Austritt aus WHO: USA sägen globale Gesundheitsforschung ab
Der bevorstehende Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigt bereits Auswirkungen. Auch in dem Land selbst wird es für Experten schwieriger.
Es war eine der ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten: Kurz nach seiner Vereidigung unterzeichnete Donald Trump ein Dekret zum Ausstieg aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte er den Austritt erklärt. Doch weil der erst mit einer Frist von einem Jahr wirksam wird, konnte ihn Nachfolger Joe Biden noch zurücknehmen. Nun ist es ernst: Die WHO wird Anfang kommenden Jahres eines ihrer Gründungsmitglieder verlieren – und ihren größten Geldgeber.
Die WHO teilte mit, sie hoffe, „dass die Vereinigten Staaten dies noch einmal überdenken werden“. Wahrscheinlich ist das aber nicht, gerade angesichts von Trumps Kritik an den finanziellen Beiträgen und seinem grundsätzlichen Vorhaben, Mittel zu kürzen und Institutionen zu schwächen. Expert:innen befürchten daher deutliche Einschnitte bei der Forschung und gravierende Auswirkungen auf die globale Gesundheit. In einem Schreiben an die Mitarbeitenden kündigte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus bereits diverse Sparmaßnahmen, darunter einen weitgehenden Einstellungsstopp, an.
In der Zweijahresperiode 2022/2023 steuerten die USA nach WHO-Angaben gut 15 Prozent des WHO-Haushalts in diesem Zeitraum bei – ungefähr 1,3 Milliarden US-Dollar. Knapp 80 Prozent davon waren freiwillige Zahlungen, die häufig projektgebunden sind. Sie erlauben den Mitgliedsstaaten damit, eigene Akzente zu setzen.
Große Public-Health-Programme in Gefahr
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Ein Blick auf die Geldflüsse zeigt beispielhaft, wohin die US-Zahlungen bislang gehen – und wo sie folglich fehlen werden: Die beiden größten Anteile fließen nach Afrika und ins WHO-Hauptquartier. Der größte Teil des Afrika-Postens, rund 380 Millionen US-Dollar, wird in akuten Gesundheitsnotlagen eingesetzt. Er sei „entsetzt“ gewesen, als er von dem bevorstehenden Austritt gehört habe, sagte der Vorsitzende der Kommission der Afrikanischen Union, Moussa Faki Mahamat. Die Welt sei heute mehr denn je darauf angewiesen, dass die WHO ihren Auftrag erfülle, die globale Gesundheit als gemeinsames Gut zu gewährleisten.
„Natürlich muss die WHO ihre eigenen Prioritäten setzen, aber es ist schon anzunehmen, dass nun durch den Rückzug der USA wesentliche, große Public-Health-Programme, etwa zu Tuberkulose, HIV und auch zu Pandemic-Preparedness-Initiativen, zu Schaden kommen werden“, sagt Beate Kampmann, Direktorin des Instituts für Internationale Gesundheit an der Berliner Uniklinik Charité gegenüber dem Science Media Center.
Mit dem Wegfall der USA rückt ein privater Akteur auf Platz eins der WHO-Geldgeber vor: die Gates-Stiftung. Sie steuerte knapp 13 Prozent des Haushalts 2022/23 bei. Andreas Wulf, Referent für Globale Gesundheit bei der Hilfs- und Menschenrechtsorganisation Medico sieht die große Rolle solcher privaten Stiftungen in der WHO durchaus als Problem. So finanziere die Gates-Stiftung weite Teile des Polio-Ausrottungsprogramms. Auch wenn es derzeit nicht danach aussieht – würde die Stiftung hier ihre Gelder zurückfahren, wäre das dramatisch.“ Ebenfalls birgt es Wulf zufolge eine Gefahr, würde die Stiftung ihr Budget für die WHO weiter erhöhen, um die wegfallenden US-Mittel zu kompensieren. Denn das würde die Abhängigkeit weiter verstärken.
Wegbrechende Expertise
Auch die WHO und ihre Mitgliedstaaten scheinen das erkannt zu haben und wollen ihre Finanzierung anders aufstellen: Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil der staatlichen Pflichtzahlungen von derzeit etwas über 20 Prozent auf 50 Prozent anwachsen.
Das Geld, das durch den Austritt der USA fehlen wird, ist das eine – das andere ist die wegbrechende Expertise. „Die Fachleute aus den USA sind in der Arbeit der WHO unverzichtbar“, sagt Wulf. Beispiel Afrika: Hier böten die Länderbüros medizinische und technische Unterstützung vor Ort – nicht nur im Umgang mit den viel beachteten Infektionskrankheiten, sondern auch bei der Behandlung anderer ernst zu nehmender Krankheiten wie Krebs. Gleichzeitig sei es durch die Präsenz vor Ort eher möglich, sich zusammenbrauende Epidemien oder Pandemien früher zu erkennen.
Ein Einschnitt in der globalen wissenschaftlichen Zusammenarbeit scheint sich bereits jetzt bemerkbar zu machen. Denn Trump schwächt auch die Gesundheitsbehörden und die Wissenschaft im eigenen Land. Ebenfalls als eine der ersten Amtshandlungen verhängte der neue US-Präsident einen Kommunikationsstopp für die US-Gesundheitsbehörden. Unter anderem die Food and Drug Administration (FDA), die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und die National Institutes of Health (NIH) dürfen demnach keine Beiträge mehr in wissenschaftliche Publikationen veröffentlichen, keine Posts auf Social Media und keine Gesundheitswarnungen mehr herausgeben. Infolge des Kommunikationsstopps liegen Forschungsgelder auf Eis – unklar, ob vorübergehend oder dauerhaft und inwieweit bereits bewilligte Vorhaben betroffen sind. Auch Reisen und Treffen mit externen Akteuren sollen abgesagt werden. „Die Auswirkungen der Dekrete und Direktiven sind verheerend“, zitiert das Fachmagazin Science einen Wissenschaftler der NIH.
Die Frage der externen Kommunikation ist auch deshalb relevant, weil sich in den USA seit mehreren Monaten das Vogelgrippe-Virus H5N1 ausbreitet. Rinderherden infizieren sich und immer wieder auch Menschen. Im Januar ist erstmals ein Mensch nach einer Infektion mit dem Virus gestorben. Zuletzt schätzte die US-Gesundheitsbehörde CDC das Risiko für die allgemeine Bevölkerung, die nicht eng im Kontakt mit Milchvieh oder Vögeln ist, gering ein. Doch Gesundheitsexpert:innen betonen immer wieder, dass eine intensive Überwachung des Infektionsgeschehens notwendig sei, um schnell reagieren zu können. „Man kann inzwischen auch virologisch belegen, dass sich das Vogelgrippevirus in den USA schon ein Stück an Säugetiere angepasst hat“, sagte der Virologe Christian Drosten in der vergangenen Woche in einem taz-Interview.
Eine konkrete Auswirkung des Kommunikationsstopps: Die CDC veröffentlichte in der vergangenen Woche nicht wie üblich ihren „Morbidity and Mortality Weekly Report“. Nach Informationen der Washington Post hätte er drei Texte zur Vogelgrippe enthalten sollen.
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