Autonome in Berlin: Antifa heisst Abschied
1.-Mai-Demos, Naziblockaden, Blockupy: Die Auflösung der Antifaschistischen Linken Berlin ist eine Zäsur für eine linksradikale Politik der Stadt.
Am Ende klingt es fast wie in einem Arbeitszeugnis: „Wir wünschen allen ehemaligen Mitgliedern der ALB viel Erfolg“, heißt es in dem am Montagabend veröffentlichten Text, in dem die Antifaschistische Linke Berlin ihre Auflösung verkündet.
Das Ende der Gruppe kommt zwar nicht gänzlich überraschend – eine Zäsur für linksradikale Politik in Berlin ist es dennoch. Denn die ALB war in den elf Jahren ihres Bestehens eine der wichtigsten, tonangebenden Gruppen in der radikalen Linken auch über Berlin hinaus. Ihre Auflösungserklärung beinhaltet so auch noch einmal eine Aufzählung der großen Projekte: Von den Gipfelprotesten in Heiligendamm 2007 über die jährlichen Demonstration zum Silvio-Meier-Gedenken und 1. Mai hin zu Naziaufmarsch-Blockaden in Berlin und Dresden sowie den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main – die ALB war dabei, oft in federführender Position.
Eine wichtige Bedeutung hatte die Gruppe außerdem durch ihren Kreuzberger Laden „Red Stuff“ und den angeschlossen Antifa-Versand, die offenbar bestehen bleiben sollen: Jugendliche, gerade in der deutschen Provinz, versorgen sich darüber mit T-Shirts oder Plakaten – ein wichtiger Faktor dafür, dass das Label „Antifa“ cool bleibt, wovon letztlich die gesamte Szene profitiert.
Die Relevanz der ALB lässt sich allerdings nicht durch eine bloße Aufzählung ihrer Projekte abbilden: Nicht beim Was, sondern beim Wie, bei der Art, linksradikale Politik zu machen, setzte die Gruppe entscheidende Akzente. „Die ALB hat früh erkannt, wie wichtig eine Brückenfunktion zwischen dem linksradikalen und dem eher bürgerlich-engagierten Spektrum ist“, sagt ein ehemaliges Mitglied. Ob in Heiligendamm oder zu Blockupy: Die ALB setzte sich bewusst mit Parteien, Kirchen, Gewerkschaften an einen Tisch, beteiligte sich an großen Bündnissen. Genau deswegen schenkte der Verfassungsschutz der Gruppe stets ein besonders Augenmerk. Gleichzeitig musste die Gruppe dafür auch Kritik aus der autonomen Szene einstecken. Auch jetzt noch wirft ihnen ein Kommentator im Internet „Reformismus und Ziellosigkeit“ vor.
Doch diese Art von Kritik ist weniger geworden, tatsächlich befinden sich in Berlin eher die klassisch-autonomen Antifagruppen in einer Krise. Die ALB, so formuliert es ein bisheriges Mitglied, konnte „letztendlich mit dem Erfolg der eigenen Ansätze nicht wirklich umgehen“: Die Erkenntnis, dass breite Bündnisse und eine Öffnung über die Szene hinaus notwendige Bedingungen für den Erfolg linksradikaler Politik sind, hat sich spätestens mit den nur durch breite Bündnisarbeit erfolgreich verhinderten Naziaufmärschen in Dresden durchgesetzt. Die ALB hat hier schon lange kein Alleinstellungsmerkmal mehr.
Eine echte Weiterentwicklung antifaschistischer Politik, so formuliert es die Gruppe selbst, sei trotz verschiedener Versuche bisher kaum gelungen. Nötig sei sie schon durch die Veränderung des Politikfelds: Während die Blockade von Naziaufmärschen mittlerweile weit über die linksradikale Szene hinaus bejubelt wird, sind viele Antifa-Gruppen bezüglich der Herausforderungen, vor die sie durch den Erfolg rechter und rechtspopulistischer Parteien gestellt werden, noch nicht über erste Ideensammlungen hinausgekommen. Gleichzeitig, und auch das erwähnt die ALB in ihrem selbstkritischen Papier, ist es großen Teilen der radikalen Linken in Berlin bisher nicht gelungen, einen echten Zugang zu einer der wichtigsten Bewegungen der Stadt zu finden: Die Kämpfe der Flüchtlinge vom Oranienplatz sind, abgesehen von einzelnen Demonstrationen und Großereignissen, häufig losgelöst von traditionelleren linken Strukturen in Berlin.
„Die linksradikale Szene in Berlin befindet sich in einerTransformation“, sagt ein ehemaliges ALB-Mitglied. Das sei nicht unbedingt schlecht – doch die ALB konnte in diesen Entwicklungen offenbar keine Perspektive mehr entwickeln, ihren Platz nicht mehr finden: Von „Ratlosigkeit, Resignation und Austritten“ seien die letzten Monate in ihrer Gruppe geprägt gewesen, schreiben sie in ihrer Erklärung.
„Die allermeisten von uns wollen auch weiterhin politisch aktiv sein“, kündigt die Gruppe an. Abgesehen davon, dass einige Teil der „Interventionistischen Linken“ bleiben wollen ist hier allerdings noch wenig konkret.
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