Bahn-Tarifstreit: Der Kampf um Sympathie

Die Kritik führender SPD-Politiker bringt die Lokführergewerkschaft GDL in Bedrängnis. Sie läuft Gefahr, Sympathien zu verlieren - und damit den Tarifkonflikt.

Liebe oder Hass? Die Tarifparteien buhlen um Zuneigung Bild: dpa

Noch gibt sich die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) optimistisch. Die Streikbereitschaft ihrer Mitglieder sei gewachsen, meinte etwa berlin-brandenburgische Bezirksvorsitzende Hans-Joachim Kernchen. Immerhin ist es der GDL gelungen, mit 30 Stunden Ausstand - der noch am Freitagmorgen um 8 Uhr anhält - den längsten Streik bei der Bahn organisiert zu haben.

Dennoch wächst der öffentliche Druck auf die Lokführergewerkschaft. Und der Tarifkonflikt wird nicht nur in der Öffentlichkeit ausgetragen, weil jeder als Verkehrsteilnehmer direkt oder, im Stau stehend, indirekt davon betroffen ist. Er wird auch in der Öffentlichkeit entschieden. Gegen eine starke öffentliche Meinung können beide Seiten ihre Positionen nicht durchhalten.

In der öffentlichen Wahrnehmung sieht es aber für die GDL mittlerweile nicht zum Besten aus, und zwar nicht nur wegen der Posse um die Kur ihres Vorsitzenden Manfred Schell. Dass sich der Kontrahent, die Deutsche Bahn AG, wenig kompromissbereit zeigt und großflächige Anzeigen schaltet, ist für die GDL noch das geringste Problem - das machen Unternehmer in Arbeitskämpfen immer. Schwerer wiegt, dass selbst führende SPD-Politiker wie Kurt Beck und Peter Struck auf die ihrer Meinung nach egoistischen Lokführer einschlagen.

Noch unangehmer müssen für GDL die Argumente anderer Gewerkschaften sein. Höhere Löhne wünschen sich wie die Lokführer viele Menschen, und Bahnchef Hartmut Mehdorn ist - auch vor dem Hintergrund der Privatisierungsdebatte - nicht gerade der beliebteste Manager im Land. Aber jetzt heißt es: "Selbstverständlich haben auch die Lokführer einen Anspruch auf höhere Löhne. Aber wenn eine einzelne Gruppe ihre Forderungen ohne Rücksicht auf andere durchsetzen will, dann wird das die Belegschaft und ihre Gewerkschaften zersplittern", sagte gestern etwa Hubertus Schmoldt, der Vorsitzende der Chemiegewerkschaft, der hannoverschen Neuen Presse. Das sitzt. Denn wie die IG Metall ist auch die Chemiegewerkschaft keine direkte Konkurrentin der GDL. Anders als etwa die Bahngewerkschaft Transnet und die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di stehen beide nicht im Wettbewerb um Mitglieder und damit um Beiträge, Macht und Einfluss.

Die Kritik an der GDL scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Einer Umfrage zufolge, die das Meinungsforschungsinstitut Forsa für das Hamburger Magazin Stern durchführte, finden nur noch 45 Prozent der Bürger die Aktionen der Lokführergewerkschaft richtig, Anfang Oktober waren es noch 55 Prozent. In einer Emnid-Umfrage für den Nachrichtensender N24 zeigten sich hingegen 59 Prozent der Befragten solidarisch mit der GDL. Was für diese komfortabel aussieht, hat seine Tücken. Denn in der gleichen Umfrage lehnt eine deutliche Mehrheit von 64 Prozent die zentrale Forderung der GDL nach einem eigenständigen Tarifvertrag ab; nur 32 Prozent unterstützen sie.

Für die schwindende Zustimmung in der Bevölkerung macht Athanasios Drougias auch die Öffentlichkeitsarbeit der GDL verantwortlich, die "kein erkennbares Konzept" habe. Drougias ist Pressesprecher der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, die sich vor einem Jahr mit ihrer Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag für Krankenhausärzte durchsetzte - gegen den Widerstand von Arbeitgebern und von Ver.di. "Die GDL hätte schon vor dem Streik stärker die Lebensrealität der Lokführer thematisieren müssen, vor allem in den Medien", sagte er der taz. Weil dies den Ärzten gelungen sei, hätten sie selbst nach langer Streikdauer mehr als 75 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung gehabt. Der GDL, deren Forderungen Drougias unterstützt, rät er: "Sie muss stärker auf die Menschen zugehen, etwa durch öffentliche Proteste."

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