Autofahrt mit Imageschaden: Käßmann blau am Steuer
Die EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann wurde mit 1,54 Promille Alkohol im Blut am Steuer erwischt. Konservative Protestanten fordern "Konsequenzen für den Super-GAU".
BERLIN taz | Zum zweiten Mal seit ihrem Amtsantritt vor nur vier Monaten steht die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Zentrum heftiger Kritik. Am Dienstag wurde bekannt, dass Margot Käßmann am vergangenen Samstag gegen 23 Uhr in der Innenstadt von Hannover angetrunken von einer Polizeistreife angehalten wurde.
Die 51-Jährige hatte am Steuer ihres Dienstwagens eine rote Ampel ignoriert. Eine Blutprobe auf der Polizeiwache ergab 1,54 Promille Alkohol im Blut. Das teilte die Staatsanwaltschaft Hannover mit. Bereits ab 1,1 Promille gilt ein absolutes Fahrverbot. Nun steht die berufliche Zukunft der ersten Frau an der Spitze der EKD auf der Kippe.
Am Dienstag erklärte die EKD, derzeit werde beraten, ob das Alkoholvergehen der höchsten kirchlichen Repräsentantin von rund 25 Millionen Protestanten Konsequenzen haben wird. Jedoch sagte der EKD-Sprecher Reinhard Mawick, ihm sei bislang nichts über etwaige Rücktrittsforderungen bekannt.
Käßmann urteilte über ihre Alkoholfahrt laut Bild: "Ich bin über mich selbst erschrocken, dass ich einen so schlimmen Fehler gemacht habe." Den rechtlichen Konsequenzen werde sie sich selbstverständlich stellen. "Mir ist bewusst, wie gefährlich und unverantwortlich Alkohol am Steuer ist." Die Bischöfin sagte nach dem Bekanntwerden der Ermittlungen alle öffentlichen Termine für die weitere Woche ab.
Ein Atemalkoholtest ergab laut einer EKD-Sprecherin zunächst 1,1 Promille. Käßmann musste mit zur Polizeiwache, wo ihr eine Blutprobe entnommen wurde. Ergebnis: 1,54 Promille. Ihr Führerschein wurde eingezogen. Ab einem Blutalkoholwert von 1,1 Promille gelten Menschen hierzulande laut Strafgesetzbuch als absolut fahruntüchtig. Wer trotzdem ein Auto oder ein Motorrad lenkt, begeht eine Straftat.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Jürgen Lendeckel, erläuterte, das Ergebnis der Blutuntersuchung könne einen schriftlichen Strafbefehl und eine Geldstrafe von einem Monatsgehalt nach sich ziehen. Zudem könne der hannoverschen Landesbischöfin für 10 bis 12 Monate der Führerschein entzogen werden.
Der Sprecher der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers, Johannes Neukirch, sagte, Käßmann sei auf einem privaten Termin gewesen. Grundsätzlich könne die Bischöfin für Termine einen Fahrer anfordern, doch der habe "auch irgendwann mal Feierabend".
Hannovers Bischöfin hat das Spitzenamt erst Ende Oktober 2009 vom Berliner Bischof Wolfgang Huber übernommen, der aus Altersgründen ausschied. Bereits im Januar geriet Käßmann unter hohen öffentlichen Druck, weil sie in ihrer Neujahrspredigt mit Blick auf den Bundeswehr-Einsatz gesagt hatte: "Nichts ist gut in Afghanistan."
Unterstützung für Käßmann kommt vom Geschäftsführer der Fastenaktion "7 Wochen ohne" der Evangelischen Kirche, Arnd Brummer. "Ich halte keine Konsequenzen für nötig", sagte Brummer der taz. Niemand sei zu Schaden gekommen, und die EKD-Vorsitzende habe schnell und klar erklärt, dass sie einen Fehler begangen habe. "Das ist vorbildlich", urteilte Brummer. "Wer das dennoch als Anlass nimmt, um sich in Häme über Frau Käßmann zu ergehen, der macht sich lächerlich."
Auch der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer nahm die EKD-Ratsvorsitzende in Schutz. "Das ist ein Blackout, der leider immer wieder Leuten passiert, die in öffentlichen Ämtern unter Dauerstress stehen", sagte er laut Leipziger Volkszeitung. Gleichwohl sei die Alkoholfahrt von Käßmann eine Verfehlung, die nicht einfach zu rechtfertigen sei.
Heftige Kritik kam vom Vorsitzenden der konservativen Protestanten, dem Hamburger Pfarrer Ulrich Rüß. Laut Leipziger Volkszeitung urteilte der Leiter der Konferenz Bekennender Gemeinschaften: "Diese Alkoholfahrt von Frau Käßmann ist der Super-GAU, der wohl auch Konsequenzen haben muss."
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