piwik no script img

Bahn-Gewerkschafter über Fernbusse„Autobahnen sind schon überfüllt“

Durch die neuen Fernbuslinien befürchtet der Bahn-Gewerkschafter Claus Weselsky einen Fahrgastschwund bei der Bahn.

Die Liberalisierung der Busse geht eindeutig zu Lasten der Schiene, sagt Gewerkschafter Claus Weselsky. Bild: dpa
Interview von Richard Rother

taz: Herr Weselsky, ab Januar soll es überall in Deutschland Fernbuslinien geben können, die Verbraucher haben dann mehr Auswahl. Was haben Sie dagegen?

Claus Weselsky: Das ist ganz einfach. Die Liberalisierung geht eindeutig zu Lasten der Schiene, weil dem Bahnverkehr dadurch viele Fahrgäste verloren gehen. Denn es ist ja nicht so, dass die neuen Buslinien Kleinstädte in der Provinz ansteuern, sondern sie werden sich lukrative Strecken zwischen den Ballungsräumen suchen.

Die Verbraucher können sich auf niedrigere Preise und Alternativen zur Bahn freuen.

Das Problem ist: Die Bahn rechnet sich nur, wenn sie ausgelastet ist. Ist sie nicht mehr ausgelastet, weil Busse parallel fahren, wird der Takt ausgedünnt; dann hat der Fahrgast wieder ein geringeres Angebot. Im schlimmsten Fall lohnt sich der Schienenbetrieb auf bestimmten Strecken gar nicht mehr. Das wäre kontraproduktiv, denn es muss uns ja darum gehen, mehr Verkehr auf die umweltfreundliche Schiene zu bringen.

Aber der Fernbus hat dank seiner hohen Auslastung sehr gute Umweltwerte.

Im Vergleich aller Verkehrsträger gibt es auf Dauer nur einen Gewinner, und das ist der Zug. Der Fernbus muss erst noch beweisen, dass er im großflächigen Linienverkehr so gute Werte wie das umweltfreundlichste Verkehrsmittel, die Eisenbahn, erzielen kann. Schon jetzt sind viele Autobahnen überfüllt, Staus an der Tagesordnung. Da ist es nicht sinnvoll, dort auch noch mehr Busse draufzustellen. Im Übrigen zahlen die Busbetreiber nicht einmal die Maut für die Autobahnbenutzung, aber die Eisenbahnen müssen Trassengebühren und damit eindeutig Maut zahlen. Diese Wettbewerbsverzerrungen müssen ein Ende haben.

Claus Weselsky

Der 53-Jährige ist gelernter Lokführer und seit 1990 Mitglied der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Seit 2008 ist er Bundesvorsitzender der GDL.

Die GDL setzt sich stark für die Interessen der Lokführer ein. Fürchten Sie, dass Ihnen Mitglieder fehlen könnten, wenn Buslinien Verkehre übernehmen?

Nein, das fürchten wir nicht. Aber wir müssen aufpassen, dass auch bei den kleinen Busunternehmen die Mitarbeiter fair behandelt werden; dass sie ordentlich bezahlt werden und die Arbeitszeiten eingehalten werden.

Was tun Sie dafür?

Gerade wurde, auch von GDL-Mitgliedern, eine neue Nahverkehrsgewerkschaft für Bus- und Straßenbahnfahrer gegründet. Die muss sich dann natürlich auch um die Busfahrer im Fernverkehr kümmern und versuchen, dort einen Fuß in die Tür zu bekommen. Klar ist aber auch, dass das bei sehr kleinen Unternehmen schwierig wird. Wenn sich in einem Zwei- oder Dreimannbetrieb ein Fahrer als Gewerkschafter zu erkennen gibt, kann er mitunter schnell Schwierigkeiten mit seiner Arbeit bekommen. Die Gewerkschaften können es jedenfalls nicht zulassen, dass die Liberalisierung des Fernbusmarktes auf Kosten der Fahrer geht. Lohndumping können wir nicht dulden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • TK
    Thomas Kuch seit 20 Jahren mit der Bahn unterwegs

    Ich bitte alle Funktionäre von den Gwerkschaften und der Linkspartei:Wenn Ihr schon von der Staatswirtschaft schwärmt dann sezt euch bitte auch für die Rechte der Kunden ein.Was bei der Bahn zur zeit abgeht ist nicht mehr akzeptabel.Jeden zweiten Tag wegen irgenwelcher Technischer Defekte verspätung

    Die Palette kann man belibig fortsetzten

  • F
    Frank

    Der Gewerkschafter hat schlicht Angst vor der Konkurrenz und zudem skeine Ahnung, z.B. ob nun Bus oder Bahn ökologischer ist.

