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Autor David Schalko über sein Werk„Die Mentalität ist sehr alpin“

„Bad Regina“ heißt der neue Roman von David Schalko. Ein Gespräch über ihn, die Ibiza-Affäre und die konservativen Machtmechanismen in Österreich.

Wird auch für seine Serienformate gefeiert: der österreichische Regisseur und Autor David Schalko Foto: dpa/Simon Brugner
Ralf Leonhard
Interview von Ralf Leonhard

taz: Herr Schalko, Ihr neuer Roman „Bad Regina“ spielt in einem heruntergekommenen ehemaligen Nobelkurort in Österreich, wo nur mehr 46 Menschen leben. Ein geheimnisvoller Chinese kauft nach und nach die Häuser der verbliebenen Einwohner auf. Bad Regina ist ein wenig verschlüsseltes Ebenbild von Bad Gastein. Haben Sie mit dem Ort eine Rechnung offen?

David Schalko: Im Gegenteil. Ich habe ein sehr liebevolles Verhältnis zu Bad Gastein weil wir dort in den letzten Jahren stets Urlaub gemacht haben. Ein Ort, der mich aufgrund seiner Geschichte interessiert hat und wegen all der Legenden, die sich um ihn ranken. Warum er verfallen ist, welche Geschichte dahintersteckt …

Im Interview: David Schalko

1973 im niederösterreichischen Waidhofen an der Thaya geboren, wuchs er in Wien auf. Seine schauspielerischen Ambitionen scheiterten an der Aufnahmeprüfung des Max Reinhardt Seminars. Ein Studium der Betriebswirtschaft brach er ab, sobald er beim Fernsehen einsteigen konnte. Er verdiente sein Geld als Werbetexter und schrieb Drehbücher, bekam erste Regieaufträge. Inzwischen ist er als Autor von Büchern und Drehbüchern etabliert. ­Besonders erfolgreich war der Achtteiler „Altes Geld“. Bei der diesjährigen Berlinale lief seine Serie „Ich und die anderen“.

Bad Regina wird von skurrilen, großteils lebensuntüchtigen Figuren bevölkert. Gibt es für sie lebendige Vorbilder?

Es gibt Vorbilder, die aber nicht unbedingt aus ­Bad Gastein sein müssen. Man braucht immer jemanden vor Augen, damit es eine Wahrhaftigkeit entwickeln kann.

Der Held, wenn man ihn so nennen will, ist ein ehemals linker Sozialschmarotzer, wie er das Hassobjekt des Jörg Haider oder von Heinz-Christian Strache sein könnte. Muss man mit Othmar sympathisieren?

Dass jemand lauwarmes Bier trinkt und nicht auf der Höhe seines Schaffens ist, heißt ja nicht, dass man mit ihm nicht sympathisieren kann. Im Gegenteil. Ich finde, gerade ein müder Charakter, der nicht dazu geschaffen ist, den Ort zu retten, verdient mehr Sympathie, als jemand, der sich als Held aufspielt. Sympathie entsteht ja auch, wenn man jemanden kennenlernt und nicht auf sofort mag. Charaktere, die man in Gut und Böse einteilen kann, finde ich schwierig. Mensch sein heißt ja auch ambivalent sein. Ich finde wichtig, dass sich das widerspiegelt.

Muss man eine Parabel auf die österreichische Seele hineinlesen?

Muss man nicht. Er ist viel als Parabel gelesen worden, weil die Dinge mit dem Selbstverständnis von Europa im 20. Jahrhundert zu tun haben, wo dann der Verfall Europas hineininterpretiert wird. Europa verfällt ja nicht, es gibt eher einen Kulturkampf und der wird da thematisiert.

Der Ausverkauf an einen mysteriösen Ausländer, die Dekadenz der Protagonisten, könnte das auch in einem anderen Land spielen?

Die Atmosphäre und die Mentalität sind sehr alpin. Aber ob das jetzt in Österreich, in der Schweiz oder in Deutschland spielt, ist für die Handlung relativ egal. Der Rassismus, der das ganze Buch durchzieht, steckt in den Personen drin. Das ist ja in ganz Europa so und hat mit der kolonialistischen Vergangenheit und einem kulturellen Überlegenheitsgefühl zu tun.

„Der Standard“ schreibt in seiner Rezension, dass man sich das gut im TV vorstellen kann. Ist die Verfilmung mitgedacht?

Das ist in diesem Fall natürlich naheliegend. Mal sehen.

