Ausstellung „Trans* in der Arbeitswelt“: „Meine Kinder sagen ‚Mutti‘ “

„Trans* in der Arbeitswelt“ zeigt die Protagonisten als selbstverständlichen Teil ihres beruflichen Umfelds. Die Fotos sind ab heute im Parlament zu sehen.

Bild aus der Ausstellung

Ein Foto aus der Ausstellung „Trans* in der Arbeitswelt“: Carlo Sauerbrei auf seiner Arbeit. Foto: Anja Weber

taz: Carlo Sauerbrei, Sie haben sich für die Fotoserie „Trans* in der Arbeitswelt“ von Anja Weber porträtieren lassen. Was ist das für ein Gefühl, trans* in der Arbeitswelt zu sein?

Carlo Sauerbrei: Ich werde eigentlich selten damit konfrontiert. Für mich ist das alles schon so lange her, dass ich durch dieses Projekt eher daran erinnert wurde. Wenn ich mit Schwangeren oder Müttern in Elternzeit zu tun habe, wird es interessant. Da ich drei Kinder zur Welt gebracht habe, kann ich da natürlich mitreden. Die Frauen sind dann erstaunt, weil ich wie ein Mann aussehe. Die meisten überhören es aber.

Und die, die es nicht überhören?

Die sagen: „Ach, woher wollen Sie das denn wissen?! Sie meinen bestimmt Elternzeit. Gab’s das damals schon?“ (lacht) Immer wieder spannend, wie die Leute am Ende reagieren.

„Mit Gesetzesänderungen kommt man im Trans*-Bereich nicht weiter“

Sie sagen, das sei schon lange her. Wie lief Ihr Coming-out im Job ab?

Das muss im Januar 2002 gewesen sein. Etwa acht Monate vorher hatte ich meine erste Testspritze bekommen. Bei einer Personalversammlung habe ich drei Sätze gesagt – das war’s. Kollegen haben mir zur Seite gestanden; wer gefragt hat, bekam Antworten. Unterstützung kam vom Personalrat, zu dem auch ich gehöre – ein unschätzbarer Wert. Visitenkarten und das E-Mail-Konto wurden geändert.

Sie hießen Carla.

Auch. Jeder kann den Namen verwenden, den er gewöhnt ist. Meiner Mutter fällt es zum Beispiel schwer, mich Carlo zu nennen. Ich bin eben die Tochter meiner Eltern – und dabei bleibt es auch. Vor Dritten reden sie von mir als „ihrem zweiten Kind“, um nicht „er“ oder „sie“ zu sagen. Meine eigenen Kinder sagen „Mutti“. Ich hatte ja nie ein Problem mit meinem Namen, sondern mit meinem Körper. Schon als Kind hatte ich ein zweites Ich, ich war auch ein Junge.

Inwiefern ist es für das Land Berlin ein Problem, wenn aus einer Beamtin plötzlich ein Beamter wird?

Dieses Problem gab es bei mir nicht, das gibt es nur bei einer Personenstandsänderung. Doch den Antrag darauf habe ich nicht gestellt: Ich hatte nie das Bedürfnis dazu. Ich war zu geizig, 2.000 Euro dafür zu zahlen – ich brauchte mein Geld weiß Gott für meine Kinder. Dann der Aufwand, Papiere und Zeugnisse aus über 40 Jahren neu ausstellen zu lassen. Es würde ja nichts an den Inhalten ändern! Meine Personalakte, mein Konto, mein Personalausweis, das ist alles weiblich.

Wurden Sie als Trans*-Mann je im Job diskriminiert?

Die im Auftrag des Senats entstandene Ausstellung „Trans* in der Arbeitswelt“ zeigt Fotografien von transgeschlechtlichen Menschen an ihrem Arbeitsplatz – in Büros oder Bibliotheken, in einem Seminarraum vor Studierenden und hinter dem Steuer eines Lastwagens. Die Bilder stammen von Anja Weber, die auch für die taz fotografiert. Die als Wanderausstellung konzipierte Schau wird seit dem vergangenen Jahr an verschiedenen Orten Europas gezeigt.

