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BERLINS NEUER KULTURSENATOR STÖLZL WIRD HART DURCHGREIFENAuf in den Kampf

Für die einen bedeutet es das Ende vom Anfang, für andere ist es der Anfang vom Ende: Christoph Stölzl soll Berlins neuer Kultursenator werden und die Hauptstadt aus ihrem kulturpolitischen Desaster erretten. Eberhard Diepgen, der Regierende Bürgermeister, hat nun, nicht ganz überraschend, den früheren Chef des Deutschen Historischen Museums (DHM) auf den Schild gehoben. Getan hat es es widerwillig, wohl als letzten Ausweg aus einer Senatskrise, die ihm und der Kulturpolitik des Landes den Spiegel mangelhafter Kompetenz und Verantwortung vorgehalten hatte. 70 Millionen Mark beträgt das Defizit im Kulturhaushalt, die Finanzierung der staatlichen Bühnen steht vor dem Kollaps. Strategien zur Lösung der Misere konnte die zurückgetretene Kultursenatorin Christa Thoben ebensowenig erkennen wie mehrere Senatoren, denen Diepgen den Job zuschustern wollte. Mit der Entscheidung für Stölzl entschärft Diepgen nur die aktuelle Krise und sorgt kurzfristig für Ruhe im Land. Mehr nicht. Dass dies nur ein Pyrrhussieg des Landeschefs werden könnte, liegt ebenfalls auf der Hand. Stölzl gehörte nie zum lokalen Dunstkreis des CDU-Politikers und profiliert sich mehr als unabhängiger Kopf denn als Parteisoldat.

Problematisch sieht es ebenfalls aus für die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und dem Land beim Thema Hauptstadtkulturförderung. Staatsminister Michael Naumann hat gerade Geschmack an der Hauptstadt gefunden und will per Kulturmillionenscheck mitregieren; seine Räsonnements zu Berlin sind eindeutig. In Stölzl trifft er auf einen alten Gegner, der schon angekündigt hat, dessen Dramaturgie durcheinanderbringen zu wollen – wohl auch aus persönlichen Gründen. Naumann hat Christoph Stölzl nach dem SPD-Wahlsieg im Bund als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz abgelehnt. Konflikte zwischen den beiden Politikern sind programmiert.

Den Anfang vom Ende bedeutet die Nominierung Stölzls für die von Christa Thoben angemahnten „sanften“ Strukturreformen beim Theater und der freien Szene. Stölzl hat gleich nach dem Rücktritt Thobens für neue Leitlinien der Kulturpolitik plädiert. Federn lassen sollen nun fast alle, denen jahrzehntelang mit Subventionen in Millionenhöhe das künstlerische Leben leicht gemacht wurde: Opern, Theater, Museen und Musikensembles. Denen kündigt Stölzl nicht nur Entzug und Privatisierung, sondern die harte Hand der Schließung an, wenn sie nicht vernünftig wirtschaften. Dass so Kultur zur betriebswirtschaftlichen Größe zusammenschmilzt, ist dem ehemaligen Generaldirektor des DHM schietegal. ROLF LAUTENSCHLÄGER

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