Ausbildung für SerienautorInnen: „Auf einem guten Niveau“
Da in Deutschland fast wöchentlich eine neue Serie startet, bilden immer mehr Hochschulen AutorInnen aus. Doch was, wenn die Serienblase platzt?
So langsam wird es unübersichtlich. Allein in den USA wurden im vergangenen Jahr 500 neue fiktionale Fernsehserien produziert. Das ist ein neuer Rekord und sicher nicht der letzte. Die US-Serienbranche wächst weiter, vor allem durch das aggressive Marktgebaren der neuen Streamingdienste.
Auch in Deutschland, wo man erst spät in den Wettbewerb der global vermarktbaren „High-End-Serien“ eingestiegen ist, konnten Zuschauer*innen im vergangenen Herbst den Überblick verlieren. Innerhalb von sechs Wochen starteten „Deutschland 86“ und „Beat“ (amazon), „Das Boot“ (Sky Deutschland), „Dogs of Berlin“ (Netflix), „Milk & Honey“ (Vox), „Hackerville“ (TNT Serie), „Parfum“ (ZDFneo), „Deutsch-Les-Landes“ (Telekom), „Die Protokollantin“ (ZDF) sowie „Babylon Berlin“ im Free-TV in der ARD. Sky Deutschland verschob sogar seine neue Eigenproduktion „8 Tage“ nach 2019.
Was beim Publikum gut ankommt, bringt die Sender und Produktionsfirmen mitunter ins Schwitzen. Denn die große Nachfrage nach Serien auf internationalem Niveau heizt die Suche nach denjenigen an, die solche Formate bedienen können: nach Drehbuchschreiber*innen, vor allem.
Das bekommt auch das Serienunternehmen UFA Serial Drama in Potsdam zu spüren, eine Tochterfirma der großen UFA, die seit über zwei Jahrzehnten tägliche Serien wie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“, „Unter uns“ und „Alles was zählt“ für RTL entwickelt.
Großer Bedarf an AutorInnen für tägliche Formate
„Durch den Serienboom in Deutschland ist der Bedarf an Autoren deutlich gestiegen“, erklärt „GZSZ“-Chefautorin Dominique Moro. Das habe auch dazu geführt, dass sich das Image von Daily Soaps sowie das Handwerk ihrer Macher*innen verbessert habe. „Dass uns so langsam das Schmuddelkind-Image abhandenkommt, ist schön. Es bedeutet aber auch, dass, weil wir nun auch für Spielfilme und wöchentliche Serien schreiben können, uns die Talente für die täglichen Formate verloren gehen.“
Deswegen will man das Problem mit dem Nachwuchs nun selbst angehen. Am 14. Januar startete der erste Jahrgang der UFA Serienschule, bei dem die Teilnehmer*innen innerhalb von vier Monaten die theoretischen und praktischen Grundlagen des Schreibens erlernen sollen. „Man ist danach kein fertiger Autor für Serien“, sagt Moro, die die Co-Leitung der Schule übernommen hat. „Es geht darum, im Anschluss die Chance zu bekommen, innerhalb einer Produktion als Junior-Storyliner zu arbeiten. So haben wir alle angefangen.“
Timo Gößler, Filmuni Konrad Wolf
Den viel geforderten Writer’s Room, also die großen Kreativteams, in denen mehrere Autor*innen gemeinsam an einer Serie arbeiten, gibt es im Genre der Daily Soaps schon längst. Bei „GZSZ“ arbeiten sie seit 26 Jahren nach diesem Prinzip, erzählt Moro. Dass sie dafür nun eine kostenlose Mini-Ausbildung auf der Serienschule anbieten, ist allerdings neu. 16 angehende Serienautor*innen werden dort zunächst ausgebildet, die Ausschreibung dafür habe unterschiedlichste Bewerber*innen im Alter zwischen 20 und 50 Jahren angesprochen, so Moro: Schauspieler, Filmwissenschaftler, Journalisten, Germanisten, aber auch Fans, völlige Quereinsteiger und Menschen, die noch nie etwas mit Dramaturgie oder Serien am Hut hatten.
Sehr gute Berufsaussichten
Neben der UFA Serienschule haben sich mittlerweile eine ganze Reihe an Aus- und Weiterbildungsangeboten an staatlichen Hochschulen und privaten Institutionen etabliert, die den neuen Anforderungen im Serienentwicklungsland Deutschland Rechnung tragen sollen. Im Gegensatz zum UFA-Ansatz legt das international ausgerichtete Programm „Serial Eyes“ der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB) seinen Fokus auf die Entwicklung eigener Stoffe im Writer’s Room.
Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.
