Ausländer in der Schweiz: Die Furcht der Fremden
Ausländische Fachkräfte in der Schweiz eint der Eindruck zunehmender Fremdenfeindlichkeit. Trotz guter Bezahlung denken manche über die Rückkehr nach.
GENF taz | „Egal wie die Abstimmung am Sonntag ausgeht: die ausländerfeindliche Hetzkampagne der SVP hat die antideutsche Stimmung hier in Zürich noch weiter verschärft.“ Vor drei Jahren trat der Ingenieur Wolfgang F. aus Mecklenburg eine Arbeitsstelle bei einer Schweizer Firma an, „für die es keinen einheimischen Bewerber gab“, wie er sagt. Inzwischen denkt der 35-Jährige, wie er sagt, „trotz der guten Bezahlung ernsthaft über eine Rückkehr nach Deutschland nach“.
Auch die Berliner Pflegefachfrau Renate Schwarzer leidet unter der „ständigen Hetze der SVP gegen alles Nichtschweizerische“, wie sie die Initiative bezeichnet. Vor über zehn Jahren kam Schwarzer zunächst nach Zürich. Inzwischen arbeitet sie als Altenpflegerin in Bern. „Wenn ich die Broschüre der SVP gegen Masseneinwanderung lese, wird mir schlecht“, erklärt Schwarzer in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Schwarzer wurde von ihren Schweizer Arbeitskollegen gemobbt. Zwei staatliche Beratungsstellen für Mobbing-Opfer wiesen sie jedoch ab, weil Mobbing gegen Deutsche angeblich „nicht existiert“.
Der Franzose Pascal Lemur sieht die Lage derzeit noch entspannter. Jeden Morgen pendelt der 28-jährige Feinmechaniker per Auto aus Bellegarde über die Grenze nach Genf. Er ist einer von knapp 71.000 französischen „Frontaliers“, die täglich zur Arbeit in die Stadt kommen. Hier verdient der Franzose bei einem Uhrenhersteller, der auf dem leergefegten Schweizer Fachkräftemarkt keinen Feinmechaniker fand, 7.000 Franken pro Monat – umgerechnet rund 5.900 Euro. „In Frankreich würde ich für dieselbe Arbeit maximal 3.400 Euro bekommen“, meint Lemur.
Dass selbst in der multikulturellen UNO-Stadt Genf mit Einwohnern aus 184 Nationen und einem Ausländeranteil von über 42 Prozent die fremdenfeindliche Stimmung zunimmt, ist Lemur, so sagt er, „natürlich nicht entgangen. Doch so schlimm ist das noch nicht, und ich kann ja abends nach der Arbeit immer zurück nach Frankreich fahren.“
Nicht-EU-Ausländer besonders unter Druck
Deutlich angespannter ist die Lage im Kanton Tessin und entlang der italienischen Grenze. Die wird täglich von rund 60.000 Grenzgängern von Süd nach Nord passiert. Darunter sind viele, die tatsächlich „den Tessinern Arbeitsplätze wegnehmen“, wie nicht nur die kantonale SVP-Sektion „Unione Democratica del Centro“ behauptet.
Unter den Grenzgängern sind zum Beispiel vollausgebildete Juristen von den Universitäten in Mailand und anderen norditalienischen Städten, die sich mangels Beschäftigungsaussichten im eigenen Land in Tessiner Anwaltskanzleien als SekretärInnen verdingen.
Besonders bedrohlich wirkt die Initiative der Schweizer Volkspartei auf Menschen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union. Da ist zum Beispiel die Kosova-Albanerin Fatmire Panxhaj. Die ausgebildete Lehrerin und Juristin kam 1995 auf der Flucht vor Folter und staatlicher Verfolgung in die Schweiz. Obwohl sie perfekt Deutsch spricht, einer qualifizierten Arbeit nachgeht und an ihrem Wohnort bei Stans im Kanton Nidwalden bestens integriert ist, erhielt sie dort erst nach 16-jährigem vergeblichem Bemühen die Einbürgerung als Schweizerin. „Nach einer Annahme dieser SVP-Initiative wird das noch viel schwieriger werden“, fürchtet Fatmire Panxhaj.
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