     

    Fakt ist, dass Fernbusse deutlich günstiger sind als die Bahn, und dass die Bahn (bei Strecken bis 400 km) auch nicht wesentlich schneller ist als ein Fernbus.

     

    Beispiel: Fernbus Berlin-Hannover kostet 30 Euro und braucht 3 Stunden, bei (seltenen) Verkehrstockungen max. eine halbe Stunde länger.

     

    Fernbusse sind eine gute Alternative für alle, die für dieselbe Strecke (für nur eine Stunde weniger Fahrtzeit) nicht mindestens doppelt so viel zahlen möchten oder können.

  • K
    Kontrolleur

    Kein Lohndumping???

    In welchem Traumland lebt den diese Gewerkschaft? Warum hat denn die Bahn eine eigene Leiharbeitsfirma in der wir 20% mehr arbeiten müssen und 25% weniger Lohn bekommen? Wo ist denn da irgend eine verlogene Gewerkschaft?

     

    Und hört endlich auf, das Märchen von der umweltfreundlichen Bahn zu erzählen! Die gibts nur in der Schweiz oder Österreich - 90% weniger CO2 haben die!

     

    Und wenn die Bahn nicht endlich den Antiservice, die unverständlichen Horrorpreise, S21 und den Lärm in den Griff kriegt, dann wird sie der Rösler noch gar an die Russen verscherbeln...

  • J
    jwo

    die öffentliche personenbeförderung ist eine dienstleistung am menschen, wie zum beispiel ein friseurbesuch. und wenn ein anderer friseur günstiger und besser schneidet, geh ich zu dem - und nicht zum versteinerten riesenmonopol, nach dem man aussieht, als hätte man drei tage und nicht geschlafen und nebenbei auch noch arm ist.

    also, liebe bahn: willkommen in der marktwirtschaft, es gibt konkurrenz und wettkampf!

  • D
    dermovi

    Und der Service bei Bussen ist besser? Wer's glaubt.

  • G
    GroßMeisterEde

    Ich muss Sie korrigieren. Man darf in einem Wagon der 1. Klasse als zweitklassiger Untermensch nicht einmal stehen. Ich wurde bereits einmal in einem Regionalexpress unter Androhung eines erhöhten Beförderungsentgeldes aus dem großen Stehbereich eines 1. Klasse Wagons geworfen.

  • N
    Nils

    Die Bahn ist leider schlichtweg zu teuer für den normalen Gebrauch; einzelne Sonderangebote mit viel zu unflexibler, frühzeitiger Festlegung sind da keine wirkliche Hilfe.

     

    Dann kommt noch hinzu, dass - wie bereits hier kommentiert wurde - der Reisekomfort oft eher gering ist, weil die 2. Klasse auf den Hauptstrecken hoffnungslos überfüllt ist, während in der Tat in der 1. Klasse leere Plätze durch die Gegend gefahren werden und man vom Zugpersonal dumm angemacht wird, wenn man sich dort angesichts übervoller Wagen für die "Geringen" niederlässt.

     

    Hier wäre mal die Politik gefragt, die Bahn zu einer sinnvollen Alternative zu machen, auch wenn das bedeutet, dass man die Bahn wieder zu einem Staatsbetrieb macht und sie subventioniert. Nur so bekommt man die Leute vom Wahnsinnsstraßenverkehr weg.

     

    Solange ich aber mit meinem eigenen 3L-Auto deutlich günstiger fahre, ökologisch kaum mehr Schaden anrichte als mit einer Zugfahrt, mehr Komfort genieße und zudem eine hohe Flexibilität habe, wird die Bahn niemals eine Alternative für mich sein.

  • P
    Peter

    Herr Weselsky hat eindeutig recht. Endlich mal ein Gewerkschaftler der tacheles redet.

     

    Die Betrugsökonomie nimmt ihren Lauf.

    Das Bundeskartellamt ist eine Einrichtung zum Wohle der Aktionäre und Vorstände.

    Das Bundeskartellamt eruiert in Sachen Preisabsprache bei Thyssen-Krupp.

    Wer ist der Geschädigte? Der Kunde und der Staat. Die Bahn reicht die Kosten nur durch.

    Wer erhält die Kartellstrafe, Schadenersatz? Genau der Vorstand, Aktionäre, nicht der Kunde der das Geld zahlte oder der Staat.

     

    Es wäre doch interessant ob die Fernbuslinien ähnliche Regressforderungen erfüllen müssen wie die Bahn.

    Wenn ja, erzeugt das den Druck neue, privatisierte Autobahnen zu bauen. Womöglich wird der Staat in Regress genommen.

    Fein ausgedacht. Kommt die Idee aus England, Bilfinger und wie sie alle heißen? Das passt eindeutig zu Ramsauer. Deren Ministerium hat einen ungewöhnliche Industrie Nähe. S. Frankfurter Flughafen und Lobyismus.

     

    Während in ländlichen Gemeinden 3, in Worten dreimal ein Bus an einem Tag kommt, können Unternehmen die Sahneschnitten sezieren. Die PIN Group wollte ähnliches.

     

    Wer Garantiert die "hohe Auslastung" bei Fernbuslinien? Keiner, die Zahlen stammen aus der magischen Kugel.

     

    Infrastrukturmaßnahmen müssen Bundesweit betrachtet werden.

     

    Kein KfZ mit weniger als drei Personen sollte auch der Autobahn fahren! Die Mitfahrzentralen haben seit langem einen regen Zulauf.

    Warum, weil es keine preiswerten Alternativen zu den Orten der EU-Wanderarbeiter gibt.

    Alle größeren Unternehmen konzentrieren sich nur auf lohnende Ziele, wie Motten das Licht suchen.

    Die Bahn vermietet zusätzlich Lagerfläche auf den Gleisen. Das automobile Konzept "Just in Time" geht seit langem nicht auf.

     

    Sofortige Abwahl der Regierung wäre das Beste. Mit Schimpf und Schande aus dem Amt.

  • G
    Genau,

    das trifft es. Wie man da arrogant betrachtet wird, wenn man mal wieder im Namen der (leider meist auch den Mund nicht aufkriegenden) Mitfahrer höflich darum bittet, die Klimaanlage doch zwei, drei Grad höher zu stellen... "Erst mal muss ich durch den Zug und dann sehen wir mal!"

     

    Es ist eine Haltung, die alle, die da arbeiten, tief verinnerlicht haben.

  • M
    mobi

    und wenn die bahn zusätzlich noch innerstädtische gebiete von unerwünschten subjekten säubert, wie das in hamburg stattfindet, ist sie sowieso keine option mehr. Bahncard ist schon abbestellt.

  • B
    Boiteltoifel

    Schonmal versucht, in der Bahn mit einem Koffer und einem Rucksack zu reisen, den Zug zum Umsteigen rechtzeitig zu erreichen und dort wieder einen Platz zu finden, wenn man sich obendrein relativ spontan auf Reisen begibt und keinen Sitzplatz reserviert hat? Im Bus wird mein Gepäck verstaut, ich habe einen Sitzplatz und muß vielleicht gar nicht umsteigen.

     

    Diesen Komfort macht der Umweltschutz nicht wett. Außerdem könnte die Bahn ja auf die Idee kommen, aufgegebene Koffer wieder selbst zu transportieren, anstatt sie auf LKWs zu laden...

  • AR
    alter Rammler

    Die Liberalisierung der DB ging eindeutig zu Lasten der Reisenden. Da ist man doch für jede Alternative dankbar!

  • R
    R.J

    Für hohe Preise, vernichtete Bahnhöfe und Streckenstillegungen ist einzig das "vorausschauende" Handeln der Politik verantwortlich.

     

    Ein ausgelasteter "Schienenbus" ist nicht nur wegen des geringeren Rollwiderstandes ökologischer als ein Straßenbus. Hinzukommt nämlich, dass die "Elektromobilität" dort schon längst ausgereift ist.

  • DE
    DB enttäuscht

    Der Fahrgastschwund entsteht durch den besch.... Service der DB.

    Es ist das übliche, über das alle klagen, die die Bahn kennen: Überzogene Preise, überfüllte Wagen und leere 1. Klasse-Abteils, in denen man jedoch als zweitklassiger Untermensch nicht sitzen darf. Verspätungen, Hinhalte-Taktiken bei den Durchsagen. Es ist schlicht zum Kotzen manchmal.

    Bei schlechtem Service laufen die Kunden eben weg. Zu recht!