Ausgeschlafen gegen rechts: Wenn die Welt untergeht: Gönnjamin
Zwischen Overload und Erholung – wie sich unsere Kolumnistin ins Hotelbett zurückzieht und Schlaf zur rebellischen Geste erklärt.
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L eute, was soll ich sagen, ich will zurück ins Bett. Das Jahr kam, ich habe kurz reingeschnuppert und jetzt möchte ich wieder schlafen gehen. Mein neuester place to be: Das Doppelbett im Intercity Hotel Ost, direkt hinter dem Hauptbahnhof Hannover, wo ich vor Kurzem nächtigte.
Sorry, falls euch die Aussteigerfantasie jetzt zu wenig glamourös erscheint, aber wie ihr wisst, hat es bei mir für die „Tech Bro“-Karriere nicht gereicht. Deshalb beute ich meine Mitmenschen auch nur in kleinen Dosen aus. Wie den Azubi mit Bartflaum, der an einem Sonntag sicher Besseres zu tun gehabt hätte, als meine Linkshänderschrift in den Computer zu tippen und mir einen „Schönen Aufenthalt“ zu wünschen.
Das Hotel war wirklich deluxe! Denn für wenig Geld bekommt man weder Zahnarztkunst noch Interior Design, das einem psychedelischen Drogentrip gleicht. Stattdessen ist dort alles in Rot-Weiß, was ja bekanntlich eine Erfolgsfarbe ist: Deutsche Bahn, Österreich – gmiadlich, herst? Na ja, geht so. Bei meinem aktuellen mentalen Overload hätte es eine Gummi- oder Gefängniszelle vermutlich auch getan – nur da hätte mich das Personal gestresst.
Meine neueste Maxime lautet: Hauptsache reizarm und keine Menschen in der Nähe, denn die vielen zwischenmenschlichen Entgleisungen, die gerade reinschneien, sind nicht mehr zu ertragen. Manchmal wünschte ich, meine verstorbene Superoma ließe sich noch mal zu uns Erdlingen herab, denn bei ihr wäre eine solche Shitshow nicht drin gewesen. Eine rechte Provokation und schon hätten die Herrschaften Musk und Weidel ihr den Einkaufsbeutel bis zum Mars hinterhergeschleppt.
Ihr merkt schon, übermüdet klinge ich wie aus einer autoritären Benimmfibel, dabei habe ich die Konservativen nie gewählt. Und jetzt? Hurra, hurra, die beiden Opas von der CDU/CSU sind da und mit ihnen die altbekannte Mär von der „Leistungsgesellschaft“. Das raubt einem erst recht den Schlaf. Auch weil die Vergangenheit gezeigt hat: Ein Mal gepennt, zack – Faschismus.
Ein fucking Schmetterling
Gleichzeitig würde uns etwas mehr Erholung in diesen turbulenten Zeiten gut tun. Zumindest ist die theoretische Auseinandersetzung mit dem Schlaf gerade omnipräsent, die Autorin Jovana Reisinger hat ihm in ihrem Buch „Pleasure“ kürzlich sogar eine Liebeserklärung gemacht.
Schlaf steigert nicht nur das eigene Wohlbefinden, er füllt auch die Kraftreserven wieder auf und ist neben Anti-AfD-Demos und anderen planetenrettenden Protesten die vielleicht widerständigste Geste, die wir noch besitzen. Wer schläft, arbeitet nicht und verschwendet sein hart verdientes Geld auch nicht für Smoothiemaker oder andere spätkapitalistische Verheißungen.
Es sei denn, man hat einen Hang zu Spontanität und bucht sich so wie ich für zwei Tage in ein Hotel ein, um sich vor Family Issues, aufmüpfigen Staubflusen und der Betriebskostennachzahlung zu verstecken.
Ich sag’ nur: Gönnjamin. Udo Lindenberg tut es schließlich auch. Doch bevor ich weiter im Luxus schwelgen kann, muss ich erst mal wieder worken. In der Zwischenzeit träume ich von der bequemen Matratze im Hotel, auf der ich die berühmte „Butterfly-Manifestation“ gemacht habe:
„Ich bin ein fucking Schmetterling, flatter, flatter, flapp, flapp. Fresse in die Blume, schlabber, schlabber, schlapp, schlapp. Mein Arsch fliegt durch die Luft, du Wichser. Du willst Stress mit mir? Mit ’nem Schmetterling, bist du scheiße im Kopf?“
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