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Ausgebeutete Migranten aus VietnamAgenturen besser kontrollieren

Über Ausbildungsagenturen kommen vietnamesische Frauen nach Berlin. Einige von ihnen landen in der Prostitution. Der Senat will dagegen nun etwas tun.

Ein Berliner Unternehmen wirbt Auszubildende aus Vietnam an, einige landen offenbar in der Prostitution (Symboldbild) Foto: Kerstin Bögeholz/Imago

Berlin taz | Schwarz-Rot will das Problem der „verschwindenden“ vietnamesischen Auszubildenden angehen. Senatsverwaltungen und Bezirke, die jeweils einen Teil des Fachwissens haben, sollen sich miteinander vernetzen, zudem soll der Bund tätig werden. Die Fraktionen arbeiteten dazu an einem Antrag für den Senat, sagt die CDU-Integrationsexpertin Katharina Senge der taz.

Viele der aktuell 1.600 Auszubildenden aus Vietnam verschulden sich, um in Berlin eine Ausbildung machen zu können. Dabei wollen sie oft gar nicht die Ausbildung, sondern hier schnell viel Geld verdienen, um ihre Familien zu Hause zu unterstützen. Sie scheitern und rutschen in die Illegalität ab, landen im Extremfall sogar in der Prostitution.

Bei einer von Senge initiierten Anhörung im Integrationsausschuss kamen etwa Vertreter des Oberstufenzentrums für das Gastgewerbe in Weißensee zu Wort, an dem 700 vietnamesische Auszubildende lernen, 90 Prozent von ihnen mit nicht ausreichenden deutschen Sprachkenntnissen. Laut einem Bericht des RBB sind ein Drittel dieser Auszubildenden verschwunden, wohin, ist nicht bekannt.

Es gibt in Berlin ziemlich viel Wissen an unterschiedlichen Orten. Das gehört an einen Tisch

Katharina Senge, CDU-Integrationsexpertin

Senge möchte, dass sich Fachleute aus den vier zuständigen Senatsverwaltungen (Integration, Bildung, Inneres und Gesundheit) und denjenigen Bezirken mit viel Fachwissen über vietnamesische Migration miteinander vernetzen und Handlungsempfehlungen erarbeiten. „Es gibt in Berlin ziemlich viel Wissen an unterschiedlichen Orten. Das gehört an einen Tisch.“ Der Antragsentwurf enthalte aber auch Forderungen, die nur auf Bundesebene gelöst werden können, sagt die CDU-Politikerin weiter. So fordert sie eine Nichtzulassung von Vermittlungsagenturen für die Auszubildenden, die nicht seriös arbeiten.

Berlin muss Beratung und Sprachkurse ausbauen

Auch die Opposition sieht Handlungsbedarf. So fordert die ausbildungspolitische Sprecherin der Grünen, Tonka Wojahn, eine staatliche Überprüfung von Vermittlungsagenturen und stärkere Befugnisse der Bundesagentur für Arbeit. „Auszubildende müssen verlässlich aufgeklärt werden. Berlin muss Beratung und Sprachkurse an Berufsschulen weiter ausbauen.“

Das Problem: Das Oberstufenzentrum für das Gastgewerbe bietet zwar zusätzliche Sprachkurse an. Doch die werden kaum angenommen, weil die Auszubildenden ihre Schulden abarbeiten müssen und darum zum Deutschlernen keine Zeit haben, wie ein Vertreter im Fachausschuss darlegte. Zudem finden viele keine Wohnung auf dem angespannten Mietmarkt.

Wie es besser laufen könnte, zeigt Thüringen

Wie es besser laufen könnte, zeigt Thüringen: Dort bekommen vietnamesische Auszubildende nur ein Visum, wenn der Ausbildungsbetrieb Wohnraum für sie gefunden hat. In kleineren Ortschaften gelingen Integration und Erfolg vietnamesischer Auszubildender laut der Ethnologin Edda Willamowski von der Freien Universität insgesamt auch besser als in Großstädten. Dort sei es oft gelebte Kultur, dass Ausbildungsbetriebe auswärtigen Auszubildenden Wohnraum besorgen. Das könne aber auch in Hamburg und München gelingen, sagt sie, wo es ein Azubi-Werk gibt, das Auszubildenden preiswert Wohnraum anbietet.

Anh Pham arbeitet in Deutschland für eine Vermittlungsagentur. Sie nennt Ursachen, warum viele Auszubildende ein Zertifikat B1 haben, aber kaum Deutsch sprechen. „Die Unterrichtskultur in Vietnam beinhaltet viel Auswendiglernen. Man lernt für Prüfungen, kann deklinieren und konjugieren, aber nicht sprechen.“ Da die Auszubildenden das Schulgeld selbst zahlen müssten, würden sie den Agenturen Druck machen, dass der Deutschkurs so kurz wie möglich sei. „Das ist aber für den Spracherwerb nicht sinnvoll. Doch eine Agentur, die sich diesem Druck nicht beugt, findet weniger Schüler.“

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