Kommentar GDL-Streik: Richtige Forderung, falsche Strategie

Die Lokführergewerkschat verliert die öffentliche Zustimmung. Und daran ist sie selbst schuld, denn sie hat die Grundidee der Gewerkschaften verraten.

Die Deutsche Bahn geht in die Vollen. In großen Anzeigen wirbt sie in Berliner Tageszeitungen für ihr Angebot an die Lokführer, für "das beste, das wir machen können". Mehrmals am Tag sprechen Bahn-Obere immer neue Versionen der immer gleichen Botschaft in Mikrofone: Mehr geht nicht. Deutlicher als je zuvor zeigt sich, dass der wirkliche Arbeitskampf der Lokführer nicht in den Bahnhöfen entschieden wird, sondern durch die Medien. Der Wettstreit um öffentliche Sympathien ist bei der Bahn, bei der fast jeder mal Kunde ist, nicht nur wichtiger wie bei anderen Streiks - er ist ausschlaggebend. Langsam aber sicher geraten die Bahn-Beschäftigten in die Defensive.

Dies liegt nicht an den Forderungen, für die sie streiken. Ein kräftiger Gehaltsaufschlag für die Lokführer ist mehr als angebracht, denn die Bahn profitiert seit langem vom Wirtschaftsaufschwung. Die, die ihn täglich im Lok-Cockpit herbeifahren, wollen zu Recht daran teilhaben. Dies leuchtet vielen Kunden ein, auch wenn sie genervt auf dem Bahnsteig warten müssen. Schließlich wissen auch sie, dass Niedriglöhne und Leiharbeit wie eine Viruserkrankung alle Bereiche der Arbeitswelt infiziert haben. Eine Gruppe, die engagiert für ihre Rechte streitet, kann allein schon deshalb auf die Solidarität der anderen hoffen, weil viele derzeit selbst Erfahrungen mit zweifelhaften Arbeitgeberpraktiken machen. Und noch einen Trumpf hatten die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) anfangs in der Hand: Ihr Streik erschwert die anstehende Bahn-Privatisierung, deren Sinn glücklicherweise immer öfter in Frage gestellt wird.

Dennoch bröckelt in Umfragen die öffentliche Zustimmung zum Streik, und dafür ist die Minigewerkschaft vor allem selbst verantwortlich. Sie stellt völlig überzogene Forderungen in den Raum, ihr Chef verabschiedet sich auf der Zielgeraden des Streiks in die Kur, und sie bringt mit ihrem Alleingang ihre Verbündeten, die anderen Gewerkschaften, gegen sich auf. So richtig ihre Forderungen sind, so falsch ist es, das Bündnis mit anderen Gewerkschaften zugunsten der eigenen Klientel aufzukündigen. Der größte Fehler der GDL ist es, die Grundidee der Gewerkschaften zu verraten: Nur wer gemeinsam kämpft, ist stark.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.