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Aus der Traum vom Maurer-Porsche

Einst war Ford der drittgrößte Autobauer in Deutschland. Doch die Umstellung auf E-Mobilität floppte, die Aussichten sind düster

Von Kai Schöneberg

Maurer-Porsche hieß er in den Siebzigerjahren, der Ford Capri, ein sportliches Coupé für schmales Geld. Nun gibt es ihn wieder. Mit Fahrersitz mit Massagefunktion, beheizbarem Lenkrad und „Vivid-Yellow-Lackierung“, eine „Hommage an das klassische Daytona-Gelb des Youngtimer-Klassikers“. Der Capri hat ab 170 PS und 393 Kilometer Reichweite – und ist der Stolz der Ma­lo­che­r*in­nen von Köln-Niehl. Besser gesagt: War der Stolz der 12.000 Mit­ar­bei­te­r*in­nen in Fords Europa-Zentrale.

Denn das seit September 2024 produzierte vollelektrische SUV floppt – trotz „Aktionspreis“ ab 42.400 Euro. Die in Köln gebauten Ford-Stromer Capri und Explorer verkauften sich von Januar bis April in Deutschland nur 3.200-mal. Viel zu wenig. Ford hat Kurzarbeit angemeldet.

Nun zittern sie am Rhein um ihre Jobs. Und streiken, um einen Sozialtarifvertrag durchzuboxen. „Es werden keine Getriebe gefertigt, es werden keine Autos gefertigt. Das tut schon weh“, sagte Betriebsratschef Benjamin Gruschka am Mittwoch bei einer Kundgebung vor Tor 3. Die Werksband spielte „I’m still standing“ und „Wunder gibt es immer wieder“. Doch der erste Ausstand in der 95-jährigen Geschichte des Werks könnte der letzte gewesen sein. Ford hat sich verzockt. Und auch Pech gehabt.

1931 hatte die Produktion in Niehl mit 619 Beschäftigten begonnen – sieben Monate nach der Grundsteinlegung mit Henry Ford und dem damaligen Oberbürgermeister Konrad Adenauer, der den Amis mit Subventionszusagen den Konkurrenzstandort Neuss ausgeredet hatte. Ab 1932 wurde der „Ford Rheinland“ verkauft. Tagesproduktion: zunächst 60 Wagen. In den Siebzigern hatte Ford in Köln 50.000 Mitarbeiter*innen, baute den Fiesta, den Capri, den Escort. 18,5 Prozent Marktanteil. Ford war nach VW und Opel der drittgrößte Hersteller in Deutschland, stand für solide Kisten für solide Leute, untere Mittelklasse eben. Dann begann ein schleichender Niedergang. In der Coronazeit verschlief das Management in Köln – wie andere in Wolfsburg, Stuttgart und München auch – die große E-Transformation. Ford stürzte ab auf nur noch 3,5 Prozent Marktanteil.

Die Zentrale in Dearborn im US-Bundesstaat Michigan machte kurzen Prozess. Bis Ende 2027 sollen in Europa mindestens 4.000 Stellen wegfallen, allein 2.900 in Deutschland, in Köln etwa jeder vierte der aktuell 12.000 Jobs. Im Werk in Saarlouis läuft im November der letzte Focus vom Band. Im März kündigte der US-Autobauer zwar eine Milliarden-Finanzspritze an. Dafür will er aber künftig keinen Insolvenzschutz mehr für seine Europa-Filiale garantieren. Seit Monaten verhandeln die Chefs mit Betriebsrat und Gewerkschaft über die soziale Abfederung des Personalabbaus – bislang ohne Ergebnis.

Ford-Malo­cher*innen am Mittwoch bei einer IG-­Metall-Kundgebung in Köln Foto: Thilo Schmuelgen/reuters

Erst relativ spät hat Ford in Elektromobilität investiert – dann aber mit Wumms. Das Kölner Werk wurde für knapp 2 Milliarden Euro zu einem emis­sions­armen Produktions­stand­ort umgewandelt. Aber: Das Timing für den Verkaufsstart der zwei Stromer im vergangenen Jahr war schlecht. Miese Konsumlaune, das abrupte Ende der Förderung für ­E-Autos Ende 2023, aber auch, dass die Politik immer wieder über das Verbrenner-Aus in Europa diskutierte, machte die Stromer zu Ladenhütern.

Ford sei es nicht gelungen, sein Niedrigpreis-Image glaubwürdig umzuwandeln, um teurer verkaufen zu können, sagt der Autoexperte Stefan Bratzel. „Warum soll ich mir einen Ford kaufen, wenn ich für das gleiche Geld auch einen Stromer von Volkswagen bekomme und die darin enthaltene Technik großteils die gleiche ist?“, sagt Bratzel. Capri und Explorer fahren auf Plattformen von VW. Die sind bereits weiter mit der Antriebswende, noch schneller aber ist die Konkurrenz aus Fernost. Bratzel: „Chinesische Anbieter drängen auf den Markt und erhöhen den Druck deutlich.“

Die Aussichten sind düster. Viele fürchten, dass ein Konzern aus China Köln aufkauft und als verlängerte Werkbank nutzt, Entwicklungsabteilung und Verwaltung mit tausenden Jobs wären perdu. Fachleute wie Bratzel halten Ford für zu klein zum Überleben. Und raten dringend, sich bei einem großen Partner unterzuhaken. So wie es Opel bei Stellantis getan hat. Wie wäre es mit Renault?

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