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BGH zu Gesetz gegen KinderehenVerfassungsgericht muss prüfen

Der BGH hält das Gesetz gegen Kinderehen für zu einseitig. Es verstoße gegen das Grundgesetz. Nun muss das Bundesverfassungsgericht prüfen.

Das Gesetz gegen Kinderehen ist nun ein Fall fürs Verfassungsgericht Foto: photo-nic.co.uk nic/Unsplash

Karlsruhe taz | Der Bundesgerichtshof hält das 2017 beschlossene Kinderehengesetz für verfassungswidrig. Er legte es dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vor. Im konkreten Fall ging es um ein junges Paar aus Syrien, das im August 2015 in Deutschland ankam. Der Mann war 21, seine Ehefrau erst 14 Jahre alt. Sie hatten in Syrien vor einem Scharia-Gericht geheiratet, bevor sie wegen des Bürgerkriegs nach Deutschland flohen.

Dort wurden sie zunächst gemeinsam untergebracht, doch nach einem Monat nahm das Jugendamt das Mädchen in Obhut und brachte sie in einer Einrichtung für unbegleitete weibliche Flüchtlinge unter. Der Ehemann wusste zunächst nicht, wo das Mädchen war, später bekam er ein „Umgangsrecht“ für die Wochenenden.

Das OLG Bamberg hob die Trennung dann im Mai 2016 aber auf. Die Ehe sei anzuerkennen. Kindeswohlbelange stünden dem im konkreten Fall nicht entgegen. Es gebe keine Hinweise auf eine Zwangsheirat. Das Paar wurde jetzt wieder gemeinsam untergebracht. Der vom Jugendamt eingesetzte Vormund des Mädchens erhob gegen diesen Beschluss Rechtsbeschwerde zum BGH. Dort lag der Fall über zwei Jahre.

In der damaligen Zeit waren mehr als tausend derartige Paare in Deutschland angekommen. Oft wurde die Heirat gerade als Schutz mit Blick auf eine bevorstehende gemeinsame Flucht geschlossen. Die so genannten Kinderehen führten in Deutschland allerdings zu großer Empörung. Der Bundestag beschloss daher ein Gesetz, dass das deutsche Eherecht gezielt verschärfte. Wenn ein Ehepartner zum Zeitpunkt der Heirat unter 16 Jahre alt ist, gilt die Ehe nun als unwirksam. Ist ein Partner zwischen 16 und 18 Jahre alt, kann die Ehe aufgehoben werden.

Der BGH muss über den Bamberger Fall nun nach dem neuen Gesetz entscheiden. Er hätte also keine Wahl gehabt und hätte nur die Unwirksamkeit der Ehe feststellen können. Doch der BGH hielt die strikte Neuregelung des Gesetzgeber für einen Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere den Schutz der Ehe. „Diese Regelung versagt den nach ausländischem Recht wirksam geschlossenen Ehen den gebotenen Schutz ohne Rücksicht auf den konkreten Fall“, heißt es in dem Beschluss, der an diesem Freitag veröffentlicht wurde.

Das Gesetz greife „ohne sachlichen Grund“ in den Kernbestand der Ehe ein. Im Gesetz fehle auch jegliche Regelung über die Rechtsfolgen der Nichtigkeit der Ehe, etwa zur Frage der Abstammung von Kindern, die in der unwirksamen Ehe geboren wurden oder zur elterlichen Sorge für solche Kinder.

Ob das Gesetz tatsächlich verfassungswidrig ist, muss jetzt das Bundesverfassungsgericht prüfen. (Az.: XII ZB 292/16)

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10 Kommentare

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  • tja, so ist das eben, wenn der gesetzgeber nicht auf den guten rat von expertinnen hören will - dann muß irgendwann Karlsruhe ran.



    war vorhersehbar.

  • "Doch der BGH hielt die strikte Neuregelung des Gesetzgeber für einen Verstoß gegen das Grundgesetz, insbesondere den Schutz der Ehe."



    Klar, der teutsche Schutz der Ehe ist wichtiger als das Kindeswohl. Auch wenn die Milchzähne noch nicht alle ausgefallen sind.



    Das Bild zum Artikel ist übrigens grenzwertig.

  • Letztlich ist jede Altersgrenze willkürlich ung greift in rechte von Menschen ein.



    Aktives Wahlrecht, passives Wahlrecht, Führerschein, geschäftsfähigkeit, etc.



