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Aus für Musikmagazin „Spex“Leise Trauer

Wehmütiger Abschluss: Das legendäre Musikmagain „Spex“ muss den Betrieb einstellen. Gänzlich überraschend kommt das in der Coronakrise nicht.

„Spex“: Auf Papier schon länger nur noch in der Bücherei erhältlich Foto: Bernd Jonkmanns/laif

Das Pop-Magazin Spex war neben allem Diskurs auch für seine ­Begeisterungsfähigkeit berühmt. Auto­r*in­nen und Grün­de­r*in­nen wie Clara Drechs­ler und Diedrich Diederichsen konnten bei Bedarf Hunderte warmer Worte voller Hingebung zaubern. Die derzeitige Hauptseite des (mittlerweile digitalen) Organs wird unterdessen von der nüchternen Sprache der Marktwirtschaft beherrscht: „[…] leider hat die Coronakrise die Spex in voller Härte getroffen. Deshalb können wir aktuell und bis auf weiteres den bisherigen Betrieb in der Form nicht aufrechterhalten …“, grüßt der Piranha Verlag – und nicht die Redaktion – unerwartet seit diesem Wochenende per Pop-up. Weiter heißt es da: „Deshalb müssen wir den drastischen Schritt gehen und den Betrieb der Spex einstellen, bevor sie die Existenz des gesamten Verlages gefährdet hätte.“ Das Ende?

Besinnen wir uns noch einmal zurück: Ende 2018 verabschiedete man sich nach 39 Jahren vom Printformat. Damals meldete sich jede*r zu Wort, der in irgendeiner Weise in den knapp vier Jahrzehnten beeinflusst, inspiriert oder auch vergrämt worden war. Auch in der taz betrauerten etwa die Missy-Magazin-Mitgründerin Sonja Eismann oder Katja Lucker vom Musicboard Berlin die Einstellung der Printausgabe. Etliche kluge Köpfe tauschten sich darüber aus, wie es dazu kommen konnte. Im Winter 2018 wurde für viele Akteur*innen und Le­se­r*innen der schleichende erste Tod der alten Musikwelt (und damit auch des Pop-Journalismus) final offensichtlich.

Noch immer ist die Frage nach dem Anfang vom Ende nicht geklärt: War es Ende der Neunziger, als sich viele Plattenfirmen eingestehen mussten, dass durch gesättigte Märkte und Napster die Verkaufserlöse sowie Marketingbudgets wegbröckelten? Den stets von Anzeigen abhängigen Pop-Journalismus traf dies besonders hart. Oder war es doch zehn Jahre später, als Blogs, Social Media und andere Gratisportale die Gatekeeper-Rolle der Magazine übernahmen und nun eine neue Art von Lackmustest darstellten?

Wer oder was „hot“ war, entschieden plötzlich kleine Grüppchen und Bewegungen schlicht selbst. Auch die Feuilletons der Tageszeitungen hatten sich verändert: Standen sie in den Anfangstagen der Spex noch als konservativ-dogmatisch-hochkultureller Feind da, öffneten sie sich für Experimente und randständigen Pop, übernahmen queer-feministische oder postkoloniale Diskurse – dies stets tagesaktuell und nicht bloß einmal im Monat.

Es ging grad aufwärts

Nicht wenige Kom­men­ta­to­r*in­nen verwiesen darauf, dass das Ende der Spex auch mit dem Verlagshaus Piranha Media GmbH des findigen Geschäftsmanns Alexander Lacher zu tun hatte. Lacher, der ebenso Verleger für weitere geschätzte Magazine (Groove, Juice und Riddim) ist, hatte sie 2000 gekauft, als es finanziell übel aussah.

Das Abo-Modell mit gerade einmal 24 Euro pro Jahr wurde durchaus angenommen

Diese Veräußerung des kulturellen Kapitals – Lacher gibt noch das Burger-King-Advertorial-Heftchen „King“ raus – haben viele Begleiter*innen der ersten zwanzig Jahre nie überwunden, den Standortwechsel von Köln nach Berlin noch weniger. Trotz dessen schien die Spex seit der Umstellung auf den Onlinebetrieb gefestigter denn je: „Es lief eigentlich gut, die Zahlen waren positiv“, erklärt Dennis Pohl, „wir verzeichneten mehr und mehr Abos.“ Pohl war seit Februar 2019 Chefredakteur, hatte mit seinem Team erheblichen Anteil am Erfolg des Onlineservice, dem viele ein jähes Ende prophezeit hatten. Stattdessen war das neue Abo-Modell mit gerade einmal 24 Euro pro Jahr durchaus angenommen worden.

Nun der Schock für alle Außenstehenden. Für Dennis Pohl war dies nicht die große Überraschung: „Wir wussten seit Ende Mai Bescheid, dass dieser Schritt kommen würde“, schon vorher habe es Anzeichen gegeben. Die Redaktion war eh in Kurzarbeit gesetzt worden, Artikel an freie Mit­ar­beit­e­r*innen wurden nicht mehr vergeben, um die Kosten zu senken.

Während der Verlag indes auf einen Neustart hofft, stünde die gerade gekündigte Redaktion der Spex-Geschichte „in dieser Form nicht bereit“, so Pohl. Damit könnte der Titel des (womöglich) letzten Beitrags aus der Feder des begnadeten Kristoffer Cornils kaum passender lauten: „Tod und Spiele“. Doch könnte selbst dieser zweite Tod nicht endgültig sein; es werden Stimmen laut, die einen Verkauf der Marke fordern und auf einen Neustart bauen. Bis dahin darf man leise trauern.

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