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BND-PRÄSIDENT ABSOLVIERTE RÄTSELHAFTEN BESUCH IN TSCHETSCHENIENBiegsame Moral

Die Welt der Geheimdienste hat nicht nur eigene Gesetze, sondern auch eine biegsame Moral. Für Außenstehende ist dies meist schwer verständlich, für die Nebelkrieger hingegen geradezu überlebenswichtig. Zu leicht können die Gegner von gestern zu Freunden von morgen werden. Also muss man flexibel sein. Beweglich reagierte denn auch die westliche Geheimdienst-Community, als ihr vor zehn Jahren das russische KGB als Hauptgegner verloren ging. Schnell schlossen sie – unter Führung des CIA – Freundschaft mit dessen Nachfolgeorganisationen. Gegenseitige Residenturen wurden eingerichtet, Informationen – das Futter der Dienste – werden ausgetauscht. Ganz vorne mit dabei war von Anfang an auch der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND). Eingespielt wurde die neue Liaison vom damaligen Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer.

Nun werden die Früchte dieser Partnerschaft sichtbar. Der BND lieferte dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB seine Erkenntnisse über Geldquellen und die Wege der Waffenbeschaffung tschetschenischer Rebellen. „Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Terrorismus, lautet die Begründung für den Informationsaustausch. Menge und Qualität des gelieferten Materials seien im Vergleich zu anderen Geheimdiensten wenig bedeutend gewesen, banalisieren hochrangige BND-Mitarbeiter den Vorgang. So schlecht kann es nicht gewesen sein, denn zur Belohnung durfte BND-Präsident August Hanning ins tschetschenische Kriegsgebiet reisen. „Nichts was der BND tut oder tat“, lautet die Erklärung von Schmidbauers Nachfolger Ernst Uhrlau, „unterstützt die Kriegsführung gegen die tschetschenische Bevölkerung.“ Damit übernimmt Uhrlau völlig unkritisch die offizielle russische Sprachregelung. Nach ihr findet im Kaukasus kein Krieg statt, sondern Terroristenbekämpfung. Dass dabei ein ganzes Land bereits zum zweiten Male verwüstet, ein Volk massakriert und vertrieben werden muss, ist in dieser Logik dann kein Staatsverbrechen. Ganz im Gegenteil: Das ausgelöschte Grosny beweist nur, wie stark der internationale Terrorismus dort inzwischen ist. Gut dass Hanning dies persönlich überprüft hat. Oder waren auch die Kollegen aus Amerika, England und Frankreich dabei, die doch „viel präzisere Daten geliefert“ haben sollen. Eine Anti-Terror-Konferenz im Minenfeld? Die Frage drängt sich auf, ob die Allianz der Geheimen auch beim ersten Tschetschenienkrieg 1995 schon mit dabei war.

Man darf gespannt sein, wie die rot-grüne Bundesregierung mit der politischen Mine ihres BND-Präsidenten umgehen will. Bisher sind hier Veränderungen gegenüber der Kohl-Regierung nicht zu erkennen. OTTO DIEDRICHS

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