, oder dem erwähnten Atomforum. Die mischen sich doch auch ständig in die Politik ein bzw. laden Politiker ein und schreiben in den Ministerien an Gesetzen mit.

     

    Wäre schön, wenn die TAZ das mal genauer ausführen bzw. recherchieren würde, was genau "Gemeinnützigkeit" ist wo die Grenze liegt.

  • H
    hathor

    außerdem sollte Martin Rivoir erst einmal seine eigenen finanziellen Verbindungen zu AEG MIS offenlegen (aegmis.de). Einem Unternehmen, das als Marktführer bei Fahrgastinformationssystemen im Markt der Deutschen Bahn gilt. Dort ist Rivoir noch zu 10 Prozent beschäftigt. Er ist beratend tätig und begleitet Messeauftritte.....

  • H
    hathor

    Solche niederträchtigen Aktionen bringen das Vertrauen in die SPD nicht zurück. Als SPD Landtagsabgeordneter sollte er sich langsam um seine Basis kümmern, die macht sich "auf und davon", über 400 SPD GenossInnen sind bereits dem Aktionsbündnis gegen S21 beigetreten. Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten! Oben Bleiben!

  • JI
    ja ich

    Mit Schäbigkeit gewinnt man die Herzen nicht.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Der Vorgang ist eine Schande für die derzeit gelebte Demokratie. Klar, bei Sozialdemokraten darf einen nichts mehr schocken. Die waren,sind und bleiben Verräter. Aber hier geht es nicht nur um den Zug eines politischen Winkeladvokaten. Weder die extreme Linke, noch die harte Rechte können unsere Demokratie gefährden,Aktionen wie diese Finanzamtsrache beweisen riesigen Unterdrückungswillen von Politikern. Der ist ein gefährliches Gift für unsere Demokratie. Denn letztlich soll der Wille eines Großteils der Bevölkerung untergraben werden. Erarbeitet endlich faire Klärungen.

  • H
    hund

    ein übler Versuch den BUND mundtot zu machen. Bertelsmann, die neoliberale PR-Agentur und Kaderschmiede der marktradikalen Sozialdarwinisten, ist natürlich unangetastet gemeinnützig.

  • R
    reblek

    "Nun prüft das Finanzamt Stuttgart, ob die beiden Verbände sich mit ihrem Engagement zu stark in die Tagespolitik eingemischt und damit gegen ihre Satzungen verstoßen haben." - Ich nehme mal an, die haben beide nur eine Satzung und gegebenenfalls gegen diese verstoßen.

    "Den direkten Kontakt zum BUND habe er nicht gesucht, weil er es 'lieber von einer unabhängigen Quellen wissen' wolle. - War wohl eher eine Quelle.

    "'Mein Vorgehen ist nicht politisch motiviert', verteidigt er sich." - Was ein schwaches Bild ist für einen Landtagsabgeordneten. Da sollte er doch eher Blümchen zählen.

  • B
    Bitbändiger

    Nun ja - die Behauptung, "Man kann schon von einer politisch motivierten Aktion [des Herrn Rivoir] sprechen", ist sicher ebenso abwegig wie die immer wiederkehrende bösartige Behauptung, Spritpreiserhöhungen zur Ferienzeit hätten nichts mit den Ferien zu tun.

     

    Herr Rivoir war mir bisher (zu Recht) nicht bekannt. Wütend macht mich immer wieder, dass solche nichtsnutzigen parlamentarischen Hinterst-Bänkler aus den Steuern derer, die sie verschaukeln, fürstlichst alimentiert werden.

  • K
    kMfN

    Was für ein durchsichtiges Druckmittel der Pro- S21-Protagonisten!

    Dabei ist doch selbst der Preis für einen Laib Brot politisch relevant.

     

    Wahrscheinlich steht aber im Vordergrund eher die Angst der Politik vor selbstbewussten und wehrhaften Bürgern, die auch bei wichtigeren Entscheidungen ihren Protest bündeln und zu einer unkontrollierbaren, basisdemokratischen Massenbewegung (und damit zur Gefahr für die herrschenden Autokraten) werden könnten.

  • RH
    Rolf Hönes

    Es wäre schön, wenn sich der Lobbyist Rivior, genauso gewissenhaft, für die offensichtlichen Betrügereien der Bahn interresieren würde.

  • P
    pseudoruprecht

    Deutsches Atomforum e.V. ist übrigens auch gemeinnützig. Die wissen nicht einmal selbst, warum...

  • PA
    Peter A. Weber

    Wie wäre es, wenn Herr Rivoir sich einmal z. B. um solch dubiose Organisationen wie die Bertelsmann Stiftung kümmern würde. Diese hält 77,6 % der Anteile der Bertelsmann AG, wobei man sich ausmalen kann, auf welche Abermillionen Steuereinnahmen der Staat freiwillig verzichtet.

     

    Aber die Stiftung ist ja "politisch neutral" - nur mischt sie sich mit ihren Projekten in fast allen Politkbereichen ein, speziell im Schul- und Hochschulwesen sowie der Sozialpolitik (Hartz IV ist auf diesem Mist gewachsten)und serviert der Politik die Gesetzestexte schon auf dem silbernen Tablett. Dagegen sind der BUND und der VCD wirklich nur Waisenknaben.

     

    Außerdem - was heißt schon "unpolitisch" oder "politisch neutral"? Glaubt denn irgendwer ernsthaft, man sei überhaupt in der Lage, sich neutral zu verhalten, wenn man im öffentlichen Raum tätig ist? Die Leute, die von sich behaupten, sie würden sich aus der Politik heraus halten, entfalten - bewußt oder unbewußt - allergrößte politische Effizienz. Denn durch ihr Verhalten stützen sie das System und tun genau das, was die Obrigkeit von ihnen erwartet.

     

    Der Bertelsmann-Stiftung an die Wäsche gehen zu wollen, dürfte jedoch nicht so einfach sein, denn Liz Mohn und Angela Merkel sind ein Traumpaar, zu dem sich noch Friede Springer gesellt. Dieses unzertrennliche Trio hält sämtliche Strippen in der Hand und über die Stiftung.

  • D
    derherrbahr

    Die Überprüfung des Status der Gemeinnützigkeit von BUND und VCD aufgrund deren Vorgehen im Fall Stuttgart 21 ist die Fortführung des respektlosen Verhaltens der Staatsorgane gegenüber dem Plebs.

    Die Antwort des Volkes muß genauso intensiv ausfallen wie bisher in diesem Spektakel!

  • G
    Gregor

    taz hat "spendenwatch" auf der Homepage.

    Der SPD-Abgeordnete möchte wissen, was mit Spenden an einen (noch) gemeinnützigen Verein passiert.

     

    Ist das ein Problem, weil es nicht von Grün kommt?

     

    Es ist doch bjektiv ein Unterschied, ob der BUND Ziele unterstützt, oder die BUND Vorsitzende als Sprecherin der Gegner auftritt.

  • M
    Montcerf

    Nein, Herr Rivoir ist auf keinen Fall politisch motiviert, das war reiner Zufall, dass er darauf gestoßen ist, dass BUND und VCD Positionen unterstützen, die ihm nicht passen ... das ist doch unglaubwürdig. Warum behauptet ein Politiker, dass eine politische Handlung (nämlich eine Anfrage im Parlament) nicht politisch motiviert sei? Eigentlich sollte man von einem Politiker erwarten können, dass er politisch denkt und handelt.

  • G
    Gerd

    Ich finde es vorbildlich das sich das Finanzamt die Sache genau ansieht. Ich habe selbst vor ein paar Jahren was für den BUND gespendet, aber mittlerweile habe ich gemerkt das das ein Fehler war.