Suche nach tätowierten Händen

Der Autonome Johann G. soll mit der Leipzigerin Lina E. Neonazis überfallen haben. Nun sucht ihn das Bundeskriminalamt mit einer Öffentlichkeitsfahndung

Von Konrad Litschko

Das gab es lange nicht mehr: Am Montag veröffentlichte das Bundeskriminalamt (BKA) ein Fahndungsplakat mit dem sächsischen Linksautonomen Johann G. Mit Fotos wird der 30-Jährige nun vom BKA und der Bundesanwaltschaft gesucht – als Mitglied einer kriminellen Vereinigung und wegen mehrerer politisch motivierter Übergriffe. Verwiesen wird auf seine tätowierten Finger, auf denen „Hate Cops“ stehe. Die Belohnung für Hinweise: bis zu 10.000 Euro.

Das sächsische Landeskriminalamt fahndet schon seit knapp drei Jahren nach Johann G., bislang erfolglos. Der 30-Jährige war der Lebensgefährte der Leipzigerin Lina E., die zuletzt zu fünf Jahren und 3 Monaten Haft verurteilt wurde wegen Angriffen auf Rechtsextreme in Thüringen und Sachsen zwischen 2018 und 2020. Mitverurteilt wurden drei weitere Linke, gegen weitere Personen wird ermittelt. Laut Ansicht der Bundesanwaltschaft soll Johann G. die Gruppe mit angeführt haben. Auch ein früherer Mitstreiter und nun Kronzeuge, Johannes D., hatte das ausgesagt.

Schon früher wurde Johann G. wegen politischer Delikte verurteilt und saß in Haft. Nachdem er Anfang 2020 auf Bewährung freigekommen war, verschwand er. Danach soll sich G. an zwei Angriffen auf den rechtsextremen Eisenacher Kampfsportler Leon R. Ende 2019 beteiligt haben. Nach der ersten Tat hatten Ermittler Blutspuren von ihm am Tatort gefunden. Auch bei einem Angriff auf einen Kanalarbeiter in Leipzig, der eine Mütze mit rechtsextremem Emblem trug, oder auf eine Gruppe von Rechtsextremen in Wurzen soll er beteiligt gewesen sein.

Anders als Lina E., die im Dezember 2019 festgenommen wurde, ist Johann G. bis heute flüchtig. Zwischenzeitlich soll er sich in Thailand aufgehalten haben. Dann vermuteten ihn Ermittler wieder in Europa, gar in Leipzig. Zuletzt wollten sie ihn im Februar in Budapest ausgemacht haben, wo er mit anderen deutschen Autonomen Teilnehmer eines rechtsextremen Aufmarschs angegriffen haben soll.

Bereits im Anschluss suchte die ungarische Polizei mit einer Öffentlichkeitsfahndung nach Johann G. und zwei weiteren deutschen Autonomen: Nele A. und den Leipziger Paul M., der ebenfalls zur Gruppe um Lina E. gehören soll.

Laut Bundesinnenministerium gab es zuletzt, Stichtag März, bundesweit 137 offene Haftbefehle gegen 104 Personen, die dem linken Spektrum zugeordnet werden. Acht Haftbefehlen liege eine terroristische Tat zugrunde, 29 Haftbefehlen ein politisch motiviertes Gewaltdelikt. Nur die wenigsten der Gesuchten gelten allerdings als dauerhaft abgetaucht – dies sollen rund 20 Personen sein, wie zuletzt der WDR berichtete. Auf rechtsextremer Seite bestanden zuletzt 915 offene Haftbefehle gegen 674 Personen. Öffentlichkeitsfahndungen nach ihnen gibt es nicht.

In der rechtsextremen Szene wurde die Fahndung prompt aufgegriffen

Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang hatte nach dem Urteil gegen Lina E. vor einem „hohen Gewaltpotenzial und Radikalisierungsniveau in Teilen der linksextremistischen Szene“ gewarnt. Es bildeten sich klandestine Gruppen heraus, die sehr planvoll Attacken „mit äußerster Brutalität“ auf politische Gegner verübten. Es werde auch mit Linksextremen in anderen Ländern kooperiert, die Schwelle zum Terrorismus rücke näher. Gleichzeitig betonte Haldenwang aber, dass die weiterhin größte Gefahr für diese Gesellschaft vom Rechtsextremismus ausgehe.

In der rechtsextremen Szene wurde die Fahndung prompt aufgegriffen. So erklärte die Kleinstpartei „Freie Sachsen“, man nehme ebenfalls Hinweise auf den „Antifa-Terrorist“ Johann G. entgegen – und lobe 5.000 Euro für den entscheidenden Hinweis aus, der zu dessen Festnahme führe.

Die Rote Hilfe beklagte schon nach den Ermittlungen eine „anhaltende Kriminalisierung der antifaschistischen Bewegung“. Diese werde mit „medienwirksam inszenierten Großeinsätzen“ überzogen und solle eingeschüchtert werden. Man stehe „solidarisch an der Seite der Betroffenen“.