Dem Buch vorangestellt ist ein Hinweis auf die rassistische Sprache mancher Protagonisten. Ist heute so eine Trigger-Warnung notwendig obwohl wahrscheinlich 90 Prozent der Menschheit keine politisch korrekte Sprache benutzt?

Die Behauptung der Political Correctness hat nicht immer Entsprechung in der Realität. Stimmt. Andererseits ist es ja auch ein Kompass der Werte. Wir führen diesen Diskurs nur so hysterisch, dass sich andere wiederum davon bevormundet fühlen. Was die Gesprächsbasis verhindert und Gesellschaften spaltet. Der Trumpismus ist fast ein trotziges Ergebnis dieser fundamentalistisch geführten Debatten. Ich weiß nicht, ob das immer der richtige Weg ist. Nicht hinter jeder PC steht automatisch Wahrheit. Andererseits, aus der automatisch entstehenden Demütigungsmechanik, die noch dazu instrumentalisiert wird, entstehen politische Parteien, die darauf aufbauen. Und das endet im Antiaufklärerischen.

Was haben wir in den letzten Wochen über die politische Kultur in Österreich gelernt?

Nichts Neues. Die Dinge drehen sich im Kreis. Dass bei uns Korruption ein großes Thema ist, ist ja nicht neu. Im Augenblick ist es schwierig über Politik zu reden, ohne über Corona zu reden – weil die Politik fast ausschließlich mit Corona beschäftigt ist.

Immerhin gibt es den Ibiza-Untersuchungsausschuss, bei dem die problematische Haltung der ÖVP gegenüber den Verlockungen privatwirtschaftlicher Zuwendungen immer deutlicher herausgearbeitet wird.

Das Ibiza-Video hat etwas sichtbar gemacht, von dem ohnehin alle wussten. Wenn man diese Emporkömmlingsgier, die Politik nur als etwas versteht, an dem es sich bereichern lässt, dann aber vorgespielt sieht, dann kommt einem schon ordentlich das Grausen. Man darf aber nicht vergessen, dass dahinter ein Netzwerk agiert, in dem die Kurz-ÖVP wesentlich mehr Macht hat als die FPÖ. Letztendlich wurde jedes machtpolitische Vorhaben aus dem Ibiza-Video durchgeführt – nur eben von der ÖVP und nicht von Strache. Wir haben es jetzt mit einer jungen Clique zu tun, die nicht besonders moralbehaftet ist. Man hat ja gesehen, dass Gewissen bei denen keine große Rolle spielt. Sonst würden sie es nicht ablehnen, ein paar Flüchtlingskinder aus Lesbos aufzunehmen. Vielmehr verkaufen sie ihre Hartherzigkeit als Tugend.

Das Buch

David Schalko: „Bad Regina“. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021, 400 Seiten, 24 Euro

Die ÖVP tut etwas Empörendes und dafür geprügelt werden die Grünen. Wieso ist das so?

Das ist das Talent der ÖVP, die Aufmerksamkeit abzulenken. Es ist ja kein Zufall, dass da Schulmädchen unter großem Getöse nach Georgien abgeschoben werden, wenn man eigentlich darüber reden sollte, welche Festplatten die ÖVP schreddern ließ und warum. Man muss nicht verschwörerisch denken, um da einen Zusammenhang zu sehen. Die ÖVP hat es immer schon verstanden, von sich abzulenken und auf andere zu deuten, wenn etwas schiefläuft. Man kann sagen, sie haben ihren Machiavelli gelesen. Den Grünen tut die Coronakrise am meisten weh, weil sie ihre Themen nicht durchbringen. Da geht es nicht nur um Umweltpolitik, sondern auch um Menschenrechte. Den Grünen wird die Härte in der Asyl- und Flüchtlingspolitik natürlich viel stärker angekreidet als einer ÖVP.

Wo führt das hin?

Natürlich fragt man sich an der grünen Basis, warum machen wir das noch mit?

Auch Sebastian Kurz hat in den Umfragen etwas verloren. Wird der politische Komet demnächst verglühen?

Das glaube ich nicht. Die Alternativen sind ja nicht zu glänzend, andererseits hat man ihm persönlich weder Korruption nachgewiesen noch irgendwelche Skandale, die ihn zu Fall bringen könnten. Natürlich ist die Ankündigungspolitik immer einfacher als das Tun, das kann man an der Coronapolitik deutlich sehen. Aber letzten Endes ist die Situation in Österreich auch nicht so katastrophal. Das Scheitern an der Corona­krise ist in Deutschland genauso groß wie bei uns oder woanders. Man kann überall hinzeigen und sagen, wir sind alle überfordert.

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