Eröffnet wird die Ausstellung am kommenden Dienstag um 17.30 Uhr in der Wandelhalle des Abgeordnetenhauses. Zur Eröffnung sprechen Parlaments­präsident Ralf Wieland und Dilek Kolat (beide SPD), Bürgermeisterin und Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen. Öffnungszeiten: montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr. Die Ausstellung läuft bis zum 24. November 2015. Am 5. und 6. sowie am 12. und 13. November kann sie nicht besichtigt werden.

Zweimal. Da habe ich mich unheimlich geärgert. Nach meinem Coming-out hat mich ausgerechnet eine Ärztin am Arm aus der Damentoilette gezerrt mit den Worten: „Wer so was macht, hat hier nichts mehr zu suchen!“ Mit einem Kollegen habe ich eine E-Mail formuliert, damit hatte sich die Sache erledigt. Das andere ist die Berliner Ärztekammer, da gibt es Probleme mit meinem Arztausweis.

Die Ausstellung ist im Berliner Abgeordnetenhaus zu sehen, an einem Ort der Politik also. Welche politischen Baustellen sehen Sie im Trans*-Bereich?

Ich habe den Eindruck, dass man mit Gesetzes- oder Verordnungsänderungen nicht weiterkommt. Als das Transsexuel­len­gesetz 1980 verabschiedet wurde, war das ein großer Wurf. Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht die meisten Passagen kassiert. Ich finde es überflüssig. Viel mehr geht im Umgang mit Menschen über Offenheit, über einfaches Fragen und Bitten. Ich sage einfach, wie es ist: Ich bin transsexuell.

Kommt Ihnen dieser Satz leicht über die Lippen?

Ja, mit den Jahren. Und wenn hinter mir keine Schlange steht. Bei einem Postident-Verfahren – bei man sich in einer Postfiliale mit dem Ausweis identifiziert – bricht mir schon mal der Schweiß aus, vor allem wenn hinter dem Schalter noch zwei ältere Damen stehen und überlegen: Ist er es jetzt oder ist er es nicht?

Die Ausstellung war seit ihrer Eröffnung im Juni 2014 an vielen Orten im In- und Ausland zu sehen. Welches Feedback haben Sie von Besucher_innen und Kolleg_innen bekommen?

Kein besonderes – es sei denn, ich war mal da. Es steht ja keine Adresse unter dem Bild, so dass die Leute mir schreiben können. Nur wenn sie jemand gesehen hat, der mich kennt, kommt ein „Mensch, ich hab dich neulich da hängen sehen“. Diejenigen wissen also ohnehin Bescheid. Ich finde es interessant, dass, wenn man nur die Bilder sehen würde und nicht den Ausstellungstitel, man nicht wissen würde, dass es um Trans* geht.

Genau, Anja Weber hat erstaunlich nüchterne Aufnahmen gemacht, gerade so, als wolle sie zeigen, wie banal es sein kann, trans* im Job zu sein. Sie selbst stehen zwischen Büchern und Akten in einem kargen Büro. Wie finden Sie diesen Ansatz?

Als ich das Foto zum ersten Mal sah, habe ich mich gefragt, wie die Fotografin es geschafft hat, das Weibliche, das ich auch noch in mir habe, in dieses Foto zu bekommen, ohne dass es vordergründig ist. Das hat mir ausnehmend gut gefallen.

Woran machen Sie dieses Weibliche fest?

So eine gewisse Weichheit im Gesicht, ein mitfühlender Ausdruck. Leute, die mich nicht kennen, stecken mich deshalb ja oft in die schwule Kiste.

Dazu das fliederfarbene Hemd.

Das war Zufall, ich hätte auch Schwarz tragen können. Bei meiner Größe habe ich immer Schwierigkeiten, passende Hemden zu finden. Hier passt es wie angegossen.

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