Aus der Natur: Wildvögel bald vogelfrei
Die einzige Pflegestation für Wildvögel in Berlin wird vom Nabu betrieben und kümmert sich um rund 1.000 verletzte Tiere im Jahr. Nun steht sie vor der Schließung.
Wer bei Berliner Gefieder nur an Spatzen und Tauben denkt, liegt falsch: Auch im Stadtgebiet leben Wildvögel. Die vom Naturschutzbund Berlin (Nabu) betriebene Wildtierpflegestation in Marzahn kümmert sich um Turmfalken, Mäusebussarde oder Nebelkrähen. Wer einen aus dem Nest gefallenen Mauersegler findet und wissen möchte, was zu tun ist, findet hier Hilfe.
Seit 1998 gibt es die Station in Marzahn - doch jetzt ist ihre Zukunft ungewiss. Die Station benötige im Jahr etwa 70.000 bis 100.000 Euro, der Nabu könne aber nur 20.000 Euro selbst beisteuern, sagt Sprecherin Anja Sorges. Der restliche Betrag wurde bislang von Spendern aufgebracht. Doch seit Mitte 2010 ein großer Sponsor absprang, wird die Finanzierung immer schwieriger. Für dieses Jahr, sagt Sorges, sei sie bis jetzt völlig unklar.
Der Nabu sieht die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in der Pflicht und hat sich mit einem Brief bereits an SPD-Senator Michael Müller gewandt. "Wir bekommen momentan keinerlei finanzielle Unterstützung vom Senat, obwohl wir einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten", sagt Sorges. Bei den Pflegetieren auf der Station handle es sich um geschützte Arten, erklärt Rainer Altenkamp vom Nabu. Der Senat sei deshalb gesetzlich dazu verpflichtet, sich um die Vögel zu kümmern. Auf den Brief habe der Senator jedoch bislang nicht reagiert.
Eine Art Reha für Tiere
Etwa 1.000 Vögel werden auf der Station im Jahr versorgt, die meisten werden verletzt im Stadtgebiet eingesammelt und dann gefüttert, untersucht, gewogen und registriert. "Wir sind so eine Art Reha für die Tiere" sagt Sorges.
In den Käfigen im Vogelzimmer und in den Außenvolieren zwitschern und flattern die Tiere, in den Schränken stapeln sich Akten zu jedem einzelnen Vogel, in denen die wichtigsten Daten notiert werden. Ein möglichst genauer Überblick über die geschützten Vögel in der Stadt sei sehr wichtig, um zu verhindern, dass die Tiere in den illegalen Handel gelangen, heißt es auf der Station.
Schon jetzt ist die Situation schwierig: Von den ehemals drei hauptamtlichen Mitarbeitern ist nur noch einer übrig, den Rest der Arbeit übernehmen ehrenamtliche Helfer. "Wenn wir die nicht hätten, könnten wir unsere Arbeit gar nicht mehr machen" sagt Stationsleiter André Hellau. Die Station sei sowohl in der Pflege als auch in der Auswilderung der Tiere sehr erfolgreich: "Wir wollen die Vögel aufpäppeln, aber nicht zu lange bei uns behalten, damit sie sich nicht zu sehr an die menschliche Umgebung gewöhnen", erklärt Hellau. Die Aussichten für Mitarbeiter und Vögel sind momentan schlecht: Ohne zusätzliche finanzielle Hilfe müsse die Station spätestens im Juni schließen, sagt Altenkamp: "Dann müssen sich die Bürger mit ihren Findlingen an die Senatsverwaltung wenden."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja