Ausgedachtes Interview mit Jens Spahn: „Am besten Villa mit Landeplatz“

Wir Menschen mit Pflegebedarf haben Fragen an Jens Spahn. Er hatte nur leider keine Zeit. Wir haben trotzdem mit ihm gesprochen. Ein ausgedachtes Interview.

Jens Spahn auf einem Sessel in einem Büro mit Blick auf den Berliner Fernsehturm

Ach Jens! Foto: Jens Gyarmaty

Ach Jens, jetzt ist deine Zeit als Gesundheitsminister schon bald vorbei, und wir haben uns noch nie persönlich getroffen. Schade, denn ich habe so viele Fragen. Du kannst uns nicht einfach ratlos zurücklassen, mich und die Inklusions-Community – Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarf, behinderte Menschen.

Deshalb hat die taz dich zum Gespräch angefragt. Du hattest leider keine Zeit für Interviews. Nach deiner Absage habe ich meine Fragen aufgeschrieben und mir einfach ausgedacht, wie das Gespräch hätte laufen können.

Ich hoffe sehr, dir gerecht zu werden.

taz: Herr Spahn, wie bewerten Sie die Situation in der Pflege? Wie hat sie sich während Ihrer Amtszeit entwickelt?

Jens Spahn: Ich wurde 2018 Gesundheitsminister. Unter mei­nem Vorgänger Gröhe hatte sich der Mangel an Pflegepersonal in unseren Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen schon zugespitzt. Wir suchten nach Gründen – und fanden heraus, dass die Pflege einen schlechten Ruf hat. Sogar als uncool gilt! Also haben wir gehandelt. Und das Image ist schon viel besser geworden.

Ach so?

Leute haben doch von den Balkonen applaudiert. Von den Balkonen!

Da hat Ihnen die Coronapandemie geholfen.

Ja, und die Kollegin Giffey aus dem Familienministerium mit ihrer tollen Medienkampagne „Ehrenpflegas“. Hab Sie die gesehen? Mit diesen jungen, coolen Leuten, die Pflege als Beruf kennenlernen? Hinreißend. Ist natürlich softe Politik, bei mir geht’s eher um die knallharten Themen.

Wie zum Beispiel Pflegegesetze? Wie zum Beispiel die Frage, wo Menschen mit Behinderung leben sollen – zu Hause oder im Heim?

Genau. Wie wir Menschen in unsere wunderbaren, profes­sio­nellen Pflegeeinrichtungen bekommen. Anstatt zu Hause, wo es für mich leicht unübersichtlich wird.

Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarf werfen Ihnen vor, dass Ihre Gesetzgebung der letzten Legislatur viele zwingen wird, ins Heim gehen zu müssen statt zu Hause leben zu können. Ihr jüngstes Intensivpflegestärkungsgesetz (IPReG) verschärft diesen Trend. Ging es da um den Schutz der Pa­tien­tinnen und Patienten oder ums Finanzielle?

Nun, das IPReG ist entstanden, weil ja viele Pflegedienste minderqualifiziertes Personal zum Preis einer Fachkraft abgerechnet haben. Wenn ich eine Hilfskraft einsetze, darf ich keine Fachkraft abrechnen. Das ist Betrug! Hilfspersonal darf hier gar nicht eingesetzt werden, vor allem dann nicht, wenn eine Beatmung notwendig ist. Wir stellen uns da natürlich die Frage, wie wir das ganze Schlamassel einfach und kostengünstig lösen können. Pflegeeinrichtungen gibt es in Deutschland genügend. Wenn wir das Personal aus der ambulanten Intensivpflege in unsere stationären Einrichtungen bekommen, dann können wir dubiose Machenschaften verhindern. Und haben nebenbei auch den Fachkräftemangel gelöst.

Und was ist mit der Selbstbestimmung der Menschen, die Sie aus einem funktionierenden Leben, aus ihrer Familie und oftmals sogar aus ihrer Arbeit herausreißen, um sie kostengünstig in einer Pflegeeinrichtung unterzubringen?

Jahrgang 1980, ist Gesundheitsminister, Lebemann, Networker und Finanzprofi. Für die Themenwoche Teilhabe der taz musste er leider absagen. Dieses Interview ist erfunden. Ein echtes finden Sie in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Bunte.

Wir müssen immer die Umstände betrachten. Selbstbestimmung geht auch in einem Pflegeheim. Sicher gibt es dort Bedingungen, an die sich jede Bewohnerin und jeder Bewohner halten muss, aber dazwischen kann man schon auch mal eine halbe Stunde spazieren gehen. Es steht aus wirtschaftlicher Sicht in keiner Relation, dass eine pflegebedürftige Person mit Beatmung sieben bis neun Pflegefachkräfte an sich bindet. Das können wir der Gesellschaft so nicht zumuten. Diese Fachkräfte fehlen ja an anderer Stelle!

Das jetzt beschlossene Gesetz sieht vor, dass ambulante Pflege zu Hause auf Wunsch möglich ist, wenn die medizinische und pflegerische Versorgung sichergestellt werden kann. Ein guter Freund von mir möchte dafür vorsorgen und sich eine Villa wie Ihre kaufen. Er ist 30 Jahre alt, Doktorand der Mathematik und lebt selbstbestimmt in einer Wohnung. Außerdem ist er dauerhaft auf Beatmung angewiesen. Er möchte wissen, ob Sie einen ultimativen Tipp für ihn haben?

Damit er laut IPReG dort wohnen bleiben kann, muss dieses Haus einige Anforderungen erfüllen. Wenn er eine Villa findet, die einen Hubschrauberlandeplatz hat, damit er im Notfall in die Klinik geflogen werden kann, soll er sie gerne kaufen. Im Anschluss wird dann der Medizinische Dienst seinen Einzel­fall, gemäß der neuen Richt­linien, bewerten und sicherlich einen anderen Grund finden, weshalb seine Versorgung in diesem Haus nicht dauerhaft sichergestellt werden kann.

Was ist das Geheimnis hinter Ihrem guten Image?

Es gibt so viele Menschen, die es in ihrem Leben sehr schwer haben. Deshalb ist es mir eine Herzensangelegenheit, Charity-Events zu besuchen. So sehen meine Par­tei­freun­d*in­nen für einen Schnäppchenpreis mein großes Herz.

Erlauben Sie mir noch eine kurze Frage zum Schluss, mit der Bitte um kurze Antwort: Wen finden Sie unpassender im Amt: Jens Spahn oder An­dreas Scheuer?

Andreas Scheuer. Diese Antwort kann niemals falsch sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.