Azubis mit Fluchthintergrund: Arbeit ja, Unterhalt nein
Geflüchtete, die eine Ausbildung machen, haben laut Gesetzt keinen Anspruch auf Sozialleistungen. In Bremen wird daran gearbeitet, das zu ändern.
Farhad Arghandiwal ist einer von wenigen Geflüchteten, die in Deutschland eine Ausbildungsstelle gefunden haben. Laut deutscher Industrie- und Handelskammer sind bundesweit gerade einmal knapp über 9.000 Auszubildende Geflüchtete, 3.500 davon kommen laut DIHK wie Arghandiwal aus Afghanistan.
„Wir hatten bislang keine geflüchteten Auszubildenden bei uns im Betrieb“, erzählt Schietke. Arghandiwal habe sich aber in der Einstiegsqualifizierung so gut angestellt, dass er ihn übernehmen wollte. Mit dem was daraus resultierte, hatte er allerdings nicht gerechnet: Arghandiwal bekam für die Ausbildung eine Bleibeduldung. Und das bedeutete für Chef und Azubi einen Behördenmarathon. Denn mit dem Beginn der Ausbildung und dem vorläufigen Aufenthaltsstatus fällt Arghandiwal in eine schwerwiegende Gesetzeslücke.
„Ich habe mit der Ausbildung keinen Anspruch auf Sozialhilfen mehr“, erzählt der Azubi. Ein Netto-Ausbildungsgehalt von rund 450 Euro soll zunächst einmal alles sein, was er bekommt. Arbeits- und Sozialamt lehnen jegliche Verantwortung für den jungen Mann ab – das Sozialgesetzbuch sieht eine Unterstützung von Azubis und Studierenden nicht vor.
Markus Saxinger, Bremer Integrationsnetz (BIN)
Arghandiwal ist in Bremen kein Einzelfall. Konkrete Zahlen dazu, wie viele Menschen diese Gesetzeslücke derzeit betrifft lassen sich zwar nicht finden, doch der Verein „FluchtRaum“ und das Bremer Integrationsnetz (BIN) beraten zahlreiche von ihnen. „Die Zahl unserer Beratungsgespräche zu diesem Thema liegt derzeit weit jenseits des bedauerlichen Einzelfalls“, sagt Markus Saxinger, Projektleiter beim BIN. Die Zahl bewege sich allein bei ihnen weit im zweistelligen Bereich. Auch Freunde Schietkes, die Geflüchtete ausbilden, so erzählt er, erfahren die gleichen Probleme.
Er ärgert sich darüber, dass sich niemand für das Problem verantwortlich fühlt. Makaber sei vor allem, dass bei einem Ausbildungsabbruch ein erneuter Anspruch auf eine Sozialleistung für den Azubi bestehe. „Man motiviert ja dazu, faul rumzusitzen. Farhad hätte mehr Geld, wenn er keine Ausbildung machen würde.“ Dann allerdings könnte er jeden Tag abgeschoben werden, seine Duldung gilt nur im Rahmen der Ausbildung. „Was ist das für ein System, wo bleibt da der Ansporn?“, sagt Schietke, der sich mit BIN und FluchtRaum einig ist: „Die Politik weiß von der Gesetzeslücke, kennt die Probleme.“ Warum nicht gehandelt würde, sei nicht zu verstehen.
Dabei ist eine Verhandlung längst im Gange. Doch wie das in der Politik oft so sei, sagt Bernd Schneider, Pressesprecher der Senatorin für Soziales und Integration, sei der Prozess zeitlich nicht absteckbar. „Wir bemühen uns auf Bundesebene darum, die Gesetzeslücke zu schließen. Das würde durch eine Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes möglich sein.“
Länderübergreifende Problemlösung
Derweil in Bremen Geld zu verteilen sei aber nicht möglich, sagt Schneider, denn damit würde man sich über geltendes Recht hinwegsetzen. Dennoch gebe es Ende November ein Plenum der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlinge, in dem länderübergreifend ein erster gemeinsamer Vorschlag zur Problemlösung gemacht werden solle.
Arghandiwal nützt das vorerst wenig: Er kann von seinem jetzigen Gehalt gerade einmal seine Miete zahlen. Busfahrkarte, Lebensmittel und Nebenkosten sind finanziell noch nicht gedeckt. Sein Vermieter bietet an, in seinen Bürokomplexen zu putzen – gegen eine Mietvergünstigung. Ein weiterer Job neben der Vollzeitausbildung? „Das kann ich als Chef nicht zulassen“ so Schietke. Wie solle der Azubi sich bei zwei Jobs auf Ausbildungsinhalte konzentrieren und täglich fit sein?
Hilfe durch die Caritas
Die Caritas Osnabrück leistet nun überbrückend Hilfe. Für drei Monate kann Arghandiwal auf Fördergelder eines Spendentopfes zurückgreifen. Was danach passieren soll? Azubi und Chef haben gemeinsam einen Anwalt eingeschaltet und gegen die finanzielle Misslage geklagt. Jeden Monat hoffen sie, dass sich seine Situation klärt und er doch einen Anspruch auf Sozialleistungen erhält.
Über die Einstufung als Härtefall wäre das wohl möglich. Doch der rechtliche Prozess ist langwierig und dauert nun schon seit August an. Ein Ende scheint nicht in Sicht. „Die Behörden“, sagt Schietke, „arbeiten eben gegen uns“.
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