Australiens Premier in Umfragen hinten: Morrison hofft auf ein Wunder
Der australische Premierminister Scott Morrison verkündet Wahltermin für Mai. Ein Kurswechsel in der Energie- und Rohstoffpolitkik ist überfällig.
Die lange hinausgezögerte Ankündigung des Regierungschefs erstaunt kaum. Laut Meinungsumfragen hat seine konservative Koalition nach neun Jahren im Amt keine Chance auf Wiederwahl.
Doch so hatte es auch schon vor drei Jahren ausgesehen. Alle Umfragen hatten einen Sieg der sozialdemokratischen Labor Party unter deren damaligem Vorsitzenden Bill Shorten vorausgesagt. Eine aggressive Kampagne gegen den Politiker durch die regierungsnahen Medien des ultrakonservativen Amerikaners Rupert Murdoch führte jedoch überraschend zur Wiederwahl der Koalition.
Und Morrison, der 2018 seinen Parteifreund Malcolm Turnbull aus dem Amt des Premier geputscht hatte, wurde als Held gefeiert.
Bei Buschfeuer und Fluten gab Morrison ein schlechtes Bild
Der Jubel von damals ist längst verstummt. Obwohl sich Australiens Konjunktur trotz Covid erstaunlich gut entwickelt hat und es fast Vollbeschäftigung gibt, gilt der 53-Jährige sogar in den eigenen Reihen als Belastung für die Liberal Party, wie sich Australiens Konservative nennen.
Morrisons Verhalten bei der Buschfeuerkatastrophe vor zwei Jahren (er flog derweil nach Hawaii in den Urlaub) und jüngst bei den Überflutungen an der Ostküste (er ließ den Flutgebieten erst nach einer Woche Hilfe zukommen) haben seinem Ansehen sehr geschadet. Ein Zeichen dafür sind große Aufkleber auf Mülltonnen, die ihn neben dem Spruch zeigen: „Dump him“ („Wirf ihn weg“).
Besonders schädigend sind Vorwürfe, er sei frauenfeindlich. Politikerinnen aus seinen eigenen Reihen haben den früheren Marketingmanager als „rassistischen“, „verlogenen“, „pseudochristlichen“ Chauvinisten „ohne jeglichen moralischen Kompass“ bezeichnet, der „kein Recht darauf hat, Premierminister zu sein“.
Morrison hat ähnlich wie sein politischer Freund Donald Trump ein Problem mit der Wahrheit: Die Website Crikey führt eine Liste mit Lügen des Premiers. Selbst wenn eine für ihn peinliche Situation von Fernsehkameras festgehalten wurde, streitet er sie ab.
Australiens Konservative versagen in der Klimapolitik
Das größte Versagen seiner Regierung sei die Klimapolitik, sagen Kritiker, unter ihnen viele Wissenschaftler. Die mit der Kohleindustrie verbundenen Konservativen halten strikt an fossilen Brennstoffen fest. Die Labor Party unter ihrem Chef Anthony Albanese dürfte stärker auf alternative Energieformen setzen.
Experten zufolge könnte Australien seinen gesamten Energiebedarf mit Solar- und Windkraft decken. Die einflussreiche Fachzeitschrift Renew Economy schrieb nach der Ankündigung des Wahltermins: Australien habe die Wahl zwischen einer Koalitionsregierung, „die dafür gesorgt hat, dass Australien auf internationaler Ebene zum Paria wurde […], weil sie saubere Energieformen verhindert“, oder könne dafür sorgen, dass sich etwas ändert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“