Ausfälle bei Blackberry-Betreiber RIM: Image in Gefahr
Ein mehrtägiger Netzausfall macht dem Mobilfunk-Konzern RIM zu schaffen. Das technische Debakel ist nur eins von vielen Problemen. Selbst über eine Übernahme wird spekuliert.
Es ist ein bemerkenswertes Video, in dem sich Gründer des Konzerns Research in Motion (RIM) an seine Kunden wendet: "Seit wir den Blackberry-Dienst 1999 gestartet haben, war es mein Ziel, verlässliche Kommunikation rund um den Globus zu ermöglichen", sagt Mike Lazaridis in seiner YouTube-Ansprache, um gleich darauf fortzufahren: "Wir haben dieses Ziel in dieser Woche nicht erfüllt. Nicht mal annähernd."
Mit diesem öffentlichen Schuldeingeständnis, der höchsten Eskalationsstufe der Krisenkommunikation, hat der Konzern klargemacht, was seine Kunden in den letzten Tagen schmerzlich bewusst war. Der Wurm steckt im Blackberry-Netz, der Konzern ist in Schwierigkeiten.
Kein Internet, keine Emails
Was ist geschehen? Schon am Montag häuften sich die Beschwerden über Serviceausfälle im Blackberry-Netz. Eine zentrale Komponente sei ausgefallen, meldet das Unternehmen, einen Hacker-Angriff habe es aber nicht gegeben. Die Folge: 70 Millionen Kunden, die Blackberry weltweit hat, konnten entweder gar nicht oder nur sehr langsam auf ihre E-Mails zugreifen oder im Internet surfen. Für das gerade auf Geschäftskunden spezialisierte Unternehmen ein Debakel ohne Gleichen.
Immerhin melder das Unternehmen seit Donnerstag Fortschritte. Zwar ist der Service noch nicht wieder im Normalbetrieb, da die Server teilweise erst die lange gestauten Nachrichten ausliefern müssen. Das Unternehmen zeigt sich aber vorsichtig optimistisch das Problem in den Griff zu bekommen.
Empfohlener externer Inhalt
Dass es im Netz immer Mal wieder zu Störungen kommt, müssen Kunden bei jdem Anbieter iin Kauf nehmen. Dass der Qualitätsanbieter Blackberry es aber über drei Tage nicht schafft ein solches Problem zuverlässig zu beheben, ist hingegen ein kaum wieder wettzumachender Image-Schaden.
Kommunikationszentrale statt Handy
Doch der Ausfall ist nur das neueste der vielfältigen Probleme des Konzerns. Waren die Blackberry-Geräte von Beginn an der Inbegriff einer neuen Art von Smartphones, bot der Konzern zusätzlich eine integrierte Kommunikationsplattform, auf dem Geschäftsreisende aller Art ihr Büro mit sich herumtragen konnten. Typisch war die eingebaute Tastatur, mit der die Kunden schnell und effektiv E-Mails schreiben konnten.
Der Blackberry war kein Handy-Ersatz, sondern eine Kommunikationszentrale. Zudem überzeugte Blackberry mit der Kommunikationssicherheit: Statt Nachrichten über die herkömmlichen Mobilfunknetze zu versenden, baute das kanadische Unternehmen eine voll verschlüsselte Kommunikationsinfrastruktur auf, die es selbst Geheimdiensten unmöglich machte per Blackberry verschickte Nachrichten mitzulesen.
Für dieses Feature geriet RIM in vielen Staaten unter Beschuss. So verlangten indische Behörden einen Hintertür ins Blackberry-Netz und drohten sogar mit einer Abschaltung des Dienstes im eigenen Land. 2009 wurde sogar bekannt, dass die saudi-arabische Telekommunikationsfirma Etisalat bei Blackberry-Kunden einen Trojaner installiert hatte. Der Angriff flog auf, weil die mangelhaft programmierte Spionagesoftware zu Fehlfunktionen führte und die Akkus mancher Geräte leersaugte.
Ein Verkauf des Unternehmens debattiert
Ist der Vertrauensvorsprung durch Verschlüsselung und Technik dahin, muss RIM mit der Konkurrenz Apple und Googles Android gleichziehen – eine kaum zu leistende Aufgabe. So hat der Konzern zwar auch ein Tablet namens "Blackberry Playbook" ins Sortiment genommen. Die Verkaufszahlen blieben aber enttäuschend.
Gegen die Schwemme von iPads und Android-Geräten mitsamt ihren Apps kann der Konzern derzeit nicht ernsthaft angehen. Gewinne macht das Unternehmen aber noch: Im zweiten Quartal 2011 waren es immerhin 329 Millionen US-Dollar. Ein Jahr zuvor hatte RIM knapp 800 Millionen Dollar Gewinn gemacht.
Nun steht sogar ein Verkauf des Unternehmens zur Debatte. "Blackberry würde gut zu Microsoft oder Facebook passen", sagte Vic Albioni, Chef des RIM-Aktionärs Jaguar Financial, dem Handelsblatt am Donnerstag. Auch könnte er sich Oracle oder Hewlett Packard als Käufer vorstellen.
Ob die aber an dem Unternehmen interessiert sind, steht auf einem anderen Blatt, Albioni schlägt gar eine Zerschlagung des einstigen Musterunternehmens vor. Auch wenn es nicht so weit kommt, muss sich RIM auf magere Zeiten gefasst machen. Um Kosten zu sparen, baut das kanadische Unternehmen derzeit jede zehnte Stelle ab, insgesamt 2.000 Arbeitsplätze sind betroffen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Klimaschützer zu Wahlprogrammen
CDU/CSU und SPD fallen durch, Grüne punkten nur wenig
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge