Ausbreitung der Schweinegrippe: Regierung warnt vor Prophylaxe
Die Bundesregierung will deutsche Ärzte anweisen, Verdachtsfälle auf Schweinegrippe sofort zu melden - und warnt davor, vorbeugend antivirale Medikamente einzunehmen.
BERLIN/NEW YORK dpa/afp | In den USA ist erstmals ein Mensch an den Folgen der Schweinegrippe gestorben. Das teilte das Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten CDC am Mittwoch mit. Ein 23 Monate altes Kind wurde das erste Opfer der Krankheit außerhalb Mexikos.
Die Schweinegrippe hat auch Deutschland erreicht. Gleichwohl sind die drei mit dem Virus infizierten Erkrankten nach Angaben der Krankenhäuser in Hamburg und Bayern bereits wieder auf dem Weg der Besserung. Bei den Betroffenen handelt es sich allesamt um Rückkehrer von Mexiko-Reisen. Die Bundesregierung warnte die Bürger vor Panik und Hysterie. Nach den Worten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wird die Regierung alle Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung treffen. Man sei gut vorbereitet. Aus den Epidemien der vergangenen Jahre habe man gelernt und entsprechende Schutzpläne aufgestellt.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) räumte ein, dass sie die Situation mit Sorge erfülle. "Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt sagen, wie es sich weiterentwickelt." Auch Schmidt versicherte, dass die Bundesrepublik für den Notfall einer Ausbreitung der Epidemie gut vorbereitet sei. Es gebe einsetzbare Medikamente zur Behandlung. Ein Massen-Impfstoff werde getestet.
Der Leiter des Robert Koch-Instituts, Jörg Hacker, bestätigte, dass es neue Verdachtsfälle gibt, bei vier Fällen konnte dagegen nach Auswertung der Tests Entwarnung gegeben werden. Bei den bisher bestätigten Fällen handelt es sich um eine 22 Jahre alte Frau in Hamburg, um einen Mann, Ende 30, der in der Uniklinik Regensburg behandelt wird, sowie um eine 37-jährige Frau aus Kulmbach. Sie sei aber bereits wieder vollständig genesen, teilte Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) mit.
Durch frühzeitiges Erkennen müsse ein weiteres Ausbreiten der Grippe verhindert werden, sagte Schmidt. Per Verordnung würden die Ärzte angewiesen, Verdachtsfälle sofort den Gesundheitsämtern zu melden. Als Symptom gilt vor allem hohes Fieber. Am Nachmittag wollte sich Schmidt mit den Bundesländern abstimmen. Am Donnerstag beraten die EU-Minister.
Im Nationalen Referenzzentrum für Influenza des Robrt Koch- Instituts wurde das Fachpersonal aufgestockt. Das Gesundheitsministerium richtete eine Hotline für Bürgerauskünfte ein.
An den deutschen Flughäfen sehe man bereits viele Menschen mit Mundschutz, sagte Schmidt. Sie begrüßte es, dass einige Bundesländer Reisende bei der Rückkehr aus Mexiko oder den USA an Flughäfen von Ärzten beobachten ließen. Schmidt warnte vor Reisen nach Mexiko. "Wer nicht unbedingt nach Mexiko reisen muss, sollte das verschieben." Nach Angaben von Gesundheitsstaatssekretär Klaus Theo Schröder halten sich im Schnitt 9000 deutsche Touristen in Mexiko auf. Aus den USA wurde der erste Tod durch die Schweinegrippe außerhalb Mexikos bestätigt. Allerdings handelt es sich um ein 23 Monate altes Kind, das von seinen Eltern aus Mexiko eigens zur Behandlung noch Houston in eine Klinik gebracht worden war.
Für die Bevölkerung in Deutschland gebe es aber nach wie vor "keine allgemeine Gefährdung" durch die Schweinegrippe, teilte das Robert Koch-Institut mit. "Generell empfohlene persönliche Hygienemaßnahmen sollten aber besonders beachtet werden, insbesondere bei Kontakt zu Reiserückkehrern aus betroffenen Regionen". Vor allem beim Niesen oder Husten könnten Grippe-Erreger auf die Hände gelangen und dadurch weiterverbreitet werden.
Im Notfall sind für die Behandlung in Deutschland in den meisten Bundesländern für 20 Prozent der Bevölkerung Medikamente wie Tamiflu und Relenza eingelagert, wie dies die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt. Soviel haben unter anderem Bayern, Hessen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und das Saarland vorrätig, wie eine Umfrage bei den Landes-Gesundheitsministerien ergab. Nordrhein-Westfalen hält sogar Medikamente für rund ein Drittel seiner Einwohner bereit. Deutlich niedrigere Quoten melden dagegen Niedersachsen, Bremen und Hamburg sowie Baden-Württemberg. Die Medikamente waren im Zuge der Vogelgrippe und der bereits damals von Experten beschriebenen Pandemie-Gefahr angeschafft worden. Darüber hinaus verfügen auch Krankenhäuser und Apotheken über die antiviralen Medikamente.
Impfstoffe sollten rasch entwickelt werden, betonten Schmidt wie Hacker. Dies dauere aber noch einige Zeit. Hacke: "Wir haben einen Impfstoff, wissen aber noch nicht, ob er bei dieser neuen Variante der Viren wirkt." Über den Einsatz entscheide die Weltgesundheitsorganisation. Schmidt sagte, in einem solchen Fall müsse die Bevölkerung zweimal "durchgeimpft" werden. Dies könne aber wie bei der allgemeinen Grippeschutzimpfung nur freiwillig geschehen.
Vize-Regierungssprecher Thomas Steg warnte davor, sich jetzt beim Arzt Medikamente verschreiben zu lassen und diese vorbeugend einzunehmen. Die Mittel wirkten nur, wenn tatsächlich Krankheitssymptome vorlägen.
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