Das Programm sei europaweit angesehen, sagt dessen Leiter Ben Harris. „Wir merken die positive Resonanz auch daran, dass Agenten vermehrt ihren Klienten die Bewerbung bei ‚Serial Eyes‘ als wichtigen Karriereschritt empfehlen.“ Dass in diesem Jahr drei Absolvent*innen für ihre Mitarbeit an Serien wie „Das Boot“, „Bad Banks“ und „Druck“ für den Grimmepreis nominiert sind, scheint das zu untermauern.
„Die Ausbildungssituation für Serienschaffende in Deutschland ist momentan auf einem guten Niveau“, sagt auch Carolin Große Hellmann von der Internationalen Filmschule Köln (ifs), die dort den Masterstudiengang „Serial Storytelling“ mitleitet. „Die unterschiedlichen Programme ergänzen sich hervorragend beziehungsweise adressieren jeweils unterschiedliche Teil-Zielgruppen.“
Aber wie sicher sind die Aussichten tatsächlich, nach dem Abschluss in der Branche Fuß zu fassen? „Wie in jedem kreativen Beruf gibt es auch beim Serienschreiben keine Garantien“, sagt Joachim Friedmann, Co-Leiter des Masterstudiums in Köln. „Für Autor*innen mit einer soliden dramaturgischen Ausbildung sind die Berufsaussichten aktuell jedoch sehr gut, insbesondere was die boomenden Serienmärkte betrifft.“
Nur eine Frage der Zeit, bis der Trend wieder vorbei ist?
Auch die Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf bildet Serienautor*innen aus. Zusammen mit dem Erich Pommer Institut (EPI) bietet die Hochschule seit 2015 die „Winterclass – Serial Writing And Producing“ an. „Niemand in der deutschen Branche hat wirklich langjährige Expertise in diesem Bereich – viele machen eine Qualitätsserie zum ersten Mal. Da fehlt es dann schlicht an Erfahrung und manchmal auch an Wissen um die besonderen Aspekte, die es zu beachten gilt. An diesem Punkt setzen wir an“, sagt Timo Gössler von der Filmuniversität.
Neben Fallstudien und Werkstattberichten erfahrener internationaler Serienschaffender erfahren die Teilnehmer*innen der Winterclass Nützliches zu Serienfinanzierung, zur wirtschaftlichen und kreativen Ausgestaltung neuer Arbeitsmodelle und zu erzählerischen Herausforderungen bei komplexen Serien.
Bei den vielfältigen Angeboten stellt sich die Frage, ob nicht die Gefahr besteht, der derzeitige Serientrend könne das tun, was Trends eben auch ausmacht: irgendwann vorbei sein. Ausgerechnet UFA-Geschäftsführer Nico Hofmann war es, der zuletzt in einem Interview davon sprach, dass es eine Frage der Zeit sei, bis die „Serienblase“ platze.
Dass dann vielleicht sehr viele frischqualifizierte und spezialisierte Absolvent*innen ohne Tätigkeitsfeld dastehen würden, glaubt Grische Böhmer vom Erich Pommer Institut aus Potsdam jedoch nicht: „Vor dieser Blase wird ja im Grund gewarnt, seit es die ersten hochwertigen Serien gibt. Aber noch entwickeln immer mehr Firmen und Sender Serien, gibt es Jahr für Jahr mehr davon, auch zweite und dritte Staffeln. Und all diese Produktionen und Entwicklungen brauchen kompetente Leute.“
Eine vorsorglich breite Ausbildung
Auch ihre ifs-Kollegin Große Hellmann glaubt an die guten Aussichten ihrer Alumni – vorerst. Weil momentan immer noch ständig neue Anbieter von Fernsehplattformen auf den Markt drängen, seien es Facebook, Apple oder die etablierten Streamingdienste, und auch die klassischen Sender weiter in Serien investieren, glaube sie nicht, dass der Branche bald die Jobs ausgehen. „Mittel- bis langfristig ist aber tatsächlich anzunehmen, dass sich einige Anbieter zurückziehen werden“, sagt sie. „Das ist der Grund, warum wir unsere Studierenden so breit ausbilden.“
Und die UFA Serienschule selbst? Die wolle ihren Erfolg nach dem Abschluss der ersten Klasse im Mai zwar evaluieren, Sorge um die Zukunft macht sich Dominique Moro aber ebenfalls nicht: „Wir suchen Autoren für unsere Serien, die es bereits vor dem Boom gab und die es auch geben wird, wenn die Blase platzt.“
Vielleicht ja auch eine beruhigende Prognose für alle anderen angehenden Serienschreiber*innen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball
Nachhaltige Elektronik
Ein blauer Engel für die faire Maus
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Studie zu Zweitem Weltkrieg
„Die Deutschen sind nackt und sie schreien“
Bodycams bei Polizei und Feuerwehr
Ungeliebte Spielzeuge