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Ausstellung zu Anja NiedringhausSagt nicht „Kriegsfotografin“

Anja Niedringhaus fotografierte Kriege und Krisen. Zu ihrem fünften Todestages ehrt das Kölner Käthe-Kollwitz-Museum sie mit einer Schau.

In der Ausstellung im Käthe-Kollwitz-Museum: Portrait von Anja Niedringhaus Foto: ap

Zum Schutz vor Heckenschützen kauert eine junge Passantin, mit Sorgfalt geschminkt, aber mit nackter Angst im Gesicht, hinter einem Pkw: eine Fotografie aus dem belagerten Sarajevo in Bosnien, 14. Juni 1995. Das Bild, das die Kriegsschrecken dokumentiert, hat die Fotografin und spätere Pulitzer-Preisträgerin Anja Niedringhaus zu Beginn ihrer Karriere gemacht. Sie, eine Frau, hatte bei der Agentur EPA eingefordert, auf den Balkan geschickt zu werden.

Fast zwanzig Jahre später wird Anja Niedringhaus bei einem Attentat in dem von ihr so geliebten Land Afghanistan im Alter von 48 Jahren erschossen. Am 4. April 2014, während sie für die Nachrichtenagentur AP den Präsidentschaftswahlkampf fotografiert, eröffnet ein afghanischer Polizist das Feuer. Niedringhaus ist sofort tot, die AP-Reporterin Kathy Gannon überlebt schwer verletzt. Zum 5. Todestag ehrt das Käthe Kollwitz Museum in Köln Anja Niedringhaus nun mit der ersten posthumen Ausstellung „Bilderkriegerin“.

Kuratiert hat die Ausstellung die Autorin und Journalistin Sonya Winterberg. Zusammen mit ihrem Ehemann Yury Winterberg, Filmemacher und Drehbuchautor, hat sie eine Biografie über Anja Niedringhaus geschrieben, die voraussichtlich Ende des Jahres erscheinen wird. Die Winterbergs – beide sind bekannt für ihre Werke über Kriegsfolgen und zum Beispiel auch für die Biografie über Käthe Kollwitz – arbeiten außerdem im Auftrag des ZDF an einer Dokufiction über das bewegte Leben der Fotografin. Sonya Winterberg ist ihr einmal persönlich begegnet. Die gebürtige Finnin war „berührt von Anjas starker Präsenz“.

Neben Arbeiten über den Balkankrieg hat die Kuratorin Fotos aus Irak, Libyen und Afghanistan sowie Sportaufnahmen und Porträts von Prominenten ausgewählt. Niedringhaus fotografierte bei Wimbledon, Leichtathletikweltmeisterschaften und Olympischen Spielen. „Gut die Hälfte des Archivs besteht aus Sportaufnahmen. Anja hat die technisch sehr anspruchsvolle Remote-Technik auf der Ziellinie meisterhaft beherrscht.“ Herausragend in Wettkampf-, Kriegs- und Krisenfotografie, eine außergewöhnliche Leistung.

Sterbender bosnischer Soldat, Sarajevo, Bosnien, 21. November 1994 Foto: Käthe-Kollwitz-Museum Köln

Zur Ausstellungseröffnung ist auch die gebürtige Kanadierin Kathy Gannon aus Islamabad, ihrem Wohnort in Pakistan, nach Köln geflogen. Die beiden mutigen Frauen bildeten jahrelang ein perfektes Team in Afghanistan. Welche Eigenschaften Gannon am stärksten beeindruckt haben? „Anjas unglaublicher Großmut und ihre Fähigkeit, beinahe in die Herzen der Menschen zu schauen, die sie fotografierte, und dem Rest der Welt von der Courage dieser Menschen zu berichten. Menschen, die es unter außerordentlich schwierigen Umständen mithilfe eines großen Mutes schaffen zu überleben.“ Die linke Hand der Korrespondentin steckt in einer Schiene, auch ihre Rechte wurde bei dem Attentat beschädigt.

Wie es ihr gehe? Nach langer Rekonvaleszenz – 18 Operationen hat es gebraucht – arbeitet sie heute wieder in Afghanistan. Denn: „Kein Verrückter mit einer Waffe wird für mich entscheiden, ob ich arbeite, wie ich arbeite, wann ich arbeite. Ich spüre dieselbe Dankbarkeit, in der Lage zu sein, die Geschichten der Menschen zu hören. Ich betrachte die Menschen nicht anders als früher. Davor hatte ich Angst“, sagt sie. „Afghanen, Pakistaner, Deutsche: Man definiert sie nicht durch die Verrückten unter ihnen, sondern durch die Masse. Afghanen sind wirklich wundervolle Leute. Pakistaner und Deutsche sind es. Ich werde keiner verrückten Person erlauben, eine Nation zu definieren. Und Anja ist die ganze Zeit präsent. Ich vermisse sie schrecklich.“

Gannon zeigt auf ein Porträt. Der Taliban-Kämpfer wollte nicht zu erkennen sein, erzählt sie, er legt ein weißes Tuch um, ein Auge ist sichtbar. „Als Anja dieses Bild machte, scherzte sie mit ihm. Und er mit ihr. Sie fotografierte ihn als Person, nicht als Taliban. Sie nahm ihn als Mensch wahr.“ Kriegsfotografin, den Ausdruck habe Niedringhaus gehasst, sagt auch Gannon. „Ich bin so dankbar, dass ich in Afghanistan sein konnte. Wenn Menschen sich einem öffnen, ihre Geschichten erzählen, das ist ein großes Privileg!“

Ausstellung und Katalog

Bis 30. Juni: Käthe-Kollwitz-Museum Köln. Katalog. Hg. Hannelore Fischer, Beiträge von Sonya und Yury Winterberg, Minka Nijhuis u. a. Wienand Verlag, Köln 2019, ­144 Seiten, 111 farbige Abbildungen, 22 bzw. 24,80 Euro

Neben ikonischen Aufnahmen von Anja Niedringhaus sind in Köln auch die Fotografien afghanischer Soldaten zu sehen, die noch auf den Chips ihrer Kameras waren am 4. April 2014. Interessiert schauen die Afghanen in die Linse. Im Kontext der künstlerischen Antikriegsarbeit von Käthe Kollwitz präsentiert, ist diese Ausstellung ein doppelter Gewinn.

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