Ausstellung von David Hockney: Flucht in die Landschaft
Zwischen den Alten Meistern in der Gemäldegalerie sind jetzt David Hockneys Landschaften zu sehen. Es ist eine feine, aufschlussreiche Konfrontation.
Ist es nicht Eskapismus, in diesen krisengeschüttelten, sich tagesaktuell überschlagenden Zeiten einen Nachmittag vor Landschaftsmalerei zu verbringen? Und ist es nicht unzeitgemäß, ein rein männliches Allstar-Personal der Kunstgeschichte miteinander „in einen Dialog treten“ zu lassen – der eine bald stolze 85 Jahre alt, die anderen längst verschieden? Wie man sich diese Fragen auch beantwortet, man sollte sie an der Erfahrung messen statt am Vorurteil.
In der Sonderausstellung „David Hockney – Landschaften im Dialog“, die nun in der Berliner Gemäldegalerie zu sehen ist, wird man zwar genau damit konfrontiert, erfährt aber auf niedrigeren Frequenzen auch viel über unseren Blick auf die Welt, insbesondere auf die Natur.
Hockney, der sich in steter markt- und produktionsmäßiger Hochkonjunktur befindet – zwischenzeitlich war er gemessen an „Portrait of an Artist (Pool with Two Figures)“ der teuerste lebende Künstler, geschaffen hat er mehr als 2.000 Gemälde –, beschäftigt sich nun schon lange mit den klassischsten der profanen Sujets in der Malerei. Der in seinem früheren Werk deutlich wilder experimentierende Brite fühlt sich etwa seit der Jahrtausendwende vor allem zu Stillleben, häuslichen Szenen und eben Landschaftsmalerei hingezogen.
„David Hockney – Landschaften im Dialog“. Die vier Jahreszeiten von David Hockney zu Gast in Berlin,Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin, bis 10. 7. 2022
In der Gemäldegalerie stehen vier kolossale Jahreszeitenporträts anhand von drei Yorkshirer Bäumen im Mittelpunkt. „Three Trees near Thrixendale“ sind nicht nur eine nette Alliteration, sondern auch malerisches Objekt des 2007 und 2008 in seiner Heimat arbeitenden Hockney. Vier mal drei Baumdarstellungen: Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Die wiederum bestehen je aus acht Leinwänden. So entspinnt Hockney hinter den gestenreichen, ineinander verwobenen Vegetationen eine eigene Arithmetik, die vor allem aus der Ferne wirkt.
Die Ausstellungskooperation zwischen den Staatlichen Museen zu Berlin und der Sammlung Würth will zeigen, dass er mit seinen Landschaften auf den Schultern kunsthistorischer Ahnen steht. Mit einem Bein ist er dabei in den nördlichen Niederlanden bei Rembrandt, Jacob van Ruisdael, Philips Koninck, mit dem anderen im etwas späteren Barbizon, aber auch und vor allem bei Vincent van Gogh. Die bedeutende Kunstsammlung des Schraubenimperiums von Reinhold Würth ist Leihgeber der vier zentralen Hockney-Bilder, die Staatlichen Museen zu Berlin mengen die Alten Meister bei.
Zwischen der Landschaftsmalerei der vorangegangenen Jahrhunderte und den „Three Trees near Thrixendale“ liegt aber mehr als ein beliebiges Säkulum: Dazwischen fand die Moderne statt, inklusive Erfindung der Fotografie, dem Tod der Gegenstände im Kubismus und der Abstraktion, dem Tod des Exponats im Urinal. Bei Hockney darf die Malerei längst als solche sichtbar sein, darf sich selbst als Leinwand und Farbauftrag verraten. Naturalistische und stimmungsvolle Malermeisterlichkeit ist längst Ausdruck, Geste und Serialität gewichen.
Vielleicht ist das der Grund, warum auch Hockney schon zur Zeit der Gemälde befindet, Landschaftsmalerei gelte als „something you couldn’t do today“. Sind es aber die Landschaften, die langweilig geworden sind? Nein, gibt er sich selbst zur Antwort: Ihre künstlerischen Darstellungen seien langweilig geworden. Man könne von der Natur nicht gelangweilt sein, wo es endlos viele Motive gäbe. Und das hätte auch van Gogh gewusst, von dem er sehr inspiriert sei.
Mit diesen Vorsätzen migrierte der Maler in den Nullerjahren wieder zurück in seine Heimat Bridlington in Yorkshire, nachdem er in Los Angeles mit Swimmingpool-Bildern berühmt geworden war. Zunächst auch viel en plein air unterwegs, begab er sich bewusst mit zeitgenössischen Mitteln auf die Spuren der vorangegangenen Kunstepochen.
2009 besuchte ihn dabei auch der Sammler Rudolph Würth, der von den im Atelier entstandenen „Trees“ begeistert ist, von ihrer „Lebendigkeit, Unmittelbarkeit und Leuchtkraft“, wie Würth-Sammlungsdirektorin C. Sylvia Weber bezeugt. Schon damals berät er mit ihm eine monografische Landschaftsausstellung in Deutschland, die schließlich „David Hockney. Nur Natur“ heißen und in der unternehmenseigenen Kunsthalle in Schwäbisch Hall gezeigt werden sollte.
In der Gemäldegalerie ist neu, dass Besucherinnen und Besucher der Landschaft chronologisch bei ihrer Emanzipation zusehen können. Während sie etwa bei Geertgen tot Sint Jans’ Darstellung von Johannes dem Täufer noch Rahmenwerk für theologische Szenen ist, wird sie nach und nach eine eigene Disziplin. Bis sie bei Hockney schließlich über die Leinwand wuchern darf und die Farben wild blühen. Was hier sichtbar wird, ist eine Nachschärfung des malerischen Blicks.
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