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BMBF und WissenschaftskommunikationRaus aus dem Elfenbeinturm

Wissenschaftskommunikation soll Chefsache werden. Und um ihre Arbeiten vorzustellen, sollen Wissenschaftler vermehrt in die Öffentlichkeit gehen.

Nicht nur während der Science Week gehen Wissen­schaftler an die die Öffentlichkeit Foto: Thomas Truschel/Photothek

Berlin taz | Die Mücke und der Elefant: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gibt jährlich rund 18 Milliarden Euro zur Förderung der Wissenschaften in Deutschland aus; in der kommenden Woche wird im Bundestag der neue Haushalt für 2020 beschlossen. Doch nur knapp 12 Millionen Euro davon werden in die Kommunikation von Wissenschaft investiert, mit dem Ziel, den Nutzen der Forschung in der Gesellschaft und damit dem Steuerzahler besser bekannt zu machen.

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) will das ändern und hat dafür ein „Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation“ erarbeiten lassen, das nach langer Anlaufzeit in der Mitte November vorgestellt wurde.

Das politische Mandat wird von einer Mehrheit akzeptiert

Das Interesse bei den Bürgern ist durchaus gegeben. Wie das jüngste Wissenschaftsbarometer ergab, bekunden 59 Prozent der Deutschen „ein großes Interesse an Themen aus Wissenschaft und Forschung“. Damit schneiden diese besser ab als beispielsweise Politik (53 Prozent) und Kultur (49 Prozent), berichtet der Auftraggeber der Umfrage, die von den deutschen Forschungsorganisationen getragene Kommunikationsplattform Wissenschaft im Dialog (WID).

Das politische Mandat wird von einer Mehrheit akzeptiert: Drei von vier Deutschen wünschen sich von der Wissenschaft eine Einmischung in öffentliche Debatten, wenn Politiker Forschungsergebnisse nicht berücksichtigen – beispielsweise zum Klimawandel. Eine Vorlage für die Scientists for Future, die den Klimaprotest der Greta Thunberg-Generation aktiv unterstützen.

Der Ball wird sogar, erstaunlich genug, vom Karliczek-Ministerium aufgenommen. Die Diskussion um den Klimawandel, wie sie Fridays for Future voranbringe, verdeutliche „pars pro toto die Relevanz von wissenschaftlichen Fragen und Erkenntnissen für die Zukunft unserer Gesellschaft“, heißt es im BMBF-Papier. Es sei „daher notwendig, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den öffentlichen Diskurs einbringen, über ihre Forschungsarbeit allgemeinverständlich kommunizieren und Zusammenhänge einordnen“, so die Argumentation.

Mittendrin im Kulturwandel

„Gerade junge Forscherinnen und Forscher“ seien zunehmend bereit, „ihre Arbeit, ihre Erkenntnisse und ihre offenen Fragen mit der Gesellschaft zu diskutieren“. Dies sei Teil eines „bereits begonnenen Kulturwandels hin zu einer kommunizierenden Wissenschaft“, sieht es das Karliczek-Papier.

Insgesamt werden auf lediglich drei Seiten Leitbild, Maßnahmen und Ausblick formuliert, in denen vor allem die schon bestehenden Aktivitäten – wie die thematisch wechselnden Wissenschaftsjahre oder das Ausstellungsschiff „MS Wissenschaft“ – dargestellt werden. Höhepunkt ist die Ankündigung, eine Denkwerkstatt FactoryWisskomm einzuführen, besetzt mit den Oberen der deutschen Forschungsorganisationen, damit „Wissenschaftskommunikation zur Chefsache“ werde. Selbst der vermeintliche neue Ansatz, die Förderung von Forschungsprojekten mit Aktivitäten zur Öffentlichkeitsarbeit zu koppeln, wird sowohl auf Ebene der EU-Forschungspolitik wie auch bei Projekten der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit Jahren praktiziert.

Gleichwohl war die FAZ alarmiert: „Karliczek will Wissenschaftler zur Kommunikation zwingen“, titelte das konservative Blatt. Auch die Süddeutsche Zeitung (SZ) witterte: „Jeder Forscher soll ein bisschen Hirschhausen sein, sonst gibt es kein Geld aus Berlin.“ Das Papier, mit Spannung erwartet, sei „eine Enttäuschung“, urteilte die SZ. Kritik kam auch von der Forschungssprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion Anna Christmann, die von einem „völlig ambitionslosen Vorschlag“ nach zweijähriger Arbeit sprach. Oder fehlender Arbeit: Das von Karliczek im letzten Jahr eingerichtete Referat LS23 Wissenschaftskommunikation ist bis heute nicht besetzt, was dem Papier anzumerken ist.

