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Ausbau des öffentlichen NahverkehrsAldi statt S-Bahn

Auf der Vorhaltefläche für die geplante Nahverkehrstagente in Marzahn wird ein Supermarkt gebaut. Das könnte den S-Bahn-Lückenschluss verzögern

Warum nicht auch mal ein Supermarkt? Eine S-Bahn fährt durch Berlin-Mitte Foto: dpa | Monika Skolimowska

Berlin taz | Vorausschauende Planung sieht anders aus: Der Bezirk Marzahn-Hellersdorf hat den Bau eines Supermarktes auf einer Fläche gestattet, die eigentlich für den Bau einer neuen S-Bahn-Linie vorgesehen ist. Das geht aus einer bisher unveröffentlichten Anfrage des Linken-Verkehrspolitikers Kristian Ronneburg hervor. Zuerst hatte die Berliner Zeitung berichtet.

Konkret handelt es sich um das Grundstück Märkische Allee 59 in Marzahn, auf dem der Immobilien- und Möbelunternehmer Kurt Krieger eine Aldi-Filiale errichten will. Zukünftig soll hier die sogenannte Nahverkehrstangente (NVT) entlangführen, ein Lückenschluss, der die nach Osten führenden S-Bahn-Linien verbinden soll. Die neue Linie führt von Grünau über Wuhlheide nach Springpfuhl.

Bereits im Februar 2024 sprach sich der Senat für eine Realisierung der Pläne aus. Die Trassenführung führt demnach genau über das Grundstück, auf dem jetzt die Aldi-Filiale entsteht. Trotzdem erteilte der Bezirk wenige Monate nach dem Senatsbeschluss im August 2024 die Baugenehmigung.

„Es gab keine rechtliche Grundlage zur Versagung des Vorhabens“, argumentiert der Bezirk Marzahn-Hellersdorf in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage. Das Grundstück befände sich in privater Hand; ein Planfestellungsverfahren, in dessen Rahmen die Baugenehmigung hätte verhindert werden können, hatte es für die NVT zu dem Zeitpunkt nicht gegeben. Auch ein Bebauungsplan war nicht notwendig, da es nach einer Regelung im Baugesetzbuch ausreicht, sich an der Umgebungsbebauung zu orientieren.

Bahnstrecke schon lange geplant

Allerdings ist das Grundstück schon seit 1994 im Flächennutzungsplan als Bahnfläche ausgewiesen. Bei vom Flächennutzungsplan abweichenden Bauvorhaben müssen die Bezirke den Senat vor der Erteilung der Baugenehmigung informieren. Laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen sei das aber im Falle der Aldi-Filiale nie geschehen.

Kristian Ronneburg wundert sich über das Verhalten des Bezirks. Abseits der Rechtslage hätte es viele Möglichkeiten gegeben, den Konflikt politisch zu lösen. So hätten der Senat und der Bezirk mit dem Grundstückseigentümer verhandeln können. „Es ist nicht wirklich zu erklären“, sagt der Verkehrspolitiker.

Die Folgen für das Schienenprojekt sind noch unklar. Dass die NVT an dem Markt scheitern wird, hält Ronneburg für unwahrscheinlich, da es auch andere bebaute Grundstücke auf der Trasse gebe. „Es muss enteignet werden“, prognostiziert er. Enteignung und Entschädigung werden den Planungsprozess wahrscheinlich noch weiter verlängern. Wann mit dem Bau begonnen wird, ist bislang nicht abzusehen.

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1 Kommentar

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  • Vielleicht (nur vielleicht) würde die Verwaltung in Berlin besser laufen, wenn entweder die Bezirke als kommunale, selbständig handelnde Subjekte aufgelöst werden und nur noch als untergeordnete Verwaltungseinheiten des Senats fungieren oder aber umgekehrt der Senat nur noch als Landesregierung für das Bundesland Berlin zuständig wäre und alle kommunalen Angelegenheiten nur bei den Bezirken (die dann praktisch selbständige Großstädte wären) liegen würden. Wenn aber kommunale Funktionalitäten wie jetzt parallel beim Abgeordnetenhaus bzw. Senat und bei den Bezirken bzw. den Bezirksregierungen liegen, kann nur Chaos rauskommen.