Ausflug zum Nazi-Erbe: Mit Kind und Kegel zur Kultstätte
Rechtsextreme festigen ihren Zusammenhalt mit gemeinsamen Wanderungen. Jüngstes Ziel war eine Thingstätte der Nazis.
E ine Wandertour mit Freunden. Gemeinsam suchen sie eine Route aus, besprechen Ausgangs- und Endpunkt, stimmen die Versorgung ab und hoffen auf passendes Wetter am Tag der Wanderung. Diesen Männern, Frauen und Kinder kam das Wetter tatsächlich entgegen. Bei schönstem Sonnenschein konnte die über 30 Personen umfassende Wandergruppe nahe Bremen aufbrechen – aber diese von Männern dominierte Truppe wäre auch bei schlechtem Wetter losgegangen.
Diese Wandernden marschierten schon öfter bei Regen und Schnee durch die so geliebte Heimat – zum Stählen von Geist und Körper. Denn diese Wandernden kommen aus der rechtsextremen Szene von „Die Heimat“ (einst NPD) bis „Der III. Weg“. Einer der Teilnehmer: Mario Müller, einst Aktivist der Identitären Bewegung und heute Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion.
Die Laune der Gruppe scheint am 15. Juli bestens gewesen zu sein. Beim Wandern und Rasten in Richtung der nationalsozialistischen Kultstätten Stedingsehre tauschten sie sich aus, besprachen wohl Privates wie Politisches. Recherche-Nord gelang es, die Wanderung zu beobachten. Bilder dokumentieren, dass im vermeintlich privaten Rahmen politische Verbindungen über Partei- und Szenegrenzen hinweg gepflegt werden.
Schon das Ziel der Wanderung zeigt die politische Gemeinsamkeit auf: In Stedingsehre in Bockholzberg wollten die Nationalsozialist:innen eines der größten Propagandaprojekte in Norddeutschland erreichen. Der Anlass für den Bau der Thingstätte im niedersächsischen Ganderkesee war 1934 der 700. Jahrestag der Schlacht von Altenesch im Jahr 1234.
Zurück zu den Wurzeln
Ab 1935 konnten bis zu 20.000 Personen in der Freilichtbühne das Theaterstück „De Stedinge“ verfolgen, das den Konflikt zwischen den Stedinger Bauern und dem Bremer Erzbischof politisch auflud. Im nationalsozialistischen Geiste erschienen die Bauern als Widerständige gegen den Kreuzzug des Christentums.
Mit der Wanderung schlugen die Teilnehmenden „eine ideologische Brücke zum historischen Nationalsozialismus“, kommentiert Recherche-Nord seine Bildserie. Und das Netzwerk betont, dass solche Veranstaltungen dem „Aufbau“ und der „Stärkung neonazistischer Strukturen“ dienten und auch die Festigung der Ideologie und Identität vorantreiben sollen.
Aus dieser Intention heraus nehmen Eltern auch ihre Jungen und Mädchen zu solchen Events mit. Die Kombination, etwas zusammen mit den Eltern zu unternehmen und mit anderen Kinder zusammen sein zu können, dürfte diese Sozialisation festigen. Rechte Szenegröße lernen diese Kinder dabei auch gleich kennen.
Mitgewandert war etwa auch Henrik Ostendorf, langjähriger Bremer Netzwerker zwischen „Die Heimat“, Kameradschafts- und Hooligan-Szene, sowie Sebastian Richter aus Mecklenburg-Vorpommern, ehemaliger Bundesvorsitzender der verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und früher Chef der NPD-Jugendorganisation.
Für Müller dürfte die Wanderung ein „Back to the Roots“ gewesen sein. Der AfD-Mitarbeiter kommt aus der Region, gehörte der „Aktionsgruppe Delmenhorst“ an, bevor er versuchte, in Halle das ehemalige Zentrum der Identitären Bewegung zu etablieren. Für das Magazin Compact schrieb er diverse Artikel.
Der Autor des Szene-Standardwerks „Kontrakultur“ sucht aber nicht nur die vorpolitische Diskursauseinandersetzung: Müller stand bereits wegen gefährlicher Körperverletzung von ausgemachten politischen Gegnern vor Gericht.
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