Ausländerbehörde wird Einwanderungsamt: Weniger Abschiebungen

2019 weniger „Rückführungen“ als alle anderen Jahre unter R2G. Beim neuen Landesamt für Einwanderung ist der Name Programm, sagt der Behördenchef.

In Berlin hatten Ende 2019 von knapp 13.000 Ausreisepflichtigen fast 12.000 eine Duldung Foto: dpa

Die Zahl der Abschiebungen aus Berlin war 2019 mit 1.003 so niedrig wie noch nie in der Ära Rot-Rot-Grün. Im Jahr davor waren 1.182 Menschen abgeschoben worden, 2017 waren es 1.838. Im letzten Regierungsjahr des Vorgängersenats Rot-Schwarz, im „Flüchtlingsjahr“ 2016, waren 2.028 Menschen zwangsweise in ihre Heimat verfrachtet worden*. Die Zahlen des Landesamts für Einwanderung für das gesamte Jahr 2019 liegen der taz exklusiv vor. Das neue Amt, bislang bekannt als Ausländerbehörde, wird am Mittwoch offiziell von Innensenator Andreas Geisel (SPD) eröffnet. Hauptsitz ist weiterhin das sechsstöckige Gebäude Friedrich-Krause-Ufer 24 in Mitte.

Die Zahl der „freiwilligen Ausreisen“ war umgekehrt in 2019 so hoch wie seit 2016 nicht mehr: 5.767 Menschen zogen im letzten Jahr die Rückkehr in ihr Land einem Leben in Berlin vor, und vermieden damit eine fünfjährige Einreisesperre. Knapp 800 von ihnen kamen aus „sicheren Herkunftsländern“, worunter vor allem Westbalkanstaaten fallen. Aber auch in Kriegsländer gehen Menschen „freiwillig“ zurück: Allein im November verließen Berlin 81 in Richtung Syrien, 43 gingen nach Afghanistan, 23 in den Irak.

Im gesamten 4. Quartal war die Ausländerbehörde zuständig für 108.527 Geflüchtete: Die meisten davon sind anerkannte Asylberechtigte, 13.345 sind aktuell Asylsuchende und 12.956 Ausreisepflichtige. Allerdings hatte von letzteren der überwiegende Teil eine Duldung (11.978), das heißt die Pflicht zur Ausreise ist vor­übergehend ausgesetzt – etwa weil der Betreffende oder ein Familienmitglied krank ist oder keine Reisedokumente vorliegen.

Ist Letzteres der Fall, werden die Betreffenden häufig mit einem Arbeitsverbot belegt, weil ihnen unterstellt wird, dass sie sich nicht genügend um einen Pass bemühen, obwohl sie laut Gesetz eine „Mitwirkungspflicht“ haben. Laut Flüchtlingsrat und Rechtsanwälten können Geflüchtete allerdings häufig ihr Bemühen um einen Pass nicht nachweisen – etwa weil ihnen ihre Botschaft keine schriftliche Bestätigung gibt.

Im taz-Interview sagt der Leiter des Landesamts für Einwanderung, Engelhard Mazanke, sein Amt handele in dieser Sache seit Kurzem großzügiger: So sei die Zahl der Geduldeten, die mit einem Arbeitsverbot belegt sind, durch eine bundesweit einmalige Regelung seit Sommer vorigen Jahres von 46 auf 24 Prozent gesunken. Und zwar werde „Ausreisepflichtigen, deren Duldung bald abläuft, sechs Monate Zeit gegeben, sich erneut um einen Pass zu bemühen oder zumindest nachzuweisen, dass sie sich darum bemüht haben. Für diese Zeit bekommen sie nun die Möglichkeit der Beschäftigung“, so Mazanke. Überhaupt sei die Umbenennung seiner Behörde mit dem Anspruch verbunden, einwanderungsfreundlicher zu werden. Einwanderung und Migration seien „das Schlüsselthema der gesellschaftlichen Entwicklung dieser Republik. Und dieser Stadt.“

Das ganze Interview mit dem Leiter des Einwanderungsamtes können Sie am Samstag im Berlin-Teil der taz.Am Wochenende lesen.

(* In der ersten Version dieses Textes hatte irrtümlich gestanden, dass Rot-Rot-Grün auch für die Abschiebungen im Jahr 2016 verantwortlich sei. Tatsächlich ist der neue Senat aber erst im Dezember 2016 gewählt wurden. Die Autorin bittet den Fehler zu entschuldigen!)

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