Ausbeutung von Hausangestellten: Sklavenarbeit bei Diplomaten
Immer mehr Ex-Angestellte von Botschaftsangehörigen wenden sich an den Außenminister. Die Klage gegen einen saudischen Diplomaten macht ihnen Mut.
BERLIN taz | Nachdem die Arbeitsausbeutung durch Diplomaten nun erstmals vor einem deutschen Gericht verhandelt werden soll, kommen immer mehr Fälle moderner Sklaverei ans Licht. Die Betroffenen erheben zum Teil schwerste Vorwürfe.
Doch selbst wenn es Belege sogar für Misshandlung gibt - die Diplomaten sind vor der deutschen Rechtsprechung geschützt. Drei ehemalige Hausangestellte haben sich nun mit offenen Briefen an Außenminister Guido Westerwelle gewandt.
"Ich bin nichts im Vergleich zu ihm, aber das ist keine Entschuldigung", schreibt etwa die Philippinerin Ellen G., die bis zum Januar bei einem Diplomaten der türkischen Botschaft arbeitete. Wie alle Diplomaten, die Hausangestellte mit nach Deutschland bringen, musste ihr Arbeitgeber einen Vertrag vorlegen, in dem er sich verpflichtet, einen Mindestlohn von 750 Euro zu zahlen.
Kontrolliert wird das nicht, und das "Wiener Übereinkommen" schützt den Diplomaten. So kann Ellen G. zwar eine E-Mail vorlegen, in der der Arbeitgeber zugibt, nur 500 statt 750 Euro zu zahlen. Doch die von ihrer Anwältin eingereichte Klage hat das Arbeitsgericht Berlin mit Hinweis auf die diplomatische Immunität abgewiesen.
Ähnlich erging es auch Maria M., die fast drei Jahre bei einem israelischen Diplomaten arbeitete. Sie habe nur 450 Euro Lohn erhalten und musste meist bis zum späten Abend arbeiten, schreibt die Philippinerin in ihrem Brief an den Außenminister.
Ein deutscher Staatsangehöriger, der jahrelang als Fahrer in der Botschaft von Bangladesch tätig war, gibt an, von einem Diplomaten massiv bedroht und geschlagen worden sein. Alle drei Angestellten hatten sich an die Berliner Beratungsstelle Ban Ying gewandt, die seit Jahren Opfer moderner Sklaverei betreut.
Ein Diplomat wurde noch nie ausgewiesen
Auf Anfrage teilte das Auswärtige Amt mit, es bemühe sich "um eine Stärkung der Rechte von Hausangestellten in Diplomatenhaushalten". Beschwerden gehe man sofort nach. In den Fällen von Ellen G. und Maria M. habe man sich um eine gütliche Einigung mit den Botschaften bemüht - bislang aber erfolglos.
Sollte eine Auslandsvertretung häufiger negativ auffallen, könne das Auswärtige Amt zu Sanktionen greifen und zum Beispiel keine weiteren Hausangestellten genehmigen. Den letzten Schritt, die Ausweisung eines Diplomaten als unerwünschte Person, hat es laut Auswärtigem Amt aber noch nie gegeben.
Mit dem im Sommer bekannt gewordenen Fall von Dewi Ratnasari*, die bei einem saudischen Diplomaten monatelang ohne Lohn gearbeitet haben soll, gehen Menschenrechtler einen anderen Weg.
Vergewaltigungsvorwurf gegen Botschaftsmitarbeiter erhoben
Das Deutsche Institut für Menschenrechte finanziert einen Musterprozess, bei dem in letzter Instanz das Bundesverfassungsgericht klären soll, ob der Staat für die Ansprüche der Hausangestellten einstehen muss. Anfang November will das Landesarbeitsgericht Berlin verkünden, ob es den Fall abweist oder dem Verfassungsgericht vorlegt.
"Seit der Fall Dewi Ratnasari in die Medien gelangte, melden sich immer mehr Betroffene", sagt Nivedita Prasad von Ban Ying. So habe etwa eine afrikanische Frau per Mail geschrieben, sie habe erst nach fünf Jahren erfahren, dass sie viel zu wenig Lohn bekomme. Als sie sich beschwerte, schickte der Diplomat sie zurück in ihr Heimatland.
Noch dramatischer ist der Fall einer Hausangestellten, die sich vor zwei Wochen an die Kölner Beratungsstelle agisra gewandt hat. Sie sei mehrfach vergewaltigt worden, bekam schließlich ein Kind. Der Diplomat habe Deutschland inzwischen verlassen und sie ohne Aufenthaltsstatus zurückgelassen.
*Name geändert
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