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Ausbeutung in der Game-BrancheSei froh um die Credits oder Crunchen bis ins Burn-out

Spie­le­ent­wick­le­r:in­nen in der Gaming-Branche erleben Arbeitsbedingungen wie im 19. Jahrhundert. Damit das besser wird, ist Organisation gefragt.

Szene aus Crunch – Traum und Albtraum in der Gaming-Industrie Foto: Max Kuwertz/Jan Kapitän/SWR Presse

W enn du für deinen Job wirklich brennst, machst du gerne Überstunden! Du willst doch auch, dass das Produkt gut wird, oder? Dein Name steht schließlich in den Credits. Sei doch froh, dass du in einem bekannten Unternehmen wie unserem arbeiten darfst!

Bei kreativen Berufen wird gerne so getan, als würde die Liebe zum Job schlechte Arbeitsbedingungen ausgleichen. Das gilt auch für Spie­le­ent­wick­le­r:in­nen in der Gaming-Branche. Die neue ARD-Doku „Crunch – Traum und Albtraum in der Gaming-Industrie“ erzählt von einer toxischen Arbeitskultur.

„Crunch“ nennt man die Zeit kurz vor der Veröffentlichung eines Spiels. Die Mit­ar­bei­te­r:in­nen berichten von unbezahlten Überstunden, Burn-out und Mobbing am Arbeitsplatz.

Kol­le­g:in­nen hätten sich Matten ins Büro genommen oder mit dem Kopf auf den Armen am Schreibtisch geschlafen. Es sei selbstverständlich gewesen, monatelang auch am Wochenende arbeiten zu müssen. Ganz zu schweigen von der belastenden Arbeitsatmosphäre, in der geschrien worden sei, Gegenstände durch den Raum geflogen und Menschen sexuell belästigt worden seien. Wie Frauen in der Branche leiden, könnte eine komplette, weitere Kolumne füllen.

Der Markt wächst immer noch

Laut der International Game Developers Association erlebten 85 Prozent der angestellten Ent­wick­le­r:in­nen mindestens einen „Crunch“ in den vergangenen zwei Jahren, 74 Prozent davon mehr als zwei. Unter Selbstständigen und Freiberuflichen waren es noch mehr. Gerechtfertigt wird das damit, dass die wirtschaftliche Lage angespannt sei.

Erstens: Das stimmt nicht. Zwar wurden 2023 und 2024 Tausende Mitarbeitende in den großen Spieleunternehmen entlassen. Das liegt daran, dass Videospiele zu Beginn der Corona­pandemie krass boomten. Kinder etwa spielten im ersten Lockdown 132 Minuten statt 83 Minuten am Tag. Verkäufe von Spielen und Konsolen stiegen, die Branche stellte neues Personal ein. Jetzt ist das Wachstum abgeflacht, denn die Pandemie hat zwar nie geendet, ist aber den meisten egal geworden. Der Markt wächst trotzdem weiter. Laut dem Branchenverband Game von 2022 auf 2023 um sechs Prozent.

Zweitens: Was soll das für eine Begründung sein? Anderen Branchen geht es auch mies und trotzdem herrschen dort keine Arbeitsbedingungen wie im 19. Jahrhundert. Journalismus zum Beispiel! Meistens jedenfalls, haha. Wenn der Arbeitgeber ungehindert Leistung aus Menschen rauspressen kann, dann liegt das immer daran, dass die Ar­beit­neh­me­r:in­nen zu wenig Macht haben.

Also: Tretet Gewerkschaften und Ar­beit­neh­me­r:in­nen­ver­bän­den bei! In der Gaming-Branche sind sie bisher kaum verbreitet. Aber es gibt sie. Der Verein Game:in setzt sich für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Bei Verdi schlossen sich 2024 Beschäftigte zum Game Devs Roundtable zusammen. Sie fordern unter anderem Tarifverträge, faire Gehälter und Freiwilligkeit für Überstunden. Furchtbar und skurril, dass man sich das im Jahr 2025 immer noch erkämpfen muss.

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Alexandra Hilpert
Redakteurin
Hat in Leipzig Journalismus studiert und ist seit 2022 fest bei der taz, aktuell im Online-Ressort als CvD und Nachrichtenchefin. Schreibt am liebsten über Wissenschaft, Technik und Gesellschaft, unter anderem in ihrer Kolumne Zockerzecke.
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1 Kommentar

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  • Klingt irgendwie nach Zwangsarbeit. Irgendwie verwundert mich das schon, ich dachte man legt in den Kreisen der Kreativwirtschaft so viel Wert auf Selbstverwirklichung und Work-Life-Balance. Dies scheint sich wohl eher nur auf die Führungskräfte zu beziehen.