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Ausstellung zu Künstlerin Cindy ShermanWer bestimmt, was schön ist?

Das Spiel mit Rollen und Normen ist der Mode nicht fremd. Eine Ausstellung in Hamburg spürt dem im Werk von Cindy Sherman nach. Warum erst jetzt?

Cindy Sherman, Untitled #462, 2007/2008 (Ausschnitt) Foto: Courtesy Cindy Sherman and Hauser & Wirth

Dass es so lange gedauert hat, habe die Künstlerin überrascht. Davon konnte dieser Tage Alessandra Nappo berichten: Die ehemalige Kuratorin der Staatsgalerie Stuttgart war nach Hamburg gekommen, zur Eröffnung der zweiten Station von „Cindy Sherman: Anti-Fashion“. Konzipiert und zuerst gezeigt worden war die Ausstellung in Stuttgart. Sherman begutachte und bewillige immer noch jedes Konzept persönlich, so Nappo, und von der Idee, auf ihr Verhältnis zur Mode zu schauen, sei sie begeistert gewesen – und habe eben gefragt: Wieso erst jetzt?

Denn wie ein roter Faden zieht sich die Mode durch das knapp 50 Jahre umspannende Werk der US-amerikanischen Fotokünstlerin, das arbeitet diese Ausstellung heraus. Inszenierung und Verkleidung des Frauenkörpers, zuallererst ihres eigenen Körpers, sind ja, wofür Sherman bekannt ist – und beides ist immer auch Aufgabe der Mode gewesen.

Selbst in ihrer wohl bekanntesten Serie, den in Hamburg nicht berücksichtigten „Untitled Film Stills“, tragen Kleidungsstücke, Accessoires und Frisuren bei zur trügerischen Authentizität dieser vermeintlichen Standbilder aus einem Film Noir oder einem Streifen des italienischen Neorealismus. Gedreht worden sind sie ja nie.

Die Schau stellt eine Künstlerin vor, die sich zu jeder Zeit für Mode interessiert hat; für die Rollenbilder, die sie transportiert, für die Normen, die darin zum Ausdruck kommen und auch mal neu ausgehandelt werden.

Die Ausstellung

Cindy Sherman – Anti-Fashion: Deichtorhallen/Sammlung Falckenberg, Hamburg-Harburg, bis 3. März 2024. Katalog: 38 Euro

Die Firma war geschockt

Kommentiert nicht der frühe Stop-Motion-Kürzestfilm „Paper Dolls“ (1975) bereits eine Gängelung der Mode tragenden Frau? Da sucht sich eine Cindy Sherman aus Papier selbst ein ebenfalls zweidimensionales Kleid aus, bewundert sich darin im Spiegel – bis eine riesige Menschenhand alles wieder zurück in die entsprechenden Plastiktaschen steckt. Was schön ist, bestimmt nicht jede für sich, so könnte das gemeint sein.

Alle Individualität, die auszudrücken Mode helfen kann, hat ihre Grenzen, und vorne dran sein beim letzten (oder nächsten) Trend ist etwas anderes als schlicht exzentrisch.

Wohlgemerkt, Sherman hat für Modefirmen und -magazine gearbeitet, ist also keine Gegnerin des Betriebs. Es ist ein schillerndes Verhältnis, das sie zu verbinden scheint mit ihren teils extrem hochpreisigen Auftraggebern. Anfangs stand es unter keinem guten Stern. 1984 sollte Sherman eine Dorothée-Bis-Kollektion fotografieren, das Unternehmen fand aber zu „schockierend“, was sie dann lieferte: Selbstinszenierungen als zurückhaltende, auch ängstlich wirkende Frau, mit teils vernarbtem Gesicht.

Ausstellungsansicht Cindy Sherman – Anti-Fashion der Sammlung Falckenberg in den Deichtorhallen Foto: Henning Rogge

Solche Bilder brachten ihr aber später Jobs etwa für das Label Comme des Garçons ein: Ihre Fotografien aus den 1990er Jahren für die japanische Modemarke waren eine Antithese zu den ästhetischen Standards der Industrie. Sherman zeigt sich darauf stark geschminkt, mit dicken Wangen und übergroßen Augen. Heute erscheinen uns solch groteske Inszenierungen kaum noch für Werbung ungeeignet.

Rund 50 Bilder umfasst die Stuttgarter Auswahl, in Hamburg erweitert um Stücke anderer Künst­le­r:in­nen der Pictures Generation aus der Sammlung Harald Falckenbergs: Richard Prince’ Autogrammkarten von Filmstar Sylvester Stallone oder der Phantasyfigur „Xena, Warrior Princess“ arbeiten dann das Absurde unserer Star-Verehrung nochmal anders heraus. Bei Prince wie bei Sherman ist die Kunst nicht losgelöst vom Massenmedialen, Trivialen, Hässlichen.

Shermans Inszenierungen sind auch immer wieder komisch. Ihre Bilder, mit den Jahren zunehmend digital bearbeitet, stehen häufig an einem Kipppunkt, an dem der gekonnte Umgang mit dem Trend in eine selbstvergessene Lächerlichkeit umschlägt – auch, aber nicht erst im Zeitalter des Selfies.

Auf „Untitled #462“ zeigt sie sich gleich doppelt als angejahrte Partykönigin mit Daunenjacke, Goldkettchen und Eulenbrille. Sie mögen fashion victims sein, diese beiden nur im Bild existierenden Balen­cia­ga-­Kundinnen, an einer billigen Gelegenheit, sich solchen Charakteren überlegen zu fühlen, scheint Sherman aber kein bisschen interessiert. Da liegt die Hässlichkeit ganz im Auge des Betrachters.

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