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Autoexperte Becker über die Opel-Krise"Andere sind schlechter dran"

Der Autoexperte Helmut Becker hält eine Insolvenz von Opel für notwendig, um den Fahrzeughersteller zu retten. Nur so könne sich der Autobauer aus dem General-Motors Verbund lösen.

Helmut Becker: "Wenn man Opel mit Staatsmitteln unterstützt, wird das Siechtum nur verlängert." Bild: dpa
Ulrike Herrmann
Interview von Ulrike Herrmann

taz: Herr Becker, lässt sich Opel retten?

Bild: archiv
Im Interview: 

HELMUT BECKER, 65, leitet seit 1998 das Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation in München. Zuvor war er Chefsvolkswirt bei BMW. 2007 erschien von ihm "Ausgebremst. Wie die Autoindustrie Deutschland in die Krise fährt" (Econ).

Helmut Becker: Ja, aber vorher muss das Unternehmen in die Insolvenz gehen. Wenn man Opel jetzt mit Staatsmitteln unterstützt, wird das Siechtum nur verlängert. Denn es ließe sich nicht verhindern, dass die Staatsgelder auf irgendwelchen Verrechnungswegen bei der US-Mutter General Motors in Detroit landen.

Rettung durch Insolvenz - das klingt paradox.

Aber nur durch eine Insolvenz kann sich Opel aus dem GM-Verbund lösen. Sobald es selbständig ist, könnte es in eine Auffanggesellschaft überführt werden und weiterexistieren.

Aber ist Opel noch etwas wert? Dort soll doch ein Minus von 3,3 Milliarden Euro klaffen.

Das ist reine Erpressung von GM. Es ist genau umgekehrt: Opel hat offene Forderungen in Milliardenhöhe an die Mutter GM. Das sagen zumindest Betriebsräte. GM ist mit 70 Milliarden Dollar verschuldet und versucht aus Opel herauszuholen, was herauszuholen ist. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Rüttgers unterstützt das auch noch, indem er - sicherlich in guter Absicht - nach Detroit fährt.

Was schlagen Sie also vor?

Experten schätzen, dass Opel noch maximal 2,5 Milliarden Euro wert ist. Diese Summe müsste man nach einer Insolvenz an GM überweisen - und das war es dann.

Und wer soll das Geld aufbringen?

Momentan gibt es vier Gruppen, die Opel übernehmen könnten. Das sind die Mitarbeiter, die Opel-Händler, die vier Bundesländer mit Opel-Standorten und schließlich die Bundesregierung.

Das wirkt wie eine Verstaatlichung mit Mitarbeiterbeteiligung.

Das Engagement des Staates dürfte nur vorübergehend sein. Langfristig müsste es das Ziel sein, Opel zu verkaufen.

Aber an wen? BMW hat schon abgewinkt.

Was erwarten Sie denn? Es würde nur den Preis treiben, Kaufabsichten erkennen zu lassen.

Und warum sollte BMW ein strategisches Interesse an Opel haben?

Inzwischen brauchen Sie einen Absatz von mehreren Millionen Autos jährlich, um die technische Neuerungen zu finanzieren. Entwicklungen wie das Elektroauto oder der Hybridmotor sind mit kleinen Stückzahlen nicht mehr zu stemmen. Daimler steht vor dem gleichen Problem. Nicht auszuschließen ist daher, dass es langfristig zu einer Art Deutschland-Auto-AG kommen könnte, in der Daimler, BMW und Opel kooperieren. Der VW-Konzern hat sich mit VW, Audi und Porsche ja bereits in dieser Form organisiert.

Ist Opel denn noch wettbewerbsfähig? Der Marktanteil ist dramatisch geschrumpft - und gleichzeitig gibt es enorme Überkapazitäten.

Keine Frage, die globalen Überkapazitäten in der Branche liegen bei 20 bis 30 Prozent. Aber es gibt Firmen, die deutlich schlechter aufgestellt sind als Opel - beispielsweise GM und Chrysler. Sollen doch die erst einmal den Markt räumen! Auch Fiat und Peugeot wanken und sind schlechter dran als Opel. Man darf nicht vergessen, dass Opel ein sehr schlankes Unternehmen ist. 1972 arbeiteten dort rund 60.000 Menschen - jetzt sind es nur noch etwa 26.000.

Aber was nutzt Effizienz, wenn immer weniger Kunden einen Opel kaufen?

Opel ist von GM systematisch heruntergewirtschaftet worden durch eine kurzfristig nur am Ertrag orientierte Strategie. Es wurde allein an den Kosten gespart. Erst in jüngster Zeit hat man wieder in neue Modelle investiert. Leider kommen sie jetzt zur falschen Zeit auf den Markt. Der Insignia ist "Car of the Year 2009", aber es ist ein Mittelklassewagen - und die werden in der Rezession nicht gebraucht. Künftig muss Opel noch stärker auf Kleinwagen wie den Corsa setzen.

Wird Opel denn bei Kleinwagen langfristig eine Chance haben? Da sind die Firmen in Asien doch kostengünstiger.

Kosten sind nicht alles. Da spielen auch deutsches Ingenieurswissen, Qualität und vor allem Image eine Rolle. Im übrigen gilt: Aus dem Angst vor dem Tod kann man auch Selbstmord begehen.

Wie viele Arbeitsplätze würde Ihr Konzept bei Opel kosten?

Erst einmal gar keine. Aber natürlich hängt alles davon ab, wie lange die Rezession anhält.

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2 Kommentare

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  • AD
    Axel Dörken

    Alles hat einen Sinn. In einer Pleite bei opel erkenne ich direkt mehrere:

     

    1. Opel hat genau so gepennt, wie alle anderen auch. Oder liegen dort verwertbare Pläne für eine Öko-Auto?

     

    2. Wer seinem Arbeitgeber blind vertraut, hat mit konsequenzen zu rechnen. Transparenz kann eine fpolge sein.

     

    3. Arbeitslosigkeit ist kein Makel sondern eine Chance. Ich weiß, wovon ich schreibe, war ich doch jahrelang "arbeitslos"

     

    4. Die Strukturen die wir in der Wirtschaft nutzen sind unnatürlich und können daher schlechterdings weiterhin Erfolg bringen.

     

    Lösungen können sein: Mehr Mitbestimmung von Mitarbeitern und Kunden, deutliche Transparenz im jeweiligen Unternehmen, Abschaffung zumindest des Zinseszinses, wenn nicht auch des Zinses.

     

    Im Zins steckt ein Problem, dass seit Jahrzehnten verschwiegen wird. Jeder BWLler der das Zinproblem nicht kennt, sollte sich fragen, ob er nur stumpf auswendig gelernt hat, oder ob er ernsthaft das Gelernte hinterfragt hat.

     

    Letztlich trifft diese Sache auf fast jeden von uns zu: Lernen wir nur stumpf und dogmatisch oder haben wir den Mut anderes zum Mittelpunkt zu machen.

     

    Liebe Grüße

    Axel Dörken

  • M
    Mephane

    "Andere sind schlechter dran" ist nichts anderes als das Losungswort für Divide et Impera...