Die Oppositionspolitikerin spricht auch die Leerstellen des Konzepts an, wie der Zugang zu bildungsfernen Schichten. „Die Frage, wie wir auch Menschen erreichen können, die nicht jede Woche Die Zeit lesen, bleibt völlig unbeantwortet“, bemängelt Christmann. „Statt selbst Vorschläge zu machen, schiebt die Ministerin alle Verantwortung auf die Forschenden.“

Keine Aussage auch zur Unterstützung des kriselnden Wissenschaftsjournalismus. Dies sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich, behauptete Karliczek in der Pressekonferenz zur Vorstellung des Grundsatzpapiers. Die Wissenschaftspressekonferenz (WPK), der Berufsverband der Wissenschaftsjournalisten, befürchtet in einer Stellungnahme, „dass eine bloße Ausweitung der Wissenschafts-PR ohne flankierende Ideen, wie man dem Erosionsprozess des Wissenschaftsjournalismus begegnen will, am Ende alle genannten Probleme eher verschärft und nicht löst“. Und diese Entwicklung sei „nicht nur zum Nachteil des Wissenschaftsjournalismus, sondern auch und gerade zum Nachteil für die Reputation der Wissenschaft selbst.“

Zu viel ist auch nicht gut

Auffallend schweigsam war bisher die Wissenschaft selbst zum Karliczek-Vorstoß. Intern wächst nämlich die Skepsis, ob eine weitere Verstärkung der bisherigen Wissenschaftskommunikation wirklich zum Besseren führe. Eine Sprecherin der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) erklärte auf Anfrage der taz: „Wir haben einen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und je mehr wir kommunizieren, umso mehr verschärfen wir diesen Wettbewerb.“ Aus diesem Grund reduziere die MPG seit drei Jahren ihre Forschungsmeldungen von einem Höchstwert von über 300 Meldungen im Jahr auf inzwischen etwa die Hälfte.

„Alle Auswertungen über die Jahre hinweg zeigen, dass etwa 30–40 Meldungen wirklich von den Medien aufgegriffen werden“, so die Sprecherin der MPG-Generalverwaltung in München, Christina Beck. „An die 100 Meldungen bleiben ohne jede Resonanz, und dabei haben wir ja schon selektiert unter dem Aspekt, was für die Öffentlichkeit überhaupt von Interesse sein könnte.“

Im Hause Karliczek wird die Welt anders wahrgenommen. „Namens des BMBF freuen wir uns darüber, dass die Resonanz auf dieses Konzept weitgehend positiv war“, wurde der taz mitgeteilt. In der Pressekonferenz hatte die Ozeanforscherin Antje Boetius als Leiterin der WID-Lenkungsgremiuns die Vorschläge kommentiert und von den Schwierigkeiten des „Kulturwandels“ zur Anerkennung von Wissenschaftskommunikation im Forschungssystem berichtet.

Dem Thema steht als Nächstes die parlamentarische Verhandlung bevor. Die beiden Regierungsfraktionen von Union und SPD wollen in Kürze einen Antrag in den Bundestag zur Förderung von Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus einbringen, der in wesentlichen Punkten von den Vorstellungen des BMBF abweicht. So soll etwa die Einrichtung einer Stiftung für Wissenschaftsjournalismus und einer Fortbildungsakademie geprüft werden. Der SPD-Parlamentarier Ernst-Dieter Rossmann, Vorsitzender des Bundestagsforschungsausschusses, will 2020 generell zum „Jahr der Wissenschaftskommunikation“ ausrufen. Die Mücke soll die Chance bekommen, doch ein wenig größer zu werden.

* Transparenzhinweis: Der Autor ist Mitglied der Wissenschaftspressekonferenz (WPK).

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1 Kommentar

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  • „Karliczek will Wissenschaftler zur Kommunikation zwingen" - ja, weil sie endlich mal selber verstehen möchte, was eigentlich gemacht wird.

    Es gibt genug Journalisten, die es gelernt haben, Wissenschaft aufzuarbeiten und öffentlich darzustellen. Jede, die sich für Wissenschaft und Forschung interessiert, findet heute schon ein breites, aufgearbeitetes Angebot. Wobei das natürlich nicht bedeutet, dass Wissenschaftler im Elfenbeinturm bleiben sollten.