Aussage über Ex-Präsident Taylor: Campbell bestätigt Diamantengeschenk
Ein vor Jahren an Naomi Campbell verschenkter Blutdiamant sollte die Anklage gegen Liberias damaligen Präsidenten stützen. Doch Campbells Aussage hilft nicht weiter.
DEN HAAG taz/dpa | Das britische Topmodel Naomi Campbell hat ein Diamantengeschenk bestätigt, jedoch keine direkt belastende Aussage über den angeklagten Ex-Präsidenten Charles Taylor gemacht. Vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal für Sierra Leone bei Den Haag räumte Campbell am Donnerstag ein, im September 1997 in Südafrika mehrere Rohdiamanten geschenkt bekommen zu haben. Sie könne aber nicht sagen, ob ihr tatsächlich Liberias damaliger Präsident Taylor diese "schmutzig aussehenden Steine" in ihr Zimmer geschickt habe.
Die Aussage des Models sollte den Anklägern eigentlich als Beweis für Charles Taylors Besitz von Blutdiamanten zum Zeitpunkt vor 13 Jahren dienen.
Dass Campbells Auftritt der mediale Höhepunkt des derzeit höchstrangigen Kriegsverbrecherprozesses der Welt sein soll, ist bezeichnend für den Zustand der internationalen Justiz. Eigentlich müssten die Prozesse um die Verantwortung für zehntausende Tote längst beendet sein. Sämtliche sierra-leonischen Verantwortlichen sitzen längst hinter Gittern, sofern sie noch leben.
Der Kriegsverbrecher: Charles Taylor begann Ende 1989 als Führer der Guerillabewegung NPF (Nationale Patriotische Front) von der Elfenbeinküste aus mit Unterstützung Libyens den bewaffneten Kampf in Liberia. Eine westafrikanische Militärintervention verhinderte, dass er die Macht ergriff, Liberia versank im Krieg. 1997 gewann Taylor freie Wahlen. 2003 wurde er zum Rücktritt gedrängt, als seine bewaffneten Gegner kurz vor seinem Sturz standen, und ging ins Exil in Nigeria. Das lieferte ihn 2006 an das Kriegsverbrechertribunal für Sierra Leone aus.
Der Krieg: Der Krieg in Sierra Leone begann 1991, als die Guerillabewegung RUF (Revolutionäre Vereinigte Front), geleitet von sierra-leonischen Freunden Charles Taylors, zu den Waffen griff. Weil Sierra Leones Armee in Liberia gegen Taylors NPF kämpfte, half Taylor der RUF. Ein blutiger, chaotischer Bürgerkrieg führte 2000 zu einer britischen Militärintervention, der Zerschlagung der RUF und der Wiederherstellung der Demokratie.
Das Tribunal: Im Jahr 2002 richteten die sierra-leonische Regierung und die UN gemeinsam ein Tribunal ein, um jene zu richten, die "die größte Verantwortung" für die Kriegsverbrechen in Sierra Leone seit dem 30. November 1996 tragen. 13 Anklagen wurden erhoben; zwei Angeklagte starben, einer ist unauffindbar. Die Prozesse fanden von 2004 bis 2009 in Sierra Leone statt und endeten mit einem Freispruch und acht Verurteilungen. Verurteilt wurden u. a. die wichtigsten Führer aller Bürgerkriegsarmeen Sierra Leones. Der einzige noch laufende Prozess ist der gegen Taylor, der aus Sicherheitsgründen nicht in Sierra Leone stattfindet, sondern in Den Haag in den Niederlanden. Er wurde 2007 eröffnet und steht kurz vor dem Abschluss. (D.J.)
Dass Liberias ehemaliger Präsident Charles Taylor nun seit drei Jahren als letzter Angeklagter auch vor diesem Gericht steht, wird immer absurder. Ein smoking gun, das zweifelsfrei die von der Anklage vorgeworfene Tat beweist, ist bisher nicht aufgetaucht; der Verdacht, dass Taylor zwischen 1997 und 2003 als Präsident Liberias die RUF-Rebellen im benachbarten Sierra Leone faktisch führte, mit Waffen im Austausch für Diamanten ausrüstete und also haftbar ist für ihre Kriegsverbrechen, ist nicht bewiesen. Die wichtigsten Täter sind tot, verschwunden, inhaftiert, amnestiert oder unerreichbar.
Essen bei Nelson Mandela
Konkret geht es im Fall Naomi Campbell um ein Essen am oder um das Wochenende des 21. September 1997 im Haus von Nelson Mandela in Kapstadt. Zu den Gästen zählten neben Campbell die Schauspielerin Mia Farrow, der Musikproduzent Quincy Jones und eben Charles Taylor.
Der damals 49-jährige Taylor, ein durchaus luxusverwöhnter Dandy, war von Campbell, damals 27, derart angetan, dass er ihr im Verlauf des Abends ein Geschenk machte, erinnerte sich ein Zeuge zwölf Jahre später. Mia Farrow, von der Anklage des Tribunals befragt, machte dazu folgende schriftliche Aussage: "Am nächsten Morgen, als wir, die anderen Gäste, meine Kinder und ich, uns zum Frühstück trafen, war Naomi Campbell da und hatte eine unvergessliche Geschichte. Sie sagte uns, sie sei mitten in der Nacht durch Klopfen an ihrer Tür geweckt worden. Sie öffnete die Tür und fand zwei oder drei Männer, ich weiß nicht mehr wie viele, die ihr einen großen Diamanten überreichten und sagten, er sei von Charles Taylor."
Campbell dagegen sagte vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal am heutigen Donnerstag, sie habe nicht gewusst von wem die Diamanten seien. "Es war spät und ich war müde", antwortete die 40-Jährige auf die Frage von Staatsanwältin Brenda Hollis, warum sie zwei Boten nicht gefragt habe, woher das Geschenk komme.
Campbell will das Paket erst am nächsten Morgen geöffnet haben. Beim Frühstück hätten die US-Schauspielerin Mia Farrow und ihre damalige PR-Agentin Carol White ihr dann gesagt, dass es sich bei den Steinen um ungeschliffene Diamanten handele, die ihr "wahrscheinlich" Taylor geschickt habe. Sie selbst wisse dies aber nicht.
Die Rohdiamanten habe sie noch am selben Morgen an den damaligen Chef eines Kinderhilfswerks gegeben, das Südafrikas Präsident Nelson Mandela eingerichtet hatte, gab Campbell unter Eid zu Protokoll. Zu ihrem Erstaunen habe dieser ihr vor einem Jahr gesagt, dass er immer noch im Besitz der Edelsteine sei.
Was aber hat dieser Vorfall mit Kriegsverbrechen in Sierra Leone zu tun? Die Anklage erklärte das im Januar so: Mia Farrows Aussage widerlege Taylors Aussage, "dass er jemals Diamanten besaß, als er in der NPF war oder Präsident Liberias war. Sie ist auch schuldrelevant, vor allem wegen des Zeitpunkts des Diamantengeschenk an Naomi Campbell." Denn Taylor reiste von Südafrika weiter nach Libyen und Burkina Faso.
Im Oktober wurden aus Burkina Faso Waffen an die RUF geliefert, die "Magburaka-Lieferung", bezahlt mit nach Liberia geschafften Diamanten aus Sierra Leone, "zumindest teilweise", so die Anklage. Wenn Naomi Campbell von Taylor einen Diamanten erhielt, sei erwiesen, dass er über Diamanten verfügte.
Gewählter Präsident
Was aber war der September 1997 für ein Zeitpunkt? Taylor war zwei Monate vorher demokratisch zum Präsidenten Liberias gewählt worden, Afrika feierte das Ende eines siebenjährigen Krieges, der 150.000 Tote hinterließ. Geltende internationale Sanktionen gegen Liberia wurden aufgehoben, die UNO bereitete eine Geberkonferenz vor. Taylor reiste durch die Welt und sammelte Gelder für den Wiederaufbau seines zerstörten Landes. Nelson Mandela empfing ihn mit offenen Armen. Nach Südafrika fuhr Taylor, wie es damals offiziell hieß, zur "medizinischen Behandlung", aus Libyen brachte er Millionenhilfen zurück, teils in bar.
In Sierra Leone war die von Taylor unterstützte RUF damals gar keine Rebellenarmee, sondern Teil einer Militärjunta, die sich im Februar 1997 an die Macht geputscht hatte. Juntachef Johnny Paul Koroma und Charles Taylor waren Kriegsverbündete, beide wurden von anderen Ländern Westafrikas als Usurpatoren geächtet. Es wäre also nicht verwunderlich, wenn sie miteinander Geschäfte machten. Aber wieso sollte Sierra Leones Junta Charles Taylor Diamanten nach Südafrika mitgeben, damit er sie zu Geld macht, mit dem er in Libyen Waffen kauft, die er dann aus Burkina Faso nach Sierra Leone fliegen lässt? Sie konnte ihre Waffen auch selbst kaufen.
Aussage gegen Aussage
In den vergangenen Wochen hat der frühere RUF-Führer Issa Sesay das Konstrukt der Anklage ziemlich demoliert. Taylor habe mit der Waffenlieferung von Magburaka nichts zu tun, sagte er aus. Libyens Revolutionsführer Gaddafi habe dem damaligen RUF-Chef Foday Sankoh zwei Millionen Dollar gegeben. Sankoh, damals in Nigeria in einer eher locker gehandhabten Haft, habe seine Generäle daraufhin angewiesen, nach Burkina Faso zu reisen und dort bei einem General Diendéré die Waffen abzuholen. Sierra Leones Juntachef habe den Flug bezahlt.
Bereits vom gleichen Tribunal zu 52 Jahren Haft verurteilt, die er in Ruanda absitzt, kann Sesay nichts damit gewinnen, Taylor zu entlasten. Am Schluss wird Aussage gegen Aussage stehen.
Staatsanwältin Hollis hoffte nach eigenen Angaben, mit der Aussage des Topmodels belegen zu können, dass Taylor über sogenannte Blutdiamanten aus dem Bürgerkrieg in Sierra Leone verfügte. Für die Waffenlieferungen soll er mit Rohdiamanten im Wert von Hunderten Millionen Dollar bezahlt worden sein.
Der 62-jährige Angeklagte hat bislang stets erklärt, er sei unschuldig und habe niemals Diamanten bekommen. Taylor ist in insgesamt elf Fällen angeklagt, direkt mitschuldig zu sein an Massenmorden, Vergewaltigungen, sexueller Versklavung, Folter, Plünderungen und der Zwangsrekrutierung von Kindern als Soldaten. Im Bürgerkrieg von Sierra Leone waren die Opfer vor allem Zivilisten. Taylor droht eine lebenslange Haftstrafe.
Deutlich macht diese Affäre, wie problematisch es ist, Verantwortung für Kriegsverbrechen mittels der Wege von Diamanten nachzuweisen. Es gibt viele Gründe dafür, warum in den neunziger Jahren ein westafrikanisches Land nach dem anderen in den Bürgerkrieg schlitterte, aber Diamanten gehören sicher nicht dazu.
Lange Zeit war Diamantenschmuggel in der Region ein Akt des antikolonialen Widerstandes. Während der Kolonialzeit war für die meisten Afrikaner der Handel mit wertvollen Rohstoffen verboten. Liberia, bis 1957 der einzige unabhängige Staat Westafrikas, war Schmugglerparadies für Rohstoffe, die Bewohner von Nachbarländern nicht legal exportieren durften.
Diese Verbindungen haben sich bis heute gehalten, wie sich der Ruf Liberias als rechtsfreier Raum gehalten hat. Dies bedeutet aber nicht, dass die jeweilige Regierung Liberias den Schmuggel organisiert, davon profitiert, die Verwendung der Erlöse kontrolliert oder gar den Umgang mit davon eventuell erworbenen Waffen.
Internationale Sanktionsmechanismen bauen auf der Annahme auf, dass sich Bürgerkriege in Afrika um Rohstoffe drehen, je edler diese, desto brutaler jene: Konflikte in Afrika werden nur mit Rohstoffeinnahmen am Laufen gehalten; die Krieger müssen aufgeben, wenn niemand mehr von ihnen kauft. Das ist ein Denken wie aus der kolonialen Ära, als selbstständiger afrikanischer Handel mit Rohstoffen als zu unterdrückendes Übel galt.
Ein Präsident schenkt einem Model einen Diamanten? Da sieht man, was für ein Verbrecher er ist!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Donald Trump wählt seine Mannschaft
Das Kabinett des Grauens
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist