piwik no script img

BBC-Serie „Peaky Blinders“Immer cool, nie schmutzig

Die Serie „Peaky Blinders“ erzählt von einer Gang in Birmingham nach dem Ersten Weltkrieg. Sie gibt schon in der ersten Folge zu viel preis.

Wenn er hoch zu Ross ist, dann verkriecht sich der Pöbel: Clanchef Thomas Shelby (Cillian Murphy). Bild: BBC

Birmingham im Jahre 1919: Die Straßen des britischen Industrialisierungsmolochs sind so finster und matschig, dass man sich fragt, wie es Thomas Shelby und seiner Gang, den „Peaky Blinders“, gelingen mag, die gesteiften weißen Hemden und die braunen Tweedsakkos stets derart adrett und sauber zu halten.

Geht es nach der gleichnamigen BBC-Serie, ist die Antwort ganz einfach: Zwar fußte das Imperium der „Peaky Blinders“ – die es wirklich gegeben haben soll und die nach den Rasierklingen benannt waren, die sie in die Spitzen („peak“) ihrer Schiebermützen eingenäht hatten, um jedem Gegner mit einem Streich das Augenlicht zu nehmen – auf illegalen Wetten, Schutzgelderpressung und Schwarzmarkthandel. Die strammen Ganoven waren bei ihren kriminellen Machenschaften aber so unglaublich cool, dass eben niemals etwas schmutzig wurde.

Schon die Einstiegsszene macht deutlich: Mit Thomas Shelby (Cillian Murphy), dem Anführer der Familienbande, der soeben erst aus den Schützengräben Frankreichs im Ersten Weltkrieg hervorgekrochen ist, um nach Jahren des Krieges sein illegales Imperium in Birmingham wieder aufzubauen, ist nicht zu spaßen. Wenn er hoch zu Ross die grau in grau gehaltene Straße entlangreitet, das fast weiblich wirkende Babyface mit den riesigen wasserblauen Augen regungslos geradeaus gerichtet, dann verkriecht sich der Pöbel wie flüchtende Ratten in die nahen Baracken.

IRA und Kommunisten

Die Serie

„Peaky Blinders - Gangs of Birmingham“. Ab 2.6.2014, montags, 22 Uhr, Sky Atlantic H.

Ungemach droht den Shelbys dennoch: von rivalisierenden Banden, der IRA, kommunistischen Revolutionären – und dem allzu ehrgeizigen Polizeiinspektor Chester Campbell (Sam Neill), der eigens aus Belfast angereist kommt, um im Auftrag von Winston Churchill das Verschwinden einer geheimen Waffenlieferung nach Libyen zu untersuchen.

Auch mit der eigenen Familie hat es Thomas Shelby nicht leicht: Die schöne Ada (Sophie Rundle) macht ihrem Bruder Ärger, weil sie sich – einer Romeo-und-Julia-Geschichte gleich – in den verhassten Rädelsführer der Kommunisten verliebt. Tante Polly, die whiskeytrinkende Patin des Familienclans, redet ihm ständig in die Geschäfte hinein. Und dann ist da noch die blond gelockte Grace (Annabelle Wallis), die als Kellnerin ausgerechnet in dem Pub anheuert, das den Peaky Blinders als Hauptquartier dient, und dem Gangsterboss schöne Augen macht.

Das zu erzählen ist wahrlich kein Spoiler. Vielmehr ist es die Serie selbst, die schon in der ersten von insgesamt sechs Folgen zu viel preisgibt, um nicht vorhersehbar zu sein: Grace macht sich als Spionin im Auftrag des Inspektors an Thomas Shelby heran, der nur auf den ersten Blick hart und unnahbar erscheint, im stillen Kämmerlein jedoch zur Opiumpfeife greift, um die Kriegserlebnisse, die ihn und seine heimgekehrten Kameraden bedrücken, im Rausch zu vergessen. Es ist also nicht die Handlung, die an „Peaky Blinders“ fasziniert, es sind die Bilder und der Soundtrack, die die Serie auf eine andere Ebene heben.

Sexy Wendung

Drehbuchautor Steven Knight („Dirty Pretty Things“) hat die dunkelsten Stunden der industriellen Revolution komplett wie einen Western verfilmt: breite Flügeltüren schwingen auf und öffnen die Perspektive in den Innenraum des Pubs, als betrete man einen Saloon, blank gewichste Stiefel knirschen im Kies, als erwarte einen in der nächsten Sekunde ein Duell mit rauchenden Colts, und die geschäftige Kulisse aus Bettlern, Predigern, die den Jüngsten Tag vorhersagen, und Huren, die ihr Gewerbe auf offener Straße vollziehen, könnte auch im Wilden Westen spielen, wären da nicht die ständigen Rauchschwaden aus den Schloten der Fabriken und die gleißenden Funken, die aus den Schmelzöfen lodern.

All das ist unterlegt mit Musik von The White Stripes, Nick Cave und Tom Waits, die mal kühl und bedrohlich, mal brutal daherkommt und so der recht konventionellen Handlung eine sexy Wendung gibt. „He’s a god, he’s a man, he’s ghost, he’s a guru“, singt Nick Cave in „Red Right Hand“, das zum Titelsong der Serie wurde – und charakterisiert den Protagonisten Thomas Shelby damit recht gut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!