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Aussetzung des EU-StabilitätspaktsEnde der deutschen Regeln

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Die EU hat den Stabilitätspakt ausgesetzt – bis das Virus besiegt ist. Eine gute Gelegenheit, das wirkungslose Instrument ganz abzuschaffen.

Anstoss freigegeben Foto: tmeks/getty

E ndlich mal eine gute Nachricht: Die Europäische Union hat den Stabilitätspakt für den Euro ausgesetzt. Damit fallen die strikten Budgetregeln, die Italien, Spanien und andere Krisenländer am Geldausgeben gehindert haben. Ab jetzt können sich die Eurostaaten unbegrenzt verschulden, bis das Virus besiegt ist.

Doch Freude will über diese Entscheidung nicht aufkommen. Schließlich kommt diese reichlich spät. Der „dumme deutsche Pakt“, wie ihn der frühere Kommissionspräsident Romano Prodi einmal nannte, hätte schon zu Beginn der Coronakrise ausgesetzt werden müssen. Am besten sollte man ihn nun gleich ganz abschaffen.

Denn für Stabilität haben die Regeln ohnehin nie gesorgt. Griechenland kam in den Euro, obwohl es die Vorgaben von Anfang an nicht erfüllte. Spanien schlitterte in die Krise, obwohl es die Regeln befolgte. Das Problem war dabei nicht die öffentliche Verschuldung, die die EU begrenzt, sondern die private Überschuldung – bei den Banken.

Trotz aller offensichtlichen Unzulänglichkeiten haben die EU-PolitikerInnen den Pakt in der Eurokrise immer weiter ausgebaut. Er wurde im Lauf der Jahre zu einem bürokratischen Monstrum, das niemand mehr versteht – nicht einmal die ÖkonomInnen. Diese haben von Anfang an am Sinn der Drei-Prozent-Grenze für das Budgetdefizit gezweifelt und immer wieder Reformen gefordert.

Deutschland hält eisern an den Regeln fest

Doch Deutschland, zugleich politischer Motor und ökonomischer Hauptprofiteur, hielt eisern an „seinen“ Regeln fest. Das führte zu massiven wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen, vor allem in Griechenland und Italien. Aber auch andere Länder blieben nicht verschont, wenn die EU-Kommission im Namen des Stabilitätspakts Kürzungen im Gesundheitssektor und die Privatisierung von Krankenhäusern forderte.

Nicht weniger als 63 Mal hat Brüssel solche Empfehlungen in den letzten Jahren ausgesprochen – immer im Namen des Stabilitätspakts und der neoliberalen Ideologie, die auch im Dogma der „Wettbewerbsfähigkeit“ verankert ist. Selbst jetzt noch verspricht die EU, den Stabilitätspakt hochzuhalten – für die Zeit nach der Krise.

Dabei werden die deutschen Regeln danach noch absurder wirken. Denn die Verschuldung wird überall weit über den EU-Grenzen liegen, auch in Deutschland, das gerade Staatsschulden in Höhe von gut 156 Milliarden Euro aufgenommen hat.

Der Stabilitätspakt ist tot – man darf es nur noch nicht laut sagen.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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3 Kommentare

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  • Wer den Stabilitätspakt abschaffen will soll auch sagen durch was er ersetzt werden soll.

    Was sicher nicht funktioniert: null Regeln, jeder macht Schulden bis er keinen Kredit mehr bekommt und erwartet dann dass die Nachbarn für ihn bürgen. (Worauf die natürlich keine Lust haben.)

    Also durch was soll der Stabilitätspakt ersetzt werden?

  • Ohne Budgetregeln oder auch Stabilitätspakt wäre Europa m.E. schon heute zu Lasten der Menschen abgewirtschaftet auf dem Weg zur Selbstaufgabe.



    Die Regeln sind nicht beliebt, weil sie sinnlos wären, sondern weil es kurzfristig bequemer ist sie zu ignorieren.

  • Erklärt man den Stabilitätspakt für Tot darf man sich hinterher über noch stärkere Spreads nicht beschweren.

    Da die Kreditwürdigkeit eines Landes und die damit einhergehenden Risikoaufschläge stets vom Verschuldungsgrad und der Fähigkeit zur Schuldentilgung abhängen werden wir uns in Zukunft wohl an ganz andere Spreads gewöhnen müssen.

    Es ist zwar schön und gut jetzt Schulden aufzunehmen nur wird sich in zehn Jahren niemand mehr so richtig an Corona erinnern wollen, während die Zahlen auf der Passivseite unverändert hoch sein werden.