Ausweisung von Palästina-Aktivist:innen: Es geht ums Prinzip
Am Samstag startet eine Protestwoche gegen die geplante Ausweisung von vier Palästina-Aktivist*innen. Der Senat bleibt bei seinem Standpunkt.

Massive Kritik ließ nicht lange auf sich warten, nicht zuletzt aufgrund der möglicherweise fehlenden rechtlichen Grundlage für den Entzug der EU-Freizügigkeit bei dreien von ihnen. „Dies ist der Höhepunkt der Repression gegen pro-palästinensische Aktivist*innen“, sagte Koçak am Freitag bei einer Pressekonferenz in seinem Wahlkreisbüro in Neukölln.
Schon vor dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober in Israel seien die Berliner Behörden restriktiv gegen Demonstrationen von arabischen und migrantischen Menschen vorgegangen, so Koçak weiter. Derzeit blicke man aber in einen „autoritären Abgrund“.
Gegen die Ausweisungen soll nun eine ganze Protestwoche stattfinden. Es werde am Samstag einen „weltweiten Protesttag vor Deutschen Botschaften“ geben, kündigte Hannah Bruns vom Bündnis gegen politisch motivierte Ausweisungen an. Am kommenden Freitag werde dann eine „Großdemo“ am Alexanderplatz stattfinden.
Bislang keine Verurteilungen
Den vier Aktivist*innen wird vorgeworfen, sich an der Stürmung des FU-Präsidiums im vergangenen Oktober beteiligt zu haben. Dabei sollen sie dem Senat zufolge Mitarbeiter*innen mit Äxten, Sägen und Knüppeln bedroht haben. Bei der Besetzung sollen Schäden im Wert von mehr als 100.000 Euro entstanden sein. Keine*r der Aktivist*innen, heißt es, sei an der FU als Student*in eingeschrieben.
Gegen die Aktivist*innen liegen noch weitere Strafanzeigen vor. Die Innenverwaltung benennt auf Anfrage aber nur die „Vorfälle an der Freien Universität Berlin vom 17. Oktober 2024“ als Grund für die Ausweisungsbescheide, die die vier Aktivist*innen Mitte März erreichten. Es sei zu „signifikanter Sachbeschädigung“ und weiteren Straftaten im Zusammenhang mit dem „Israel-Palästina-Komplex“ gekommen.
Bis dato wurde keine*r der Aktivist*innen rechtskräftig verurteilt. Alexander Gorski von deren Anwaltsteam sagte am Freitag, man kenne „nicht einmal die genauen Vorwürfe“. Die Anwält*innen bekämen seit Monaten keine Akteneinsicht. „Ohne eine strafrechtliche Verurteilung ist der Entzug der Freizügigkeit nicht rechtens“, erklärte Gorski.
Entzogen wurde sie den drei EU-Bürger*innen trotzdem. Eine strafrechtliche Verurteilung sei dafür keine Voraussetzung, so die Verwaltung von Innensenatorin Iris Spranger (SPD). In der Bewertung würden vielmehr die von einer Person ausgehende Gefahr, ihre Integration sowie der Aufenthaltszweck und dessen Dauer eine Rolle spielen.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat jetzt anders entschieden und die Ausweisung des Iren Shane O'Brien am Donnerstag gestoppt. Er darf zunächst bis zum Abschluss der Strafverfahren gegen ihn in Berlin bleiben. „Das kann gut und gern ein bis zwei Jahre dauern“, sagte Gorski. „Ich bin zuversichtlich, dass die anderen Eilanträge ebenso entschieden werden“, fügte er hinzu.
Koçak: „Unterstütze zivilen Ungehorsam vollkommen“
Auf die mutmaßlichen Straftaten der vier Aktivist*innen angesprochen, sagte Linken-Politiker Ferat Koçak: „Ich unterstütze zivilen Ungehorsam vollkommen.“ Auch er selbst habe in seiner Studienzeit an der FU einen Hörsaal besetzt. „Gewalt ist dennoch nicht legitim.“ Es dürfe aber auch keine Vorverurteilung stattfinden.
„Dieses Verfahren muss erst vor Gericht entschieden werden“, erklärte der Bundestagsabgeordnete. Die Barrieren zur Abschiebung aufgrund von politischem Protest würden immer weiter sinken: „Wo soll das noch hinführen?“
Seine Mitstreiterin Hannah Bruns äußerte sich zu den Gewaltvorwürfen gar nicht: „Durch die Eskalation des Berliner Senats erhöht sich auch der zivile Ungehorsam“, sagte sie nur.
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