piwik no script img

Ausstellung im Capa-Haus LeipzigIn der Normandie landen, in Leipzig befreien

Das Capa-Haus in Leipzig zeigt in seiner hybriden Ausstellung „Wege der Befreiung“ wie vor 80 Jahren US-Truppen dort den Zweiten Weltkrieg beendeten.

Ein US-Soldat steht im Inneren des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig Foto: Getty Images

Ein junger Mann liegt verrenkt auf dem Boden, halb draußen auf dem Balkon, halb in der Wohnung. Neben seinem Kopf sammelt sich eine Blutlache auf dem Parkett. Raymond J. Bowman, ein 21-jähriger amerikanischer Soldat, wurde im April 1945 in Leipzig von einem deutschen Scharfschützen tödlich getroffen. Zwei Wochen später endete der Zweite Weltkrieg.

Kriegsfotograf Robert Capa hielt Bowmans Tod auf einem Foto fest, das später unter dem Titel „Last Man to Die“ berühmt werden sollte. Im Auftrag der US-Armee dokumentierte er die letzten Wochen der Kämpfe der Alliierten in Leipzig.

Das Haus, in dem Bowman starb, ist heute der Erinnerungsort Capa-Haus, er ist dem Fotografen und seiner Partnerin, der Antifaschistin und Pionierin der Kriegsfotografie Gerda Taro, gewidmet. Dort ist nun eine Sonderausstellung zu sehen, wie es 1945 in Deutschland zum Kriegsende kam.

US-Armee befreite Leipzig

Aufgrund der DDR-Geschichte Mitteldeutschlands ist es vornehmlich mit der Roten Armee assoziiert. Wenig deutet heute noch darauf hin, dass weite Teile des Gebiets, darunter Leipzig, Halle und Magdeburg, vor 80 Jahren von der US-Armee befreit wurden. Das vom Capa-Haus initiierte Projekt „Wege der Befreiung: Vom D-Day bis zum Elbe-Day“ widmet sich diesem verschütteten Teil der ostdeutschen Geschichte.

Im Zentrum steht eine digitale interaktive Karte, die den Weg der US-Armee von der Landung in der Normandie bis nach Mitteldeutschland nachzeichnet. Die Ausstellung im Capa-Haus ist rund um diese Karte aufgebaut, im wörtlichen Sinne: Auf engem Raum sind zehn Ausstellungswände um einen hüfthoch installierten Touchscreen mit der Karte gruppiert.

Die Ausstellung

„Wege der Befreiung: Vom D-Day zum Elbe-Day“: Capa-Haus Leipzig, bis 31. Juli und unter https://wege-der-befreiung.org

Die Karte erschließt sich über Navigationssymbole intuitiv, etwa das für die beteiligten Divisionen oder das für die Meilensteine auf dem Weg der Truppen Richtung Mitteldeutschland. Bei Remagen, um ein Beispiel zu nennen, war im März 1945 die deutsche Sprengung einer Rheinbrücke gescheitert, die US-Armee konnte nur deswegen so leicht den Rhein überqueren und ins Ruhrgebiet vordringen.

Machtübernahme mit oder ohne Widerstand?

Die Geschichte vom Ende des Zweiten Weltkriegs in der Region wird auf der Karte sichtbar. Für 90 Orte informiert sie über den Ablauf des Tags der Befreiung. War die Machtübernahme friedlich oder von Kämpfen begleitet, wie in Eisenach, wo Generaloberst Kesselring von der Wehrmacht Widerstand anordnete und verheerende Luftangriffe provozierte?

Das letzte Element der Karte ist der Elbe-Day am 25. April 1945. Hier erreichen US-Truppen das circa 50 Kilometer von Leipzig entfernte Torgau an der Elbe. Auf der anderen Seite des Flusses befand sich bereits die Rote Armee. Auf einer zerstörten Brücke wurden die Frontlinien symbolträchtig durch Handschlag geschlossen.

Die interaktive, online zugängliche und auch für Bildungszwecke freigegebene Karte konzentriert sich auf die Geschichte der US-Armee als Befreierin Mitteldeutschlands. Um auch auf die Perspektive derer hinzuweisen, für die eine Befreiung zu spät kam, sind auf der Karte über 30 Gedenkorte und Museen verzeichnet, die sich mit der regionalen Geschichte des Nationalsozialismus befassen und an die Opfer erinnern.

Von der Normandie nach Leipzig auf Instagram

Für ein nicht so museumsaffines, jüngeres Publikum reisten zwei Content-Creators vergangene Woche auf den Spuren der US-Armee von der Normandie bis nach Leipzig und dokumentierten den Trip auf Instagram.

Das Capa-Haus zeigt jetzt hauptsächlich Bilder und Texte, die auch auf der Karte zu finden sind. Es lohnt allerdings trotzdem, sich die detailreichen ­Aufnahmen in der Ausstellung anzuschauen. Erst auf dem großformatigen Abzug etwa erkennt man, dass auch Frauen in der US-Armee an der Befreiung Mitteldeutschlands beteiligt waren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!