    Ausgerechnet zu diesem Thema sind allgemeingültige Regeln ein Problem.

  • "Das Gesetz greife „ohne sachlichen Grund“ in den Kernbestand der Ehe ein".



    Eine schwierige Entscheidung.



    Der Grundgedanke des Gesetzes ist sicherlich Schutz von Kindern gegenüber zwangsehen.



    Die Abwägung des Gerichts folgert daher wohl eher die schutzbedürftigkeit der Ehe vor der von Kindern.



    Aber wann ist ein Kind noch Kind?



    So werden die Grenzen weich.



    Letztlich dürfte mit der Pubertät die Kindheit vorbei sein.

  • 8G
    83492 (Profil gelöscht)

    "Der Mann war 21, seine Ehefrau erst 14 Jahre alt"



    "Kindeswohlbelange stünden dem im konkreten Fall nicht entgegen."

    Laut OLG Bamberg ist ein 14jähriges Kind ist also reif genug, um unabhängig und informiert die Wahl für den Partner für das Leben zu treffen.



    Warum dürfen Kinder dann nicht bei der Bundestagwahl wählen?

  • Schon merkwuerdig: Das deutsche Recht verfolgt seine Buerger sogar ins Ausland (was dort gesetzlich erlaubt ist, wird dennoch nach deutschen Recht bestraft), gleichzeitig importiert es auslaendisches Recht und wendet es in Deutschland im Widerspruch zu hier bestehenden Gesetzen an.

    Dann doch bitte einfach die "freiwillige" Kinderehe fuer alle oeffnen.

    • @Peer:

      Das ist überhaupt nicht merkwürdig, sie bleiben auch im Ausland Bürger der Republik.

      Wir importieren nicht ausländisches Recht, sondern wir ordnen es ein und übertragen es. Das passiert in vielen Fällen, wir erkennen z.B. den Uniabschluss eines Landes an und den eines anderen Landes nicht, weil wir die Ausbildung nicht als gleichwertig erachten.

      Wenn Sie den Fall mal nicht vom deutschen Sofa aus betrachten, sie wollen ihr Land verlassen, weil dort Krieg herrscht.

      Sie haben vielleicht nicht für alle ihre Kinder Geld für Schmuggler oder sie wollen nicht weg, aber sie wollen ihre Tochter in Sicherheit bringen. Als alleinreisende Frau ist der Weg sehr gefährlich, als Ehefrau genießt man einen gewissen gesellschaftlichen Schutz, da gibt es x Szenarien.

      Kinderehen gibt es schon lange im arabischen Nahen Osten, aber durch den Krieg in Syrien sind die Fälle explodiert.



      Wenn sie ihre Familie nicht richtig ernähren können, weil Sie in einem Lager in der jordanischen Wüste oder im Libanon und durch eine Ehe können Sie ein hungriges Kind in vielleicht gesicherte Verhältnisse bringen.

      www.unicef.de/info...en-jordanien/53672

      Die Leute sind doch nicht meschugge, die machen das, weil es als beste Option erscheint.

      Vielleicht könnte man nur einmal versuchen, über das eigene Eierlikörglas zu schauen und solche situationsbedingt einzuordnen.

      Das heißt nicht alles zu akzeptieren, sondern sich solche Fälle einzeln anzusehen und dann zu versuchen, die Sache nach besten Wissen und Gewissen zu lösen.

      • @Sven Günther:

        im übrigen möchte ich Sie ausdrücklich loben: Sie sind einer der wenigen in der ganzen diskussion um auch gerade diesen fall, der sich nicht davon abbringen läßt, sich gedanken darüber zu machen, wie eltern versuchen, ein kind )im sinne der un-kinderrechte-konvention) in sicherheit zu bringen.



        in diesem fall haben die eltern alles getan, um ihre tochter mit allen rechten einer ehefrau ausgestattet auf eine immer noch gefährliche flucht zu schicken. darauf, was es für folgen hat, ihr diese rechte mit einem gesetzlichen federstrich zu nehmen, haben expertinnen wieder+wieder hingewiesen. leider hat der gesetzgeber diese stellungnahmen nicht beachtet - weshalb nun Karlsruhe gefragt ist.

    • @Peer:

      Ganz genau. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Ein Kind ist ein Kind. Ich möchte nicht, dass solche patriarchalischen Gepflogenheiten importiert werden.