Austrittsboom bei den Piraten: „Ich habe hier nichts mehr verloren“
Binnen weniger Tage haben mehrere prominente Mitglieder die Piratenpartei verlassen. Nach Lauer geht nun auch Netzaktivistin Domscheit-Berg.
BERLIN dpa/taz | „Willkommen draußen, Anke“, twitterte das ehemalige Vorstandsmitglied der Piraten, Klaus Peukert, am Sonntag. Das war kurz nachdem Anke Domscheit-Berg auf ihrer Internetseite ihren Rücktritt bekannt gegeben hatte.
„Vor 2,5 Jahren wurde ich Mitglied der Piratenpartei, weil ich glaubte, innerhalb der Partei effektiver für meine Überzeugungen kämpfen zu können. Ich trete nun aus, weil ich glaube, dass inzwischen das Gegenteil der Fall ist“, schreibt die frühere märkische Landeschefin.
Die Netzaktivistin befindet sich in guter Gesellschaft. Die Piratenpartei hat in Berlin und Brandenburg binnen weniger Tage mehrere prominente Mitglieder verloren. Am Donnerstag hatte der Berliner Landeschef Christopher Lauer die Partei verlassen, am Samstag sollen auch der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Berliner Abgeordnetenhaus, Oliver Höfinghoff, und die Berliner Piraten-Politikerin Anne Helm gegangen sein.
„Ich habe nichts mehr verloren in einer Partei, deren ’sozialliberale Mitglieder‘ mehrheitlich die Zusammenhänge in einer digitalen Gesellschaft nicht verstanden haben und glauben, eine Konzentration auf 1, 2 Netzthemen sei ausreichend“, begründet Domscheit-Berg ihren Rückzug.
Den sozialliberalen Flügel der Partei griff sie als „obrigkeitshörige, buchstabengesetzestreue Angsthasen“ an. „Es gibt Piraten, die halten Naziblockaden schon für Gewalt, sie reden von ’freiheitlich-demokratischer Grundordnung‘, wenn sie eigentlich Angst vor Veränderung haben.“
Domscheit-Berg kritisierte, dass sie wiederholt als karrieregeile Feministin angegriffen wurde. „Ich finde es jedes Mal unfassbar, dass es immer wieder Piraten gibt, die den Begriff ’Piratin‘ als satzungswidrig bezeichnen und eine erschütternde Toleranz gegenüber Sexismus an den Tag legen.“ (ALE)
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Ministerpräsidentenwahl in Sachsen
Der Kemmerich-Effekt als Risiko
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt