Aus für Kopfpauschale: Gewollt, geplant, geplatzt

Lange hat Minister Philipp Rösler (FDP) für die Kopfpauschale gekämpft - jetzt ist sie vom Tisch. Die Probleme sind damit nicht gelöst.

Protest mit Wirkung: Campact-Aktivist als Rösler. Bild: dpa

Schmeißt jetzt auch noch der Gesundheitsminister hin? Die Möglichkeit stand im Raum, als Philipp Rösler (FDP) am Freitagvormittag in seinem Ministerium kurzfristig vor die Presse trat. Und tatsächlich lautete dann eine der ersten Fragen, ob er an Rücktritt gedacht habe. Röslers Antwort war bezeichnend. Er sagte nicht: Quatsch! Nicht: Die Frage stellt sich nicht! Sondern: "Der Bambus wiegt sich im Sturm, aber er bricht nicht."

Am Abend zuvor hatten sich die Koalitionsexperten zum Krisengespräch getroffen, Rösler sprach mit den Parteichefs von CDU, CSU und FDP. Danach war nicht viel übrig geblieben von Röslers Plänen - die er bis dahin noch nicht einmal persönlich vorgestellt hatte. Eine Kopfpauschale von 30 Euro wird es so nicht geben, sie ist gescheitert am Widerstand der CSU.

Nachdem die FDP schon das Thema Steuersenkungen versenken musste und stattdessen die Forderung nach einer Finanzmarktsteuer mittragen muss, ist nun auch das zweite Großprojekt der Liberalen gescheitert: die Einführung der einkommensunabhängigen Kopfpauschale für alle gesetzlich Versicherten. In einem Interview hatte Rösler vor einigen Monaten sein eigenes Schicksal mit einer gelungenen Reform verbunden. Das Aus für die Kopfpauschale ist auch seine persönliche Niederlage.

Entsprechend gefrustet war Rösler am Freitag. "Ich bin nicht beleidigt, sondern ich bin empört darüber, dass eine Partei, die der Regierungskoalition angehört, nicht bereit ist, sich der Verantwortung zu stellen", sagte er. Deutlichere Kritik an der CSU geht kaum - zumal von einem eher stillen Politiker wie Rösler. Die SPD freuts, schließlich hat sie die Kopfpauschale schon immer abgelehnt. Es sei gut, dass die "komplizierten und ungerechten Pläne" vom Tisch seien, erklärte die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann.

Was nun? Auf die gesetzlich Versicherten kommen 2011 deutlich höhere Kosten zu. Bei den Krankenkassen droht ein Defizit von 11 Milliarden Euro. In den nächsten zwei Wochen will die Koalition laut Rösler ein neues Modell ausarbeiten, dessen Eckpunkte er gleich mitpräsentierte. Es läuft auf eine Kombination aus Sparen und einer Erhöhung der Zusatzbeiträge hinaus, die einzelne Krankenkassen heute schon erheben. Zwei Milliarden sollen im nächsten Jahr durch zusätzliche Steuermittel reingeholt werden. Vier Milliarden sollen durch Einsparungen gedeckt werden. Bleiben mindestens fünf Milliarden Euro. Und die werden die Versicherten als Zusatzbeiträge zahlen müssen.

Von 15 bis 20 Euro im Monat spricht Philipp Rösler. Bisher können die Krankenkassen ohne Prüfung des Einkommens Beiträge in Höhe von acht Euro pro Monat erheben - darüber gilt eine Obergrenze von einem Prozent des Bruttoeinkommens. Gut möglich, dass diese Grenze nun auch fällt. Darüber müsse man reden, sagte CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Das würde aber auch bedeuten, dass einzelne Versicherte Zusatzbeiträge bezahlen müssen, die weit höher sind als die heute schon maximal möglichen 37,50 Euro.

Doch schon das Einsparen von vier Milliarden Euro wird nicht einfach sein. "Ich bin mir nicht sicher, ob sich jeder der Größe der Aufgabe bewusst ist", sagte CDU-Mann Spahn. Das schon bisher geplante Arznei-Sparpaket bringt allenfalls zwei Milliarden Euro, die Koalition denkt deshalb auch über Nullrunden bei Ärzten und Krankenhäusern nach. "Für diese Verhandlungen fehlt dem Minister die nötige Autorität", sagt der SPD-Politiker Karl Lauterbach der taz. Rösler findet, die CSU müsse zudem eigene Vorschläge liefern, wo denn noch gespart werden könne. "Der Ball liegt - passend zur WM - im Spielfeld der CSU", sagte er.

Die wiederum brachte eine Praxisgebühr ins Gespräch, die bei jedem Arztbesuch fällig werden soll. Das könnte den Geldbeutel einzelner deutlich belasten. Rösler lehnt dies ab.

Der Druck auf die Koalition, nun endlich einen Erfolg zu vermelden, ist jedenfalls groß. "Wir brauchen ein Ergebnis", sagte Spahn. "Noch diesen Monat."

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