Bafög-Urteil zum Auslandsstudium: Nur die Verbundenheit zählt
Deutschland ist bei der Ausbildungsförderung zu strikt. Das meinen jedenfalls die höchsten EU-Richter. Auch ohne Wohnsitz in Deutschland bestehe ein Bafög-Anspruch.
LUXEMBURG dpa | Deutschland muss möglicherweise auch solchen Studenten eine Ausbildungsförderung (Bafög) zahlen, die vor Beginn der Ausbildung nie in Deutschland gewohnt haben und gar nicht in Deutschland studieren wollen. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Donnerstag in Luxemburg hervor. Der Wohnsitz könne nicht der einzige Maßstab für die für Bafög nötige Verbundenheit mit der deutschen Gesellschaft sein, entschieden die Richter.
Im vorliegenden Fall ging es um einen in Brasilien geborenen deutschen Staatsbürger, der mit seinen Eltern in Istanbul wohnte und für ein Studium in den Niederlanden deutsches Bafög beantragte. Der Antrag war von den Behörden in Hannover abgelehnt worden, weil eine Förderung bei Deutschen ohne Wohnsitz in Deutschland nur bei besonderen Umständen und auch nur bei einem Studium im Wohnsitzland des Betreffenden möglich sei.
Das Verwaltungsgericht in Hannover muss nach dem Urteil des EuGH nun noch einmal prüfen, ob es nicht doch eine besondere Verbundenheit des Mannes, der in Istanbul und Barcelona deutsche Schulen besuchte, mit Deutschland gibt. Die EuGH-Richter meinten, es sei legitim, wenn Studienbeihilfen nur Studierenden gezahlt würden, die sich „bis zu einem gewissen Grad“ in die Gesellschaft des fördernden Staates integriert haben. Der Nachweis eines „tatsächlichen Bandes der Integration“ dürfe aber nicht nur vom Wohnsitz abhängig gemacht werden.
Auch in einem anderen Fall seien die deutschen Bafög-Vorschriften zu streng, urteilten die höchsten EU-Richter. Hier ging es um eine in Großbritannien lebende Deutsche, die „Auslands-Bafög“ für eine einjährige Ausbildung in Tourismusfragen beantragte. Dies wurde abgelehnt, weil in Deutschland der entsprechende Kurs zwei Jahre dauern würde. Das Gericht entschied, dies sei nicht zulässig.
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