Autorin über Selbstversuch: "100 Prozent Bio trotz Hartz IV"
Die Autorin Rosa Wolff schildert in ihrem Buch "Arm aber Bio!", wie sie einen Monat lang nur 4,50 Euro täglich für Lebensmittel ausgab - und trotzdem komplett Öko aß.
taz: Frau Wolff, viele Durchschnittsverdiener meinen, sie könnten sich zu 100 Prozent Lebensmittel aus ökologischem Anbau nicht leisten. Was sagen Sie dazu?
Rosa Wolff: Ich habe einen Monat lang nur so viel fürs Essen ausgegeben, wie Hartz-IV-Empfängern für die Ernährung zugebilligt wird: etwa 4,50 Euro am Tag. Trotzdem konnte ich zu 100 Prozent Bio essen. Und das im teuren München. Wenn man es mit dem wenigen Geld schafft, hat ein Normalverdiener keinen Grund mehr zu sagen, dass er sich Bio nicht leisten könne. Man fragt sich dann wirklich, warum die Leute mit ihren teuren Autos vor Aldi stehen.
Die 52-Jährige ist freie Journalistin. Sie schreibt über Essen und Gastronomie. Ihr Buch "Arm aber Bio!" ist in ihrem Verlag Edition Butterbrot erschienen.
Wie war es denn, mit so wenig Geld sein Bioessen kaufen zu müssen?
Sehr mühsam. Es ist kein Spaß. Man muss immer die gerade günstigsten Zutaten suchen und viel selber kochen. Besonders schwierig ist es, wenn man auch noch gesund essen will, also nicht nur Sattmacher wie Spaghetti mit Tomatensauce. Denn Obst und Gemüse kosten, tragen aber kalorienmäßig wenig bei. Aber es muss ja nun keiner, der mehr Geld zur Verfügung hat, so streng sein, wie ich es in meinem Selbstversuch war.
Worauf muss man achten, um die Kosten zu senken?
Basisgemüse wie Kohl, Kartoffeln und Zwiebeln sind immer bezahlbar. Im Sommer zum Beispiel Zucchini - eben alles, was gerade saisonmäßig da ist. Auch Bananen und Orangen sind günstig. Aber exotischere Sachen wie Oliven, spezielle Kräuter oder ein Gläschen Kapern sind jenseits von Gut und Böse. Und man muss schon geschickt sein beim Kochen, damit es nicht immer das Gleiche zu essen gibt.
Worauf mussten sie als Erstes verzichten?
Fleisch und Wurst kann man sich am wenigsten leisten. Aber das ist nicht wirklich schlimm, weil der Konsum an tierischen Produkten ja generell zu hoch ist in unseren reichen Ländern. Weniger Fleisch und Wurst tut in der Regel den meisten gut. Auch der Umwelt und der globalen Verteilungsgerechtigkeit.
Sind Sie immer satt geworden?
Überessen kann man sich wirklich nicht auf die Art, aber man muss auch nicht hungern.
Haben Sie Billigbio vom Discounter gekauft?
Ich habe keine Lust, mein bisschen Geld bei den Milliardären Albrecht, also bei Aldi abzuliefern. Aber es lohnt auch nicht, wenn man allein lebt. Ich war nur einmal bei Lidl und habe ein Kilo Karotten gekauft, davon sind mir zwei Stück vergammelt. Dadurch war es unterm Strich teurer als im Bioladen, wo man sich die Sachen einzeln raussuchen kann.
Ihr Einkaufsexperiment hat einen Monat gedauert. Reicht das, um zu sagen, dass man langfristig von so wenig Geld 100 Prozent Bio essen kann?
Ein Monat ist schon Lebenszeit. Ich habe auch alle Zutaten wie Olivenöl oder Gewürze weggepackt, die ich noch von vorher hatte. Ich habe also wirklich bei Null angefangen. Und ich habe den Versuch im Mai gemacht. Da gibt es besonders wenig günstiges, weil saisonales Gemüse.
Spielen Sie mit Ihrem Versuch nicht Leuten in die Hände, die Hartz-IV-Empfängern am liebsten das Geld kürzen würden?
Nein, der Regelsatz gehört erhöht, keine Frage. Mein Buch soll ein Gegenentwurf sein zu all den übrigen Ratgebern zum Thema "Essen für wenig Geld", die überwiegend fleischlastige Rezepte mit Discount-Lebensmitteln bieten. Ich finde, Bio ist kein Luxus, sondern in jeder Hinsicht das Beste für alle und steht deshalb jedem zu. Ich wollte Normalverdienern zeigen, dass sie problemlos auf Bio umsteigen können, und auch Leute mit wenig Geld ermutigen - denn es geht mehr, als mancher befürchten mag. Beifall von der falschen Seite gab es zum Glück nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel