piwik no script img

Ausstellung von Meduza in BerlinNein zum Nihilismus

Das russische Exilmedium Meduza gibt in einer Ausstellung im Kunstraum Kreuzberg kremlkritischen Stimmen und internationalen Künst­le­r:in­nen Raum.

Fotograf Alexander Gronsky dokumentiert den Alltag in Russland, hier eine Szene in Moskau. Aus der Serie „Moscow 2022–“ Foto: Alexander Gronsky

„No.“ heißt die Kunst- und Journalismusausstellung des russischen Exilmediums Meduza, die am 25. April im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien eröffnete. Sie versteht sich als kreatives Statement des Widerstands – denn in Putins Russland ist es gefährlich geworden, Nein zum Krieg, Nein zur Diktatur, Nein zur Zensur und Propaganda zu sagen. Schon ein Post in den sozialen Medien oder eine kleine Spende an eine ukrainische Organisation kann heutzutage Gefängnis und mitunter Tod bedeuten.

Meduza sagt dennoch schon seit mittlerweile über zehn Jahren „Nein“. 2014 gründeten Journalist:innen, die Russland infolge der sich mit dem Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine immer weiter verschärfenden Zensur verlassen hatten, in Riga das Exilmedium Meduza. Aufgrund einer technischen Trickserei ist die Meduza-Nachrichten-App in Russland sogar ohne VPN zugänglich. Eine internationale Leserschaft versucht man mit Inhalten zu Russland in englischer Sprache zu erreichen.

Nun kuratierte das Team von Meduza eine Ausstellung im Herzen Berlins, mit Werken russischer und internationaler Künst­le­r:in­nen und Zeitzeug:innen-Videos. So kommt in dem mit „War“ betitelten Raum die Journalistin Elena Kostyuchenko zu Wort, die nach Beginn der Großinvasion in die Ukraine reiste, um von dort über das Kriegsgeschehen zu berichten. Andere tun es weiterhin von Russland aus. „Viele Menschen arbeiten derzeit aus Sicherheitsgründen anonym für Meduza“, erklärt der Chefredakteur Ivan Kolpakov der taz. Im Bereich „War“ ist auch die Videoarbeit „Feeling Defensive“ der in Berlin lebenden finnischen Künstlerin Pilvi Takala zu sehen, die hierfür an einem Militärtraining für Zi­vi­lis­t:in­nen in ihrem Heimatland teilnahm und die so selbst durchlebte Militarisierung reflektiert.

Z-Kriegssymbolik, Putin- und Stalinbildnisse

Die Ausstellung

„No! The Exhibition“. Kunstraum Kreuzberg, Berlin, bis 6. Juli

Besonders eindrücklich sind die Aufnahmen des Fotografen Alexander Gronsky, der immer noch in Moskau lebt und trotz der möglichen Konsequenzen seinen echten Namen nicht verbirgt. Er dokumentiert in seiner Fotoserie, wie Propaganda in die urbane Landschaft eindringt. In seinen Fotografien mischen sich Z-Kriegssymbolik, Putin- und Stalinbildnisse und absurde Parolen mit der grauen, wuchtigen Architektur Moskaus – es bedarf keines weiteren Kommentars, um die Botschaft zu verstehen. Kolpakov sagt, der Fotograf sehe sich als „letzte Person im Laden“, der dann irgendwann das Licht ausschaltet.

Bei der Vernissage herrscht reger Andrang, einige prominente Persönlichkeiten wie etwa der Oppositionspolitiker Ilja Jaschin sind unter den Besucher:innen. Mit dem beim Gefangenenaustausch im vergangenen Sommer aus russischer Haft freigekommenen Jaschin werden Selfies geschossen.

Wer sich nicht daran hält, wird gecancelt

Als einzige ukrainische Stimme ist die Schriftstellerin Zhenia Berezhna aus Kyjiw präsent, die vor dem russischen Angriffskrieg nach Deutschland flüchtete. Im vergangenen Herbst erschien im von Meduza gegründeten Verlag ihr Roman, „(Nicht) Über den Krieg“. Dafür, dass sie weiterhin auf Russisch schreibe, kassiere sie viel Hass. Dass sie bei einer Ausstellung von aus Russland stammenden Personen teilnimmt, dürfte weiteren schüren. Denn es ist ein ungeschriebenes Gesetz für ukrainische Personen des öffentlichen Lebens, dass man nicht gemeinsam mit Rus­s:in­nen auftritt – selbst wenn sich diese gegen den Kreml positionieren. Wer sich nicht daran hält, wird gecancelt.

Begründet wird diese harte Linie oft damit, dass auch die Opposition sich nicht kritisch genug mit dem russischen Imperialismus auseinandersetze, oder die Ukraine nicht entschlossen genug unterstütze. Russische Oppositionelle würden zu viel Raum beanspruchen und ihn so den Ukrai­ne­r:in­nen wegnehmen. Zugleich straft man die russische Opposition mit Verachtung, wenn sie sich zurückhält und schweigt. Eigentlich kann sie also nichts richtig machen. Dass es keine „guten Russen“ gebe, ist freilich eine unfaire und plumpe Aussage, aber im Krieg, in dem täglich Zi­vi­lis­t:in­nen zur Zielscheibe werden, ist Hass nachvollziehbar.

Ein bitterer Beigeschmack bleibt

Teils ist er auch der mangelnden Sensibilität auf russischer Seite geschuldet. So ging eine PR-Kampagne von Meduza, die das Medium kürzlich in Kooperation mit der Berliner PR-Agentur Lure startete, reichlich schief. In eine, Anfang 2025 in Berlin, Paris und London ausgestrahlten Werbeclip war das entsetzte Gesicht von Yaroslav Bazylevych zu sehen, der bei einem russischen Luftangriff in Lwiw am 4. September 2024 seine gesamte Familie verloren hatte. Ukrai­ne­r:in­nen waren schockiert, sprachen von einer Instrumentalisierung ihres Leids.

Schließlich stoppte Meduza die Kampagne, es folgte eine halbherzige Entschuldigung – man habe sich an alle Gesetze gehalten. Ein bitterer Beigeschmack bleibt. Kritisiert wird Meduza auch dafür, Aussagen russischer Pol­ti­ke­r:in­nen zu neutral wiederzugeben, nicht deutlich genug als Lügen zu markieren, und so falsche Narrative zu reproduzieren.

Die Ausstellung „No.“ ist nicht zuletzt auch als Werbeprojekt zu begreifen, an Automaten können Spenden für Meduza entrichtet werden. Einen Besuch ist sie vor allem aufgrund der zu Wort kommenden Journalist:innen, aber auch wegen der teilweise interessanten künstlerischen Arbeiten wert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!