BER-Finanzen: Flughafen prüft sich selbst
Flughafengesellschaft stellt selbst fest, wie viel Geld sie noch braucht. Piraten fordern Kassensturz. Wowereit heute im Untersuchungsausschuss
Es klingt nach dem alten Spruch, den Bock zum Gärtner zu machen: Die Flughafengesellschaft selbst und nicht ein externer Experte untersucht, wie viel zusätzliches Geld noch nötig ist, damit das Pannenprojekt BER fertig wird. Das geht aus einer Anfrage der Piraten-Fraktion an den Senat hervor. Die sieht sich in der Forderung nach einem Kassensturz bestätigt und will den Landesrechnungshof stärker einbinden. Im BER-Untersuchungsausschuss soll sich heute der Regierende Bürgermeister und Ex-Aufsichtratschef Klaus Wowereit (SPD) rechtfertigen.
Die Piraten bezogen sich in ihrer Anfrage auf einen Sachstandsbericht der Flughafengesellschaft. In dem ist zu lesen, es werde geprüft, „ob der bisher identifizierte Kapitalbedarf von 1.200 Millionen Euro ausreichend sein wird“. Diese Summe hatten die drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und der Bund vergangenes Jahr nachgebuttert, um eine BER-Pleite zu verhindern. Das Land Berlin, dem 37 Prozent gehören, musste davon 444 Millionen zahlen. Die Piraten wollten wissen: Wer genau prüft da? Die Antwort der Senatsverwaltung für Finanzen: „Die Prüfung obliegt der Flughafengesellschaft in eigener Verantwortung.“
Erinnerung an düstere Zeit
Der Senat kommt der Antwort zufolge erst ins Spiel, wenn die BER-Oberen das zusätzliche Geld abrufen. Dem Piraten-Abgeordneten Martin Delius, zugleich Chef des BER-Untersuchungsausschusses, ist das zu wenig. Er fühlt sich an düstere Zeiten der Bankgesellschaft erinnert. Wie dort überlasse „der Senat die Prüfung des zusätzlichen Kapitalbedarfs einem Unternehmen, das ohne dieses Kapital ums Überleben kämpfen müsste“. Für Delius folgt daraus: „Der Landesrechnungshof muss intensiver eingebunden werden.“
Führende Abgeordnete der Koalitionsfraktionen halten die Kritik für unbegründet. „Die Kontrolle wird doch durch den Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft ausgeübt“, sagt SPD-Vizefraktionschef Jörg Stroedter, „da wird ja alles tausendmal geprüft.“ Das Problem liege nicht in der Kontrolle, sondern der Umsetzung. Auch Christian Goiny, Chefhaushälter der CDU-Fraktion, verweist auf den Aufsichtsrat. Wer sonst solle denn prüfen?, fragt Goiny zurück. „Extern“ klinge ja immer erst mal gut – doch auch externe Wirtschaftsprüfer hätten schon manches Mal danebengelegen.
Grünen-Finanzexperte Jochen Esser hingegen will sich seinem Oppositionskollegen Delius anschließen. Auch für ihn ist es zweifelhaft, ob der BER selbst eine Summe festlegen sollte, die er selbst nicht aufbringen muss: „Da ist kein Anreiz da, allzu sehr auf die Kosten zu achten.“
Esser geht davon aus, dass über die bereits beschlossenen 1.200 Millionen Euro hinaus weitere 700 Millionen fällig werden, von denen Berlin 260 Millionen zahlen müsste. Das Parlament müsse viele genauer als beim ersten Nachschlag informiert werden, wofür dieses Geld nötig ist. Wie vergangenes Jahr dürfe es nicht wieder laufen, fordert Esser – „da haben wir Abgeordneten ja nicht viel mehr als einen Schmierzettel dazu bekommen.“
Passenderweise ist Wowereit, seit Januar nur noch Vizeaufsichtsratschef, am heutigen Freitag in den Untersuchungsausschuss vorgeladen. „Wir wollen vom ihm insbesondere wissen, wie die Gremien der Gesellschaft von ihm als Chefsache organisiert wurden“, kündigt das grüne Ausschussmitglied Andreas Otto an – Wowereit hatte das Flughafenprojekt ausdrücklich zu seiner „Chefsache“ gemacht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
FDP stellt Wahlkampf Kampagne vor
Lindner ist das Gesicht des fulminanten Scheiterns
Paragraf 218 im Rechtsausschuss
CDU gegen Selbstbestimmung von Frauen
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Wahlkampf-Kampagne der FDP
Liberale sind nicht zu bremsen
Sednaya Gefängnis in Syrien
Sednaya, Syriens schlimmste Folterstätte
Journalist über Kriegsgefangenschaft
„Gewalt habe ich falsch verstanden“