Ausrichtung der Zentralbanken: Das Ende der lockeren Geldpolitik
Ein Strategiewechsel der US-Notenbank kann die hiesigen Sparerinnen und Sparer freuen, aber erst in einigen Jahren. Dafür verteuern sich Kredite.
Möglicherweise steigen die Zinsen doch irgendwann wieder – zunächst für Staatsanleihen, später auf Bankkonten. In dem US-Städtchen Jackson Hole könnte die US-Zentralbank Fed dafür an diesem Donnerstag ein Zeichen setzen. In der EU und Deutschland müssen sich die Sparer und Anleger aber wohl noch längere Zeit gedulden, bis die Entwicklung spürbar wird.
In Jackson Hole treffen sich traditionell Vertreterinnen und Vertreter zahlreicher Zentralbanken, die in ihren Ländern für die Geldpolitik zuständig sind – beispielsweise für die Aufkäufe von Staatsanleihen und die Höhe der Leitzinsen. Der diesjährigen Sitzung ging in der vergangenen Woche die Veröffentlichung eines Protokolls der US-Notenbank Fed voraus. Darin hieß es, innerhalb der Zentralbank entwickele sich der Konsens, dass man bald aus der lockeren Geldpolitik aussteigen wolle.
Damit könnte die rund 13-jährige Phase der lockeren Geldpolitik zu Ende gehen. Seit der großen Finanzkrise 2008 kaufen die Zentralbanken vieler Staaten große Mengen Staats- und Unternehmensanleihen auf. Das sind Schuldverschreibungen, mit denen sich Regierungen und Firmen Geld von Kapitalanlegern besorgen. Die Regierungen erhalten auf diese Art große Summen frischen Geldes zu niedrigen Zinsen, um umfangreiche Ausgabenprogramme unter anderem angesichts der Coronakrise zu finanzieren.
Nach Angaben des britischen Magazins Economist haben die reichen Staaten über 20 Billionen Euro (20.000 Milliarden) von ihren Zentralbanken bekommen. Versiegt dieses Füllhorn allmählich, müssen Regierungen wie die deutsche damit rechnen, dass die Anleger höhere Zinsen verlangen, wenn sie dem Staat Geld borgen. Da gegenwärtig auch die Inflation zunimmt – in den USA betrug sie im Juli 5,4 Prozent –, lässt die Fed dem ersten möglicherweise bald den zweiten Schritt folgen: höhere Leitzinsen. Dann würden in der Folge auch die Zinsen der Geschäftsbanken für Kredite an Privathaushalte und Unternehmen zulegen.
Druck auf EZB steigt
Kommt es so, kann man davon ausgehen, dass die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Geldpolitik ebenfalls neu ausrichtet. „Der Druck auf die EZB dürfte zunehmen, ihre Anleihekäufe einzuschränken und den Leitzins anzuheben“, sagt Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Einerseits verteuerten sich damit auch hierzulande Konsumentenkredite. Die Kosten für Hypotheken zum Kauf von Eigentumswohnungen und Bau von Wohnhäusern würden gleichfalls angehoben.
Andererseits hätten aber auch die Sparerinnen und Sparer etwas davon. Augenblicklich erhalten sie keine Guthabenzinsen und müssen zusehen, wie die Inflation den Wert des zurückgelegten Geldes dezimiert. „Mittelfristig verbessern sich die Aussichten, dass die Zinsen beispielsweise für Sparguthaben wieder steigen“, schätzt Kooths. „Auch die Renditen von Lebensversicherungen und Verträgen der privaten Altersvorsorge könnten zunehmen.“
Auswirkungen dauern Jahre
Aller Wahrscheinlichkeit nach wird das aber nicht dieses oder nächstes Jahr passieren. Erst mal müsste die Fed die beiden Schritte wirklich gehen. Dann dauert es, bis die EZB reagiert. Und ein weiterer Zeitverzug tritt ein, bis die Geschäftsbanken die steigenden Zinsen an ihre Kundinnen und Kunden weiterreichen. Stefan Kooths vermutet: „Bis es so weit ist, gehen möglicherweise mehrere Jahre ins Land.“
Auswirkungen wird die geldpolitische Entscheidung auch auf den Aktienmarkt entfalten. Sollte die freigiebige Geldpolitik weitergehen, wäre das eine gute Voraussetzung für künftige starke Wertsteigerungen an den Börsen. Dieser Effekt zeigt sich im Rückblick: Alleine seit Anfang 2019 stieg der US-Index Dow Jones um etwa 40 Prozent. Beim Deutschen Aktienindex ist es noch etwas mehr.
Börsenkurse auch gebremst
Andererseits werden die Börsenkurse etwas gebremst, wenn Fed, EZB und weitere Zentralbanken ihre Ausrichtung ändern. Die Vorzeichen in dieser Hinsicht waren in der vergangenen Woche bereits zu beobachten.
Als sich der Inhalt des Fed-Protokolls herumsprach, sackten Dow Jones und DAX ab. Wegen der bevorstehenden Konferenz in Jackson Hole herrsche eine gewisse Zurückhaltung, sagte Christian Kahler, Leiter der Aktienstrategie der DZ Bank.
Denn wenn die Notenbanken weniger Staatsanleihen kaufen, müssen die Staaten höhere Zinsen bieten, um ihre Papiere loszuwerden. Anleihen können damit attraktiver werden im Vergleich zu Aktien.
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