Zwischen den Rillen: Ausgeruhte Beats fallen vom Hocker
■ Grüß mir die Trommel – schlag auch den Bass: Metalheadz und Omni Trio
Obwohl es noch vier Jahre sind bis zur Jahrtausendwende, der Sound für die Zeit danach scheint jetzt schon gefunden und kreiert: Drum & Bass. Unermüdlich jedenfalls erklären seine Protagonisten und Produzenten Drum & Bass zur ultimativen Zukunftsmusik, zum „21st Century Soul“, mit dem es sich am besten die ach so vielen imaginären, fremden Planeten und Welten erkunden läßt.
Das wirkt naiv, eskapistisch, erklärt sich aber zum Teil durch die immense Begeisterung der Junglisten, die zu der Ungewißheit paßt, wohin die Reise mit Drum & Bass gehen soll: Diffus sind da noch die Visionen, die sich bei zumeist fehlenden Vocals nur wenig plakativ transportieren lassen. Love, Peace and Happiness ist es Gott sei Dank nicht, und auch das Tanzdiktat scheint hier keines mehr zu sein.
Fest steht, daß sich die Drum- &-Bass-Szene, wie jede in der Vergangenheit plötzlich entdeckte musikalische Subkultur, mit den leidlich bekannten strukturellen Topics auseinanderzusetzen hat: Es geht um den auszutarierenden Antagonismus zwischen Underground und Mainstream; darum, der Industrie die eigenen, wechselhaften Bedingungen zu diktieren, keine Kreativitätseinbußen dabei zu erleiden; darum, wer real ist, wer eine Geschichte hat usw.
Läßt man dabei die Anfänge von Breakbeat und Jungle beiseite, wo es Rebel MC, Shut Up And Dance, Nicolette und auch General Levy nicht an Pop-und- Chart-Kompatibilität fehlen ließen, war Goldie, was Medienpräsenz, Stilbewußtsein und die Verkaufszahlen seines Albums „Timeless“ anbetraf, der erste Junglist, der ansatzweise in den Mainstream einbrach.
Sein Label Metalheadz war und ist eine begehrte Anlaufstelle für andere Drum-&-Bass-Produzenten. Übermütig und gar nicht bescheiden präsentiert Metalheadz nun die „Platinum Breaks“: Eine Compilation, die das Schaffen dieses Labels aus den letzten anderthalb Jahren zusammenfaßt, die in Großbritanniens Clubbing-Szene offenbar groß, kreativ und aufregend gewesen sein müssen.
Goldie hat einen eigenen, bisher unveröffentlichten Track unter dem seltsamen Pseudonym Rufige Kru an den Anfang gestellt, einen, der vordergründig heftig kommt und ganz nebenbei auch weich und soulig abgefedert wird. Ansonsten kommentiert er im Booklet lediglich die diversen Eigen- und Besonderheiten seiner zeitweiligen Labelmates, die bei ihm bisher ihre Winner bis hin zu Alex Reeces „Pulp Fiction“ produzierten und veröffentlichten.
„Platinum Breaks“ bietet dabei lediglich wenige entspannte und sehr viele fordernde Tracks, die in ihrer Komplexität schwer zu erfassen, die verschachtelt und labyrinthisch sind, am exemplarischsten ausgestaltet auf Photeks „Conciousness“. Das ist dann, wie bei Dilinja, LemonD oder Source Direct, oft auch sehr puristischer, kantiger Drum & Bass, der alles, bloß kein schnell in den Kopf gehender Pop sein will und kann und der mit den zunehmend sich ausbildenden smoothen, ambient- und esoterikartigen Strängen nichts am Laufen hat.
Schon ihr zweites Album haben Omni Trio auf dem Label Moving Shadow veröffentlicht. Es gehört einem gewissen Rob Playford, der wiederum, und man merkt hier, wie sich die Fäden noch gut verknüpfen lassen, bei Goldies 95er-Konzept-Album „Timeless“ den nicht ganz unwichtigen Posten des Soundengineer innehatte.
Hinter Omni Trio verbirgt sich Rob Heigh, ein scheuer Homefrickler, der sich zielstrebig aus allen Medien außerhalb der Musik heraushält. Nachdem Everything But The Girls „Walking Wounded“ im Omni-Trio-Remix zur ersten Drum & Bass-Nummer eins in den Charts wurde, läßt sich Heigh auch auf seinem eigenen Album nicht lumpen und versenkt seinen Drum & Bass tief in Popgefilden. Abgeklärt und relaxt hören sich die Tracks auf „The Haunted Science“ an: Musik, die eine angenehme Reise ans Ende der Nacht verspricht oder mit der es sich einen verschnarchten Sonntag gut leben läßt. Drum & Bass light, wenn man ihm Böses will.
Sachte läßt Heigh hier die Beats vom Hocker fallen, dezente Brechbässe sind in hübsche Themen und Melodiebögen integriert, und auch um Stücke, in denen es tief und dunkel wummert wie in „Astral Phase“ oder „Who Are You“, windet Heigh eine Menge Leichtigkeit (bei „Who Are You“ merkt man übrigens gut, wie sehr Everything But The Girls von Omni Trio ihren Stempel bekommen haben). Vielleicht kein Schmaus für Puristen und Hardliner, doch trotz Piano-Licks und mancher Bläser wirkt „The Haunted Science“ unaufdringlich und frei von Kitsch. Hinsichtlich tiefschürfender, neuer Erkenntnisse für die Zukunft sollte man jedoch ruhig noch ein paar Jahre ins Land ziehen lassen. Erst mal spricht nur die Musik für sich selbst, wie Heigh (und nicht nur er) das auszudrücken beliebt. Gerrit Bartels
Diverse: „Platinum Breaks“ (Metalheadz/London/Metronome)
Omni Trio: „The Haunted Science“ (Moving Shadow/Efa)
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