Ausweitung der LKW-Maut: Verkehrsminister zögern bis zur Wahl
Die EU zögert die Entscheidung über eine Erweiterung der Straßenmaut hinaus. Rechenbeispiele zeigen 63 Cent pro Kilometer als eine faire Abgabe.
BERLIN taz | Wenn sich in diesen Tagen die EU-Verkehrsminister treffen, steht ein unliebsames Thema nicht auf der Tagesordnung: die Ausweitung der Straßenmaut. Der deutsche Minister Wolfgang Tiefensee (SPD) drängt immer wieder darauf, das Thema auf die Zeit nach der Bundestagswahl im September zu verschieben. Und auch einige süd- und osteuropäische Amtskollegen wollen das Projekt so lange wie möglich hinauszögern. Der Verkehrsministerrat tagt von Dienstag bis Donnerstag.
Das Europaparlament hat Mitte März entschieden, dass die EU-Mitgliedstaaten den Spediteuren künftig einen Teil der volkswirtschaftlichen Kosten anlasten dürfen, die ihre Lastkraftwagen verursachen. Allein die verkehrsbedingte Luftverschmutzung kostet die EU-Bürger zusammengerechnet jedes Jahr vier Millionen Lebensjahre, hat die EU-Kommission ausgerechnet. Hinzu kommen Herzinfarkte durch Lärm, Unfallopfer und Klimaschäden. Summa summarum übernimmt der deutsche Steuerzahler jährlich etwa 12 Milliarden Euro, um die Schäden des Lkw-Verkehrs auszugleichen, hat das Schweizer Infras-Institut ermittelt. Folglich müsste ein Großlaster allein zur Begleichung von Umwelt- und Gesundheitsschäden 63 Cent pro Kilometer zahlen - egal ob auf der Autobahn oder einer Landstraße.
So weit mochten die EU-Parlamentarier jedoch nicht gehen. Sie stellen den Ländern frei, ob sie überhaupt eine Lkw-Maut erheben oder nicht. Maximal etwa 20 Cent pro Kilometer sollen auf allen Straßen erlaubt sein, um die Schäden durch Feinstaub, Stickoxid und Lärm auszugleichen. Hinzu kommt die Möglichkeit eines Stauaufschlags. Dieser könnte in beliebiger Höhe festgesetzt werden. Der Stauaufschlag soll einem Land ermöglichen, die Lkw-Karawane durch hohe Gebühren für beliebte Trassen und Nutzungszeiten besser zu lenken.
Spediteure fürchten, dass Österreich beim Brenner kräftig zulangen wird, und haben deshalb schon die Konservativen in Stellung gebracht. "Wenn sich mit Staus Geld verdienen lässt, baut ein Staat noch weniger Straßen", argumentiert der CDU-Parlamentarier Georg Jarzembowski aus Hamburg gegen den Stauaufschlag. Er hofft auf eine Blockade dieser Regelung durch den Ministerrat. Dagegen weist der grüne Abgeordnete Michael Cramer darauf hin, dass ein Großteil der Ferntransporte völlig überflüssig sei: "Großbritannien exportiert 5 Millionen Tonnen Schweinefleisch und importiert die gleiche Menge. Und skandinavische Krabben reisen nach Marokko, werden dort gepult und dann zurückgeschickt." Nur weil der Straßentransport so billig sei und die Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet würden, machten solche Fuhren betriebswirtschaftlich Sinn. Die Grünen hatten im EU-Parlament gefordert, auch Klima- und Unfallkosten einzubeziehen, konnten sich damit aber nicht durchsetzen.
Gegenwärtig werden in Deutschland für Lkw pro Autobahnkilometer 16,3 Cent fällig. Bisher darf das Geld ausschließlich zum Bau oder zur Reparatur von Verkehrsinfrastruktur eingesetzt werden. "Würde man die Maut auf alle Straßen ausdehnen und die externen Umweltkosten anlasten, so wäre mindestens eine Verdoppelung der durchschnittlichen Mautsätze gerechtfertigt", schreibt das Umweltbundesamt.
Auch Pkw würde das Bundesamt gerne in das System einbeziehen: Mit etwa 3.000 Euro belastet jedes Auto pro Jahr die Umwelt. Doch für das Thema ist die Europäische Union nicht zuständig: Jedes Mitgliedsland kann die Pkw-Maut gestalten, wie es will.
Die EU schreibt aber vor, dass es für die Nutzung von Schienen Gebühren geben muss. Verzögern die EU-Verkehrsminister die Ausweitung der Lkw-Maut weiter, dürfte der Anteil der Bahn am Güterverkehr weiter schrumpfen. Eine McKinsey-Studie sagt voraus, dass es in den kommenden Jahren ein Minus von 30 bis 40 Prozent geben werde, vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen bleiben so wie